Trotz des saftigen Preises für eine Firma, die über lediglich ein Produkt verfügt und rote Zahlen schreibt, sei das ein geschickte taktischer Zug, urteilen Analysten von Bernstein Research am Montag. Der Basler Konzern zahlt mit 74 Dollar pro InterMune-Aktie 63 Prozent mehr, als die Aktie noch vor rund zwei Wochen an der Börse wert war.

Pirfenidone ist bereits in Kanada, Japan und in Europa auf dem Markt und brachte InterMune 2013 rund 70 Millionen Dollar Umsatz ein. In Europa wird das Mittel unter dem Namen "Esbriet" vermarktet, in Japan, wo die Firma Shionogi die Rechte hat, unter dem Namen "Pirespa". Die Zulassung in den USA wird im Herbst erwartet und gilt als weitgehend sicher. Das Medikament wurde von der US-Arzneimittelbehörde FDA kürzlich als "Therapiedurchbruch" bei der Lungenkrankheit IPF eingestuft. Analysten schätzen den jährlichen Umsatz auf 1,2 bis 1,4 Milliarden Dollar - im Jahr 2020. "Es wird ein sehr großes Produkt werden", sagte Roche-Chef Severin Schwan der "Basler Zeitung" (Montagausgabe).

Die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) ist eine bislang unheilbare tödliche Lungenerkrankung. Die genauen Ursachen der relativ seltenen Krankheit, an der schätzungsweise fünf Millionen Menschen leiden, sind nicht bekannt. Die jährlichen Behandlungskosten belaufen sich nach Analystenschätzungen auf 40.000 bis 50.000 Dollar pro Patient. IPF führt zu einer fortschreitenden Vernarbung der Lungen - nach der Diagnose überleben Betroffene meist nur noch bis zu fünf Jahre. IPF-Kranke leiden unter zunehmender Atemnot, die Leistungsfähigkeit sinkt rapide. Neue Präparate zielen vor allem darauf ab, gesundes Lungengewebe vor der Vernarbung zu schützen und das Voranschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Im Lungenbereich verfügt Roche bereits über das Asthmamedikament Xolair und Pulmozyme gegen Cystische Fibrose mit einem gemeinsamen Umsatz von deutlich mehr als einer Milliarden Franken. Damit besitzt Roche bereits Vertriebswege bei Lungenärzten.

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ZWANG ZU ZUKÄUFEN NEUER PRODUKTE

Bestrebungen, Medikamente außerhalb des Krebsbereichs in den eigenen Labors zu entwickeln, brachten Roche in den vergangenen Jahren durchwachsende Ergebnisse. Bei experimentellen Medikamenten gegen Herzkrankheiten, Diabetes und Schizophrenie mussten die Basler Rückschläge hinnehmen. Nun setzt Roche wie viele andere große Pharmakonzerne auch auf Zukäufe. Internationale Pharmariesen sind für neue Produkte zunehmend auf kleine, innovative Firmen angewiesen, die entsprechend teuer sind. Gemäß Daten von Thomson Reuters verzeichnete der Gesundheitssektor in den vergangenen zwölf Monaten Übernahmen im Volumen von 346 Milliarden Dollar. In den zwölf Monaten davor belief sich das Volumen auf 212 Milliarden.

Bei einem Umsatz von knapp 47 Milliarden Franken (38 Milliarden Euro) und einem Jahresgewinn von mehr als elf Milliarden Franken kann Roche die Übernahme gut stemmen. InterMune ist der größte Zukauf seit 2009, als die Schweizer den verbliebenen Anteil am US-Konzern Genentech für rund 47 Milliarden Dollar erwarben. Bei anderen Übernahmeprojekten war Roche zurückhaltend. Vor zwei Jahren verzichtete Roche-Chef Schwan auf die Biotechfirma Illumina, die sieben Milliarden Dollar kosten sollte. Ob Roche noch, wie von Medien berichtet, Interesse an der vollständigen Übernahme der japanischen Chugai hat, blieb offen. Die zehn Milliarden Dollar, die das kosten würde, hätten die Schweizer nach Ansicht von Kepler Cheuvreux-Analyst Fabian Wanner auch noch zur Verfügung. An der Börse legten die Roche-Anteilsscheine zu Wochenbeginn leicht um 0,3 Prozent auf 267 Franken zu.

Neben InterMune arbeitet auch Boehringer Ingelheim, Deutschlands zweitgrößter Pharmakonzern nach Bayer, an einem Mittel gegen IPF. InterMune hat aber im Therapiefeld IPF die Nase vorn - die Boehringer-Arznei Nintedanib ist noch nicht zugelassen, wird aber von der FDA auch als "Therapiedurchbruch" eingestuft. Die Konkurrenz aus Deutschland schreckt Schwan nicht. "Beide Medikamente werden ihren Platz finden", sagte er.

Reuters