Die Konjunktur schwankt, doch dieser Technologietrend hält an und er erfasst zunehmend mehr Bereiche der Industrie: IT-Dienstleistungen aus der sogenannten Cloud. Datenspeicher, Rechenleistung und Software, die Unternehmen via Web nach Bedarf mieten, spielten im vergangenen Jahr weltweit 182 Milliarden Dollar Umsatz ein. Bis 2022 wird das Geschäft mit der Datenwolke um gut 80 Prozent auf 331 Milliarden Dollar zulegen, prognostizieren die Experten der Gartner Group.

Inzwischen lockt dieser Boom auch Branchenfremde an, etwa den Autozulieferer Continental. Über seine US-Telematiktochter Zonar bietet der Hannoveraner Konzern ein cloudbasiertes System zur Steuerung von Fahrzeugen an, die via Sensoren vernetzt sind. Digitales Flottenmanagement etwa auf Baustellen soll eine bessere Auslastung, geringere Wartungskosten und dichter koordinierte Einsätze der Fahrzeuge ermöglichen.

Boom auf breiter Front


Das Beispiel zeigt: Die Cloud-Tech­nologie verändert das Geschäft inzwischen auch in Branchen, in denen die Digitalisierung bislang noch keine allzu große Rolle spielte.

Zunächst traf der Cloud-Effekt nur traditionelle Anbieter von Firmensoftware wie Microsoft, SAP oder Oracle. Durch den nachhaltigen Erfolg von Pionieren bei Mietsoftware, etwa dem US-Konzern Salesforce, mussten die Etablierten ihre lukrativen Geschäfte mit dem Verkauf von Softwarelizenzen sowie ihre meist langjährigen Wartungsverträge zügig auf cloudfähige Produkte umrüsten. Riesen wie SAP und Oracle gelingt es inzwischen, viele ihrer Kunden in die Wolke umzuziehen. Allerdings geht das zulasten der Profitabilität. Denn die lukrative Beratung fällt im Cloud-Geschäft weitgehend weg. Die Margen sind deutlich niedriger.

Das langfristig Positive: Das Abo-Geschäft ist dank der regelmäßigen Einnahmen gut prognostizierbar. Und das Wachstumspotenzial ist enorm. Firmenkunden benötigen inzwischen einen möglichst breiten Anschluss an die Datenwolke, um alle Unternehmensbereiche zu digitalisieren. In der Produktion etwa vereinfacht das zentrale Sammeln der Signale von Sensoren ihre sofortige Auswertung durch künstliche Intelligenz in der Cloud. Mit der Datenanalyse im großen Stil können Anlagen effizient gewartet und die Produktion flexibler gesteuert werden.

Große Automatisierungsspezialisten wie ABB und Siemens kooperieren hier mit den großen Cloud-Anbietern wie Microsoft oder der Amazon-Tochter AWS. Das Verhältnis ist entspannt. "Die IT-Konzerne haben die Digitalkompetenz, wir das industrielle Domänenwissen. Keiner von beiden kann die jeweils andere Kompetenz so schnell aufbauen, wie es die Digitalisierung in der Indus­trie erfordern würde", erklärt ABB-Chef Ulrich Spießhofer.

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Cloud-Riesen prägen die Standards


Microsoft und AWS bieten komplette Infrastrukturen an: Software, Speicher und Rechenleistung im Paket. Die technischen Standards setzen neben AWS und Microsoft auch die Alphabet-Tochter Google und IBM. Diese Standards sind eine Voraussetzung für eine schnelle Vernetzung von Unternehmen und Zulieferfirmen. Auch deshalb will der weltweit größte Autobauer VW jetzt zusammen mit Amazons AWS eine Cloud-Plattform für seine Fabriken entwickeln. BMW holte sich für seine Open Manufacturing Platform Cloud-Spezialist Microsoft ins Haus.

Im laufenden Jahr soll das Geschäft mit Cloud-Infrastruktur laut Schätzungen von Gartner Group um 27,5 Prozent auf knapp 40 Milliarden Dollar wachsen, es ist damit der dynamischste Bereich im Cloud-Geschäft. Insgesamt legt der Markt demnach um rund 17,5 Prozent zu.

Die übergreifende Ausdehnung der Cloud-Technologie hat hierzulande längst auch kleine und mittelgroße Unternehmen erreicht. Allerdings verfügt diese Klientel selten über ausreichende eigene IT-Kompetenzen. Für die großen Anbieter von Cloud-Technologien wiederum ist eine direkte Betreuung kleiner Firmen ein viel zu großer Aufwand.

Für das Münchner IT-Systemhaus Cancom mit seinem Netz aus eigenen Rechenzentren in Europa ist diese Nische im Cloud-Geschäft dagegen perfekt. Cancom funktioniert als Bindeglied zu den Technologien der großen Anbieter wie Salesforce, SAP, Microsoft oder Cisco. Mit ihrer eigenen Infrastruktur AHP haben die Münchner ähnliche Pakete wie Amazon und Microsoft für kleinere Unternehmenskunden im Portfolio. Mittelfristig wollen sie noch stärker von der Digitalisierung profitieren und zusätzlich auch die Produktentwicklung und die Fertigung in mittelständischen Firmen an das Web anschließen.

Spezialisten wie Cancom florieren. Den größten Anteil am Cloud-Geschäft aber hat das Mietsoftware-Geschäft. Es kam 2018 auf 80 Milliarden Dollar Volumen und rund 40 Prozent des gesamten Cloud-Business. Schwergewichte wie SAP versuchen hier, den Aufstieg kleinerer, aggressiver Wettbewerber wie Salesforce oder Workday zu bremsen. Die Walldorfer bauen parallel zur Umstellung des Geschäfts auf ein Abo- Modell neue Bereiche auf. So hat der DAX-Konzern eine Technologie für eine sofortige Auswertung großer Datenmengen entwickelt. Die Daten werden noch im Arbeitsspeicher von Rechnern verarbeitet und müssen nicht mehr in Datenbanken gespeichert werden.

Um bei Cloud-Software für Marketing und Vertrieb den Abstand auf Primus Salesforce zu verkürzen, kaufte SAP jüngst für acht Milliarden Dollar den US-Konzern Qualtrics - kurz vor dessen Börsendebüt. Für SAP war es der größte Zukauf der Konzerngeschichte. Die US-Firma erzielte 2017 knapp 290 Millionen Dollar Umsatz und dürfte ihr Geschäft 2018 um geschätzt 40 Prozent gesteigert haben. Für 2019 wird Wachstum in ähnlicher Größenordnung avisiert.

SAP hat große Pläne


Nach dem großen Zukauf ist SAP-Chef Bill McDermott mit dem Portfolio zufrieden: "Wir haben, was wir brauchen." Der Umbruch sorgt indes intern für Unruhe. Vor wenigen Tagen schied der langjährige Vorstand Robert Enslin aus, der die Integration von Zukäufen verantwortet, auch den von Qualtrics. McDermott wiegelt ab: "Es gab und gibt keine Probleme im Vorstand."

Unterdessen kündigte der Amerikaner einen Aufbruch an. Parallel zum Abbau von Personal sollen Spezialisten in Wachstumsfeldern wie künstliche Intelligenz an Bord geholt werden. "Wir müssen uns verändern, um stark zu bleiben. Es ist Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen." Unter McDermotts Führung hat sich der Börsenwert von SAP auf gut 120 Milliarden Euro verdreifacht. Das genügt dem Chef bei Weitem nicht. Bei der Bewertung sieht der Amerikaner mit Blick auf Cloud-Konkurrenten noch großen Spielraum: "Wir planen, die Marktkapitalisierung bis 2023 auf 250 bis 300 Millionen Euro zu steigern." Das wäre mehr als eine Verdopplung.


Investor-Info

Cancom
Stark in der Nische


Die jüngst vorgelegte Bilanz für 2018 sowie der Ausblick für 2019 bestätigen die starke Dynamik im Geschäft des auf den Mittelstand fokussierten IT-Dienstleisters. Die Firma mit zuletzt knapp 1,4 Milliarden Euro Umsatz erwartet "signifikante Zuwächse" bei Umsatz und operativem Gewinn (Ebita). Analysten taxieren das Wachstum für 2019 hier auf elf beziehungsweise 15 Prozent. Die zwei Zukäufe in Großbritannien 2018 sind der ­Beginn der Expansion ins nicht deutschsprachige Ausland. Aussichtsreich.

Empfehlung: Kaufen

Kursziel: 33,00 Euro

Stoppkurs: 55,00 Euro

SAP
Flexibler Riese


Wer sich in der Softwareindustrie nicht regelmäßig selbst neu erfindet, verliert schnell Relevanz. SAP meistert den Wandel durch die Cloud bisher besser als Erzrivale Oracle. Chef McDermott gibt jetzt Gas, bis 2023 soll der Umsatz mit Cloud-Software bei höheren Gesamtmargen auf mehr als 15 Milliarden Euro verdreifacht werden. Beim Gesamtumsatz werden mehr als 35 Milliarden Euro avisiert, 2018 waren es knapp 24,8 Milliarden Euro.

Empfehlung: Kaufen

Kursziel: 80,00 Euro

Stoppkurs: 120,00 Euro

Salesforce
Erfolgreicher Pionier


Bei Cloud-Software für Marketing und Vertrieb ist der Pionier weltweit mit großem Abstand die Nummer 1. Gemessen am Umsatz ist Salesforce nur halb so groß wie SAP, beim Börsenwert aber fast auf Augenhöhe. Investoren trauen der Firma in anderen Segmenten ähnliche Erfolge zu. Für Risikofreudige.

Empfehlung: Kaufen

Kursziel: 165,00 Euro

Stoppkurs: 107,00 Euro