Zwar würden sich Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann und Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz kennen und schätzen, so dass sie auch miteinander sprächen, erklärte Salzgitter am Mittwoch. "Allerdings gibt es keine 'Verhandlungen' zwischen den Unternehmen." Die Salzgitter AG blicke auf eine über zwei Jahrzehnte währende Erfolgsgeschichte ihrer Eigenständigkeit, hieß es in einer Stellungnahme. "Das schließt keineswegs aus, dass wir Konzepten zur Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen dann aufgeschlossen gegenüberstehen, wenn sie geeignet sind, auch uns perspektivische Vorteile zu bieten."
Die Niedersachsen sind nach Thyssenkrupp die Nummer Zwei in der deutschen Stahlbranche. Die stahlerzeugenden Gesellschaften des Konzerns erzielten zuletzt mit rund 8800 Beschäftigten einen Umsatz von gut drei Milliarden Euro. Thyssenkrupp Steel Europe beschäftigt rund 28.000 Mitarbeiter und erwirtschaftete zuletzt Erlöse von knapp neun Milliarden Euro.
Thyssenkrupp Steel Europe hatte das Fusionsfieber in der unter der Coronakrise leidenden Schwerindustrie angefacht. Ein Zusammenschluss der Stahlgeschäfte von Thyssenkrupp und Salzgitter sei eine Option, hatte Merz am Dienstag betont. Es gebe für die Stahlsparte keine Tabus. Thyssenkrupp Steel Europe hatte im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres 2019/20 einen operativen Verlust von 372 Millionen Euro eingefahren, der Gesamtkonzern verbuchte einen Nettoverlust von 1,3 Milliarden Euro.
NRW: VERHANDELN NICHT ÜBER EINSTIEG BEI THYSSENKRUPP
Salzgitter macht die Virus-Krise schwer zu schaffen. Der Vorstand schlug am Mittwoch vor, die Dividendenzahlung für 2019 auszusetzen und erstmals seit dem Börsengang 1998 keine Dividende auszuzahlen. "Die globalen Beschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten aufgrund der Corona-Pandemie wirkten sich auch auf den Geschäftsverlauf des Salzgitter-Konzerns erheblich aus", hieß es. Der Konzern hatte bislang eine Dividende von 20 Cent je Aktie an seine Aktionäre zahlen wollen.
Insidern zufolge ist Thyssenkrupp auch mit den Konkurrenten SSAB aus Schweden, Baosteel aus China und erneut Tata Steel Europe im Gespräch. Merz schloss auch einen Verkauf einer Mehrheit des Stahl-Bereichs ins Ausland nicht aus. "Es gibt keine Denkverbote", hatte sie betont.
Stahlbetriebsratschef Tekin Nasikkol ging darauf hin auf die Barrikaden. "Denkverbote muss es keine geben, aber man darf nicht alles machen, was man denkt", sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" laut Vorabbericht (Donnerstagausgabe). "Ich kann mir kein Szenario vorstellen, in dem die IG Metall zusammen mit der betrieblichen Arbeitnehmervertretung einem mehrheitlichen Verkauf von Thyssenkrupp Steel zustimmen würde", betonte Nasikkol. "Damit überschreitet man rote Linien."
Die Arbeitnehmervertreter hätten klare Vorstellungen, wie eine Partnerschaft aussehen könne, sagte Nasikkol. Sie würden eine deutsche Stahlallianz bevorzugen. Auf die Frage nach einer Partnerschaft mit einem chinesischen Stahlkonzern entgegnete er: "Deutschland kann kein ernsthaftes Interesse daran haben, die Stahlproduktion als innovative, industrielle Basis ins Ausland zu verlagern."
In Kreisen der Gewerkschaft gibt es die Hoffnung, dass das Land NRW sich bei Thyssenkrupp und für ein Bündnis mit Salzgitter stark macht. "Wir sind mit der Unternehmensspitze von Thyssenkrupp und den Sozialpartnern in enger Abstimmung über die eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen sowie die klimaneutrale Produktion der Zukunft", hatte das NRW-Wirtschaftsministerium am Dienstag erklärt. "Verhandlungen über eine Beteiligung von Nordrhein-Westfalen an Thyssenkrupp finden nicht statt." Die Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend. "Wir verfolgen die Situation sehr genau. Aber Strategieentscheidungen des Unternehmens kommentieren wir nicht", sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.
rtr