Wer zur Jahrtausendwende in den Tabakkonzern British American Tobacco investiert hat, kann sich freuen: Der Aktienkurs hat sich nahezu verachtfacht. Zusätzlich wurde jedes Jahr eine ungewöhnlich hohe Dividende ausgeschüttet. Insgesamt ist der Wert des Investments um knapp 2.200 Prozent gestiegen.
Die imposante Entwicklung kommt mit einer Nebenwirkung: Manch einen Investor könnte ein schlechtes Gewissen plagen. Denn British American ist einer der größten Tabakhersteller der Welt. Die Weltgesundheitsorganisation kalkuliert, dass weltweit jedes Jahr mehr als acht Millionen Menschen durch Tabakkonsum getötet werden, mehr als eine Million davon durch Passivrauchen. Will man wirklich von diesem Geschäft profitieren?
Viele Investoren stehen vor einem Dilemma: Dividenden sind insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen eine wichtige Einnahmequelle. Wer die richtigen Aktien besitzt, kann sich über die Geldausschüttung einen Teil seines Lebensunterhalts finanzieren. Die Dividendenrenditen allerdings sind mit steigenden Kursen geschrumpft. Der breite europäische Aktienindex Stoxx 600 wirft derzeit etwa drei Prozent ab und damit rund 0,7 Prozentpunkte weniger als im langjährigen Schnitt.
Durch gezielte Aktienauswahl kann ein Anleger seine persönliche Dividendenrendite aufpeppen. Das Problem dabei: Unter Hochprozentern befinden sich viele Unternehmen aus ethisch problematischen Branchen, Tabak, Öl oder auch Bergbau. Das sind oft Unternehmen, deren Geschäft die Umwelt oder die Gesundheit von Menschen belastet.
Soziale und ökologische Standards
Attraktive Dividendenrenditen mit reinem Gewissen - das ist trotzdem möglich, betont Martin Berberich, der für die Fondsgesellschaft DWS den Dividendenfonds Invest ESG Equity Income betreut. Unternehmen, die ihr Geld mit Tabak, Glücksspiel, Rüstung oder Atomenergie verdienen, kommen bei Berberich nicht ins Depot. Darüber hinaus wird darauf geachtet, dass soziale und ökologische Standards eingehalten werden. Wichtig ist auch die Frage, wie sich Klimaveränderungen auf das operative Geschäft auswirken. Rund 50 Prozent der Aktien, in die klassische Dividendenfonds investieren, fallen durch dieses Raster. "Wir wollen aber nicht einfach nur Unternehmen aussortieren, sondern aktiv in die wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen investieren", betont Berberich.
Konkrete Titel darf der Portfoliomanager aus rechtlichen Gründen nicht nennen. Die größten Positionen des Fonds werden aber regelmäßig veröffentlicht. Dort fand sich zuletzt beispielsweise der britische Versorger National Grid. Der in London sitzende Konzern betreibt Strom- und Gasnetze vor allem in Großbritannien, aber auch in den USA. Durch die knapp acht Milliarden Pfund teure Übernahme des Netzbetreibers WPD schärft der Konzern seinen Fokus auf das britische Elektrizitätsgeschäft. Damit dürfte National Grid eine Schlüsselrolle etwa beim Aufbau der Infrastruktur für E-Autos einnehmen. Die Aktie kommt gegenwärtig auf rund fünf Prozent Dividendenrendite. Wie bei den meisten Aktien mit hohen Prozentzahlen ist das Wachstumspotenzial aber überschaubar.
Drei Prozent Dividendenrendite wirft die Aktie des Verpackungs- und Papierherstellers Mondi ab. Das britisch-österreichische Unternehmen profitiert vom wachsenden Internethandel, durch den deutlich mehr Kartons gebraucht werden. Es gibt noch weitere Wachstumstreiber: Einkaufstüten und Produktverpackungen in Geschäften sind immer häufiger aus Papier. Rund die Hälfte des Umsatzes erzielt Mondi mit Produkten aus dem Bereich der Konsumgüter. Andere Kunden kommen aus der Bauindustrie oder der Landwirtschaft, in der ebenfalls Verpackungsmaterial benötigt wird. Das Ziel von Mondi: möglichst viel Papier und weniger Plastik. Analysten trauen dem Unternehmen im laufenden und im kommenden Jahr Dividendensteigerungen von jeweils rund zehn Prozent zu.
Korrekte Kompromisse
Auch beim Aufbau eines ethisch korrekten Dividendenportfolios kommt es auf die Mischung an: Wer zu strenge Anforderungen stellt, setzt zu stark auf wenige Branchen und verpasst etliche zuverlässige Werte. Oft ist es darum sinnvoll, Zugeständnisse zu machen. "Best in Class" heißt das Prinzip, bei dem ein Anleger die Unternehmen einer Branche vergleicht und in die weniger problematischen Titel investiert.
Ein komplexes Feld ist die Konsumgüterindustrie. Nahrungsmittelhersteller wie Nestlé oder der Brausekonzern Coca-Cola sind Basisinvestments in vielen Dividendenportfolios, weil sie seit langer Zeit zuverlässig zahlen. An den Geschäftspraktiken gibt es aber Kritik: Zu viel Zucker, zu viel Plastikverpackungen, Ausbeutung natürlicher Ressourcen in Entwicklungsländern.
Besonders bemüht ist Unilever: Das britische Markenkonglomerat will stärker auf Verpackungen aus recycelten Materialien setzen. Eine Milliarde Euro Umsatz soll mittelfristig mit pflanzenbasierten Alternativen zu Fleisch und Milch erzielt werden. Werden diese Ziele erreicht, würde Unilever die Umwelt entlasten und zugleich das eigene Geschäft ankurbeln. Die Dividendenrendite der Aktie liegt bei rund dreieinhalb Prozent, die Ausschüttung dürfte weiter leicht steigen.
Die Pharmaindustrie steht insbesondere wegen Tierversuchen in der Kritik. Dem steht der Nutzen innovativer Medikamente für die Gesundheit des Menschen entgegen. Die Branche wird von vielen Anlegern aus einem anderen Grund vernachlässigt: In Erwartung einer kräftigen Konjunkturerholung sind zyklische Branchen gefragt, Pharma gehört nicht dazu. Die Dividendenrenditen vieler Aktien dieses Sektors sind aber dank der schleppenden Kursentwicklung überdurchschnittlich.
Pfizer wirft derzeit sogar mehr als vier Prozent Dividendenrendite ab. Der Konzern produziert zusammen mit Biontech den Covid-Impfstoff BNT 162 und dürfte allein mit diesem Produkt in diesem Jahr 15 Milliarden Dollar Umsatz erzielen. Allerdings könnte dieses Sondergeschäft laut Analystenschätzungen schon im kommenden Jahr auf rund 3,5 Milliarden schrumpfen. Die Dividende sollte trotzdem auch bei der Pfizer-Aktie leicht zulegen.
Vergleichsweise unverfänglich ist der Telekomsektor. Unternehmen wie der amerikanische Mobilfunkriese Verizon müssen viel Geld in ihre Infrastruktur stecken, haben aber auch zuverlässige Einnahmen. Allein im vergangenen Jahr schüttete Verizon darum mehr als zehn Milliarden Dollar aus und gehört damit zu den größten Dividendenzahlern der Welt. Mit mehr als vier Prozent Dividendenrendite zählt die Aktie zu den Topwerten im Aktienindex Dow Jones Industrial. Analysten rechnen bei Verizon mit einer weiter leicht steigenden Ausschüttung.
Auch British American Tobacco arbeitet übrigens an seinem Image. Der Konzern setzt verstärkt auf weniger gefährliche Produkte wie E-Zigaretten und Schnupftabak. Börsianer sehen die Aktie trotzdem kritisch: Der Kurs hat sich nach den zuvor deutlichen Steigerungen zuletzt halbiert. Auch knapp acht Prozent Dividendenrendite machen da keinen Spaß.
INVESTOR-INFO
Dividendenaktien
Über vier Prozent
Die Redaktion hat fünf internationale Aktien ausgewählt. Die Dividendenrendite bewegt sich bei diesen Titeln zwischen drei und mehr als fünf Prozent. Der Schnitt dieses Miniportfolios liegt bei etwas mehr als vier Prozent. Mondi und National Grid verteilen ihre Ausschüttung wie in Großbritannien üblich über zwei Termine im Jahr, bei den drei anderen Titeln wird nach amerikanischem Muster quartalsweise gezahlt.
DWS Invest ESG Equity Income
Nachhaltig investieren
Gezielt auf ökologisch und sozial verantwortlich handelnde Unternehmen setzt der Fonds der DWS. Fondsmanager Martin Berberich meidet problematische Branchen und will von Nachhaltigkeitstrends profitieren. Mit Aktien wie Unilever, Allianz und National Grid kommt der Fonds auf eine Dividendenrendite von etwas mehr als drei Prozent. Berberich: "Damit liegen wir etwas unter dem Niveau klassischer Dividendenfonds, aber rund einen Prozentpunkt über dem breiten Markt."
Fidelity Global Dividend
Die Balance halten
Mindestens 50 Prozent des Fondsvermögens investiert der Dividendenfonds von Fidelity in Titel, die nach ESG-Kriterien bewertet werden und als nachhaltig gelten. Im Fokus stehen internationale Qualitätsunternehmen, die sich über Jahre hinweg als verlässliche Dividendenzahler erwiesen und gute Wachstumsaussichten haben. Zu den größten Positionen im Fonds zählten zuletzt Taiwan Semiconductor, Unilever und Novartis.