Denn die Kanzlerin hat die EU-Kommission schon länger gedrängt, auch hier einen Vorvertrag abzuschließen, wie dies bei anderen Impfstoffen schon vor deren Zulassung der Fall war. Putin wiederum bietet den Impfstoff schon aus Propaganda-Gründen überall an. Da in der EU nichts passierte, platzte Gesundheitsminister Jens Spahn am Mittwochabend der Kragen: Dann werde Deutschland nun eben bilateral einen Vorvertrag anstreben, teilte er seinen EU-Kollegen mit.

Ganz freiwillig kommt der Schritt allerdings nicht. Denn die Bundesregierung stand unter erheblichem Druck. Spahn und die Kanzlerin sind aus der Opposition, Medien und auch von den Koalitionsmitgliedern SPD und CSU wegen eines "Impfchaos" und mangelnder Bestellungen kritisiert worden. Zudem liefen sich im Hintergrund bereits Bundesländer wie Bayern und Mecklenburg-Vorpommern warm. Diese rückten von der gemeinsamen Regel ab, dass der Bund für die Impfstoffbestellung zuständig sein soll. Vor allem ostdeutsche Ministerpräsidenten hatten immer wieder gerade mit Blick auf russischen Impfstoff gefordert, die EU müsse aktiv werden - oder Deutschland einen Alleingang starten.

Genau diese nationalen Alleingänge sind bei der Impfstoffbestellung aber brisant. Merkel hatte im vergangenen Jahr darauf bestanden, dass Deutschland und die anderen großen EU-Staaten die Bestellung der EU-Kommission überlassen. Die von der Bundesregierung eingegangenen Absichtserklärungen mit Herstellern wie BioNTech wurden in der Lieferreihenfolge bewusst ganz nach hinten geschoben, um die Einheit der 27 EU-Staaten bei diesem sensiblen Thema zu wahren. Gerade das große Deutschland sollte nicht den Eindruck erwecken, sich vordrängeln zu wollen - auch wenn die Bundesregierung dafür Prügel zuhause wegen der Impfstoffbestellungen bezog.

Aber bei Sputnik V liegt der Fall mittlerweile anders: Denn zum einen sind längst EU-Staaten wie Ungarn oder die Slowakei ausgeschert und haben sich mit dem russischen Stoff eingedeckt. Zum anderen hatte EU-Kommissar Thierry Breton öffentlich gesagt, dass die Kommission angesichts der bereits bestellten Mengen keine Notwendigkeit mehr sehe, nun auch mit dem russischen Hersteller Vorverträge zu schließen. Dies kam in etlichen EU-Staaten wie beispielsweise Österreich nicht gut an. In Italien soll Sputnik ebenso wie im bayerischen Illertissen produziert werden.

BUNDESLÄNDER PRESCHEN VOR


Spahns Schachzug dürfte nun auch den Sonderweg von Bundesländern wie Bayern und Mecklenburg-Vorpommern beenden - der in Bund-Länder-Kreisen sehr kritisch gesehen wurde. Kritiker werfen der SPD-Politikerin Manuela Schwesig schon wegen ihrer starken Unterstützung der Nord Stream 2-Gaspipeline eine zu enge Russland-Nähe vor. "Und Markus Söder hat Deutschland auch keinen Gefallen getan, wenn er nun Moskau gegenüber eine Spaltung betont", heißt es in Regierungskreisen. Er sei letztlich auf Putins Propaganda reingefallen.

"Das Angebot für Sputnik V haben viele Bundesländer erhalten", sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer zu Reuters. Nur sind die meisten darauf nicht angesprungen, sondern haben den Bund gedrängt. Bis zum Nachmittag hatte das bayerische Gesundheitsministerium nicht auf die Anfrage geantwortet, ob man den Landesvertrag nun zurückstellen werde.

Mit der Ankündigung eines Vorvertrages und der Einschaltung der Taskforce Impflogistik will Spahn die Debatte nun kanalisieren. Denn es sei ja völlig offen, wann Russland denn eigentlich was in welchen Mengen liefern könne - und ob die europäische Arzneimittelagentur EMA überhaupt eine Zulassung erteile. Zwar sagte Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Harry Glawe, dass er schon Ende April mit der Lieferung von einer Million Dosen rechne. Aber selbst Söder sprach für die erwarteten 2,5 Millionen Dosen für den Freistaat eher von Juli - dann dürfte aber ein Großteil der Bevölkerung bereits geimpft sein. Auch Spahn sprach im WDR 5 davon, dass der Impfstoff möglicherweise für Deutschland zu spät komme.

Zudem gibt es durchaus Qualitätszweifel. Seit Tagen tobt etwa in dem EU-Land Slowakei ein Streit über 200.000 eingekaufte Sputnik-V-Impfdosen, die bisher nicht verimpft wurden. Der Grund: Sie sollen nicht identisch mit dem Impfstoff sein, dessen Wirksamkeit etwa von dem Medizin-Journal "The Lancet" gelobt worden war. Spahn betonte deshalb auch am Donnerstag wie alle Ministerpräsidenten, dass sich der Sputnik-V-Hersteller um eine EMA-Zulassung bemühen sollte. Erst danach, so die parteiübergreifende Meinung deutscher Politiker, könne der Impfstoff überhaupt eingesetzt werden.