Die Behörden gehen dem Verdacht nach, ob die Vorstände des Dax-Konzerns im Rahmen einer Sonder-Bilanzprüfung durch KPMG irreführende Angaben gemacht und dadurch den Börsenkurs manipuliert haben. Die Aktien rauschten im Frankfurter Späthandel um mehr als zehn Prozent in die Tiefe. Wirecard bestätigte die Durchsuchungen und erklärte: "Die Ermittlungen richten sich nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen ihre Vorstandsmitglieder." Das Unternehmen kooperiere mit den Ermittlungsbehörden und der Vorstand sei zuversichtlich, dass der Sachverhalt sich aufklären werde und die Vorwürfe sich als unbegründet erweisen würden. Angeklagt sind sind alle vier Vorstände des Unternehmens - neben Firmenchef Braun sind das Finanzchef Alexander von Knoop, der für das operative Geschäft zuständige Jan Marsalek und Produktvorständin Susanne Steidl.

Konkret wird ihnen vorgeworfen, in zwei Pflicht-Mitteilungen am 12. März und 22. April irreführende Signale gesendet zu haben mit Blick auf die Untersuchungen durch KPMG, wie die Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte. Wirecard hatte damals erklärt, die Wirtschaftsprüfer hätten nichts zu beanstanden. Bei der Vorlage ihres Berichts Ende April erklärten die Prüfer aber, dass sie ein paar der Vorwürfe, die in Medienberichten in den vergangenen Jahren immer wieder gemacht wurden, nicht entkräften konnten. Zudem warfen sie dem Vorstand vor, die Untersuchungen teilweise behindert zu haben.

Braun ist so eng wie kein anderer Vorstandschef eines Dax-30-Konzerns mit seinem Unternehmen verbandelt. Der Wiener lenkt den Zahlungsabwickler seit fast zwei Jahrzehnten, er ist der größte Aktionär und hat die einstige Neue-Markt-Bude in die Königsklasse der Frankfurter Börse geführt. Der Aufsichtsrat entzog ihm nach heftigen Vorwürfen im Rahmen der KPMG-Prüfung Teile seiner Macht und sortierte die Aufgaben im Vorstand neu. Großanleger wie die Fondsgesellschaft Deka fordern den Rücktritt des Österreichers. Die Investoren fürchten, dass sich die Reputationsschäden auf das Tagesgeschäft auswirken.

HERABSTUFUNG AUF RAMSCHNIVEAU DROHT


Die Ratingagentur Moody's drohte vor wenigen Tagen mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit auf Ramschniveau. Die Experten setzten das "Baa3"-Rating auf die Beobachtungsliste für eine mögliche Herabsetzung. Die aktuelle Note ist gerade noch im sogenannten Investmentbereich - eine Stufe tiefer fängt der Ramschbereich an.

Die Untersuchungen der BaFin, ob Wirecard über die beiden Börsen-Pflichtmitteilungen hinaus möglicherweise irreführend kommuniziert und Marktmanipulation begangen hat, laufen weiter, wie eine Sprecherin der Bonner Behörde sagte. KPMG prüft die Bilanzen nach wie vor, zudem sind die Wirtschaftsprüfer von EY noch mit dem Jahresabschluss 2019 zugange. Diese Vorlage der finalen Geschäftszahlen wurde mehrfach verschoben und zuletzt von Wirecard auf den 18. Juni terminiert. Die Hauptversammlung des Konzerns soll nicht wie ursprünglich geplant Anfang Juli sondern erst am 26. August stattfinden.

In Sachen Wirecard war die BaFin bislang nur gegen Anleger und Journalisten vorgegangen, die sie im April 2019 wegen Leerverkaufs-Attacken bei der Staatsanwaltschaft München I anzeigte. Die Ermittlungen der Behörde gegen diese Personen dauerten an, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltsschaft. Daneben prüfe die Staatsanwaltschaft verschiedene Anzeigen, in denen Wirecard-Kritiker dem Unternehmen unter anderem Geldwäsche vorwerfen.

Nach einer Achterbahnfahrt der Wirecard-Aktie hatte die BaFin im Februar 2019 für zwei Monate Leerverkäufe der Wirecard-Aktie verboten und damit erstmals Wetten auf einen fallenden Kurs einer bestimmten Aktie untersagt. Wegen dieses ungewöhnlichen Schritts sah sich die Behörde massiver Kritik ausgesetzt.

rtr