Am 27. Juni 1930 kam Ross Perot in Texarkana zur Welt. Das Thermometer zeigte 47 Grad, es war der bisher heißeste Tag in der Geschichte des Orts. Texarkana, eine Stadt im Osten von Texas, zählte 25 000 Einwohner und war ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt für den Handel mit Baumwolle.

Mit sieben Jahren verkaufte der kleine Ross im Frühjahr Saatgut im Haustür­geschäft, später verteilte er auf einem Pferd die lokale Tageszeitung "Texarkana Gazette". Es waren harte Zeiten damals. Amerika litt unter der Wirtschaftskrise, der "Großen Depression". Ross musste, wenn es um die Verteilerrouten ging, mit Männern konkurrieren, die mit den paar Dollar ihre Familien ernährten.

Eine seiner frühesten Lektionen: Du kannst im Leben alles erreichen, wenn du es wirklich willst. So wie sein Onkel Henry. Der hatte den Traum, als Pilot bei den damals beliebten Flugshows aufzutreten. Sein Problem: Er hatte kein Flugzeug. Also kaufte er sich ein Handbuch, baute auf eigene Faust eine Maschine zusammen und brachte sich selbst das Fliegen bei.

Auch Ross Perot hatte einen großen Traum: Er wollte einen Studienplatz an der prestigeträchtigen Akademie der US Navy in Annapolis, schrieb mehrere Bewerbungen, erhielt aber nie eine Antwort. Erst 1949 war es so weit, dank der Fürsprache eines Senators. Annapolis - das war Perots Welt. Er beendete das Studium auf einem Toprang, verließ die Akademie 1953 als Leutnant. Die vier Jahre seiner Dienstzeit verbrachte er auf Zerstörern und einem Flugzeugträger. Er lernte Städte wie Singapur oder Hongkong und die Länder im Mittelmeer kennen. Aber die Navy frustrierte ihn auch: Die Beförderungschancen waren gering.

Er war 27, als er die Uniform auszog und in Dallas bei IBM anheuerte. Er machte seine ersten Erfahrungen mit Computern und lernte den IBM 1401 kennen, damals Standardcomputer und Wunderwerk.

Perot war ein genialer Verkäufer. Die Probleme begannen 1961, als IBM für jeden Vertreter eine jährliche Quote für die Verkaufskommissionen festlegte. Wer die Quote erreichte, würde keine zusätzlichen Kommissionen erhalten. Perot schaffte die Quote innerhalb von 19 Tagen und brachte dann demonstrativ seine Badehose und ein Badetuch mit ins Büro. Er könne jetzt für den Rest des Jahres schwimmen gehen, mokierte er sich.

Militärischer Drill im Unternehmen

Der Workaholic schlug IBM ein neues Geschäftsmodell vor, das Vermieten von Rechnerkapazitäten. Aber IBM lehnte ab. Perot hatte genug. Er kündigte und machte sich selbstständig. Mit einem Startguthaben von 1000 Dollar von seiner Frau Margot gründete er das Softwareunternehmen Electronic Data Systems (EDS), das Dienstleistungen wie Fakturierungen, Gehaltsabrechnungen oder Schreibarbeiten für Krankenkassen anbot.

Erst ab Mitte der 60er-Jahre stellten sich Erfolge ein. Es war die Zeit, als sich die Hippiephilosophie auch auf die Mode auswirkte. In den Computerabteilungen der großen Unternehmen arbeiteten Menschen nicht selten in Jeans und Sandalen, sie trugen das Haar lang und rauchten Marihuana. Ross Perot dagegen verlangte von seinen Vertretern, dass sie Anzüge trugen, das Haar militärisch kurz, Frauen durften keine langen Hosen tragen. Und vor allem verbot Perot jede Form von ehelicher Untreue: "Wer den Ehepartner betrügt, betrügt auch das Unternehmen und den Kunden." Nicht selten arbeiteten die Angestellten 16 Stunden am Tag, auch an den Wochenenden. Genau wie ihr Boss. Der Korpsgeist war enorm, wie in einer militärischen Eliteeinheit.

1968 wurde EDS an der New Yorker Börse gelistet. Die Aktie stieg am ersten Tag von 16 auf 23 Dollar, innerhalb eines Jahres auf 160 Dollar, später sogar auf 200 Dollar. Ross Perot wurde mit 38 Jahren zum Milliardär und reichsten Amerikaner. Er ritt auf der Erfolgswelle. Aber sie dauerte gerade mal zwei Jahre: Als 1970 die Börsen einbrachen, erwischte es kaum eine Aktie so stark wie Electronic Data Systems. Der Highflyer verlor an einem einzigen Tag 40 Dollar und am darauffolgenden Tag weitere 35 Dollar. Der Kurssturz brachte Ross Perot um die Hälfte seines Vermögens. Von seinem Aktienbesitz im Wert von 1,4 Milliarden Dollar blieben ihm ganze 700 Millionen. "Noch nie verlor jemand so schnell so viel Geld", schrieb die "Newsweek" damals. Perot beeindruckte das wenig: "Es würde mich mehr beunruhigen, wenn sich eines meiner Kinder den Finger brechen würde."

Als Außenminister Henry Kissinger ihn aus dem Weißen Haus anrief und berichtete, dass es den 1400 US-Kriegsgefangenen in Vietnam sehr schlecht gehe und die amerikanische Regierung nicht intervenieren könne, weil dies als ein Zeichen von Schwäche interpretiert werden könnte, half Perot. Schließlich waren unter den Gefangenen Klassenkameraden aus seiner Zeit an der Militärakademie. An Weihnachten charterte er daher zwei ­Boeing 707, belud sie mit Nahrungs- und Arzneimitteln sowie Geschenken für die Gefangenen. Als er versuchte, in Hanoi zu landen, wurde ihm die Erlaubnis versagt. Die Berichterstattung über die spektakuläre Initiative führte aber dazu, dass die Gefangenen besser behandelt wurden.

Ein Jahrzehnt später wurde Perot in den USA endgültig zur Legende, als er die Befreiung von zwei seiner Angestellten aus einem Gefängnis in Teheran organisierte. Es war eine militärische Kommandoaktion, das Team bestand aus acht Vietnam-Veteranen.

Ross Perot zog sich mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurück. 1984 verkaufte er Electronic Data Systems für 2,5 Milliarden Dollar an seinen Großkunden ­

General Motors und übernahm einen Vorstandsposten beim Autokonzern. Schnell eckte er an: "General Motors zu revitalisieren, ist wie einem Elefanten den Stepptanz beizubringen." Er stieg aus und gründete Perot Systems, die Firma wurde 2009 vom Computerhersteller Dell für 3,9 Milliarden Dollar übernommen.

Wahlkampf wie Trump

Perots Reichtum und seine Popularität halfen ihm 1992, als er als unabhängiger Kandidat in das Rennen um die US-Präsidentschaft einstieg. Er investierte 65 Millionen Dollar in seinen Wahlkampf und setzte auf populäre Themen, mit denen 34 Jahre später Donald Trump erfolgreich war: die Unzufriedenheit mit den politischen Eliten, das korrupte Washington mit seinen Sprücheklopfern, Lobbyisten, politischen Hütchenspielern und angeberischen "Medien-Stuntmen". Obwohl er nie ein öffentliches Amt bekleidet hatte, gewann er ein Fünftel aller Wählerstimmen - so viel wie kaum ein anderer Unabhängiger vor ihm. Damit trug er dazu bei, dass der amtierende Präsident George H. W. Bush die Wiederwahl verpasste und dem Demokraten Bill Clinton das Weiße Haus überlassen musste. Als Perot 1996 erneut kandidierte, kam er nur noch auf acht Prozent. Perot, der trotz seines Milliardenvermögens recht bescheiden lebte und mit seinen Stiftungen besonders amerikanische Kriegsveteranen unterstützte, erkrankte im Februar 2019 an Leukämie. Er starb im Juli im Kreise seiner Kinder und Enkel in Texas.

PEB