Was im Unternehmen los ist, wie die Aktie läuft und was Analysten sagen.

LAGE BEI SARTORIUS:

Sartorius-Chef Joachim Kreuzburg blickt nach den kräftigen Zuwächsen der vergangenen Jahre auch in der Covid-19-Pandemie auf eine zunächst gute Entwicklung. Nach den ersten beiden Quartalen schraubte das Management die Prognose für das Gesamtjahr in die Höhe.

Der Konzernumsatz dürfte auch wegen zusätzlicher Geschäfte im Zuge der Corona-Pandemie um 22 bis 26 Prozent steigen. Insbesondere für die Sparte Bioprocess Solutions, die Technologien für die Herstellung von Biopharmazeutika liefert, hellten sich die Geschäfte deutlich auf. Auch bei der Profitabilität sieht es mit der angestrebten bereinigten Marge (Ebitda) von 28,5 Prozent etwas besser aus als zuvor angepeilt.

Selbst die Laborsparte, zu Beginn der Corona-Krise noch beeinträchtigt, zeigt mittlerweile einen positiven Trend. Kreuzburg sprach zwar weiter von erheblichen Herausforderungen und Unsicherheiten - aber eben auch von großer Zuversicht für das zweite Halbjahr.

Sartorius ist sich aber nicht so sicher, was die Pandemie für die Ausrüstung von Laboren und Pharmakonzernen mittelfristig bedeutet. Derzeit suchen zwar viele der Kunden nach einem wirksamen und zulassungsfähigen Impfstoff sowie Medikamenten zur Covid-Behandlung, die Entwicklung läuft auf Hochtouren.

Doch die Mittelfristziele für Sartorius 2025 bleiben zunächst mal, wie sie waren. Der Umsatz soll bis 2025 auf rund 4 Milliarden Euro steigen (2019: 1,83 Mrd Euro), die bereinigte operative Marge dürfte sich bei 28 Prozent einpendeln. Ob sich die zusätzliche Nachfrage aus den Bereichen Impfstoffe und antivirale Medikamente als nachhaltig erweise, sei derzeit nicht absehbar, hieß es im Juli. Zudem könnte sich die Marktzulassung einiger Biopharmaka aufgrund der pandemiebedingt verschobenen klinischen Testreihen verspäten. Was das alles in Zahlen heißt, kann Sartorius derzeit nicht mit Bestimmtheit sagen.

Dabei bleibt das Unternehmen stetig auf Einkaufstour. Kreuzburg hat bei seinen Übernahmen in der Regel einen recht guten Griff bewiesen, wobei er die Biotechnologie als wichtiges Wachstumsgeschäft sieht. Tatsächlich brummen die Geschäfte in der durch diverse Zukäufe etwa in Deutschland und Frankreich stetig gestärkten Biotechnologiesparte - sie ist aktuell der Wachstumstreiber im Konzern, der unter anderem Zellkulturmedien, Bioreaktoren, Spezialfilter und Analyseinstrumente herstellt.

Ende 2019 übernahm Sartorius etwas mehr als die Hälfte der Anteile am israelischen Zellkulturmedien-Entwickler und -Hersteller Biological Industries. Zudem brachte das Unternehmen Ende April die ein halbes Jahr zuvor angekündigte Übernahme von Teilen des Life-Science-Portfolios vom US-Mischkonzern Danaher unter Dach und Fach - Kaufpreis 825 Millionen Dollar.

Vor kurzem kam noch der Aufreinigungsspezialist BIA Separations hinzu, der Verfahrenstechnik für die Aufbereitung und Analyse von großen Biomolekülen wie Viren, Plasmiden und Genbotenstoffen (mRNA) anbietet. Damit will Sartorius seine Position bei Zell-, Gen- und anderen neuartige Therapien stärken. Die Göttinger zahlen 360 Millionen Euro, davon 240 in bar, den Rest in Anteilen der Tochter Sartorius Stedim Biotech.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Der Höhenflug der im MDax notierten Vorzugsaktie sorgt dafür, dass kaum noch Experten bei dem Papier zum Kauf raten. Von den im dpa-AFX Analyser erfassten Ratgebern haben sich in diesem Jahr nur Richard Vosser von JPMorgan und Daniel Wendorff von der Commerzbank zur Kaufempfehlung durchringen können, Wendorffs Einschätzung ist zudem noch aus dem April.

Neben zwei Kaufratschlägen stehen sechs Empfehlungen zum Halten und zwei zum Verkaufen zu Buche. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 303 Euro - und damit rund gut 80 Euro unter dem aktuellen Kurs.

JPMorgan-Experte Vosser sieht auch im dritten Quartal einen weiter starken Lauf bei den Niedersachsen. Das Wachstum in der Bioprocess-Solutions-Sparte dürfte sich dank des Auftragsbooms im ersten Halbjahr noch beschleunigt haben. Anleger sollten damit rechnen, dass sich die Markterwartungen hin zum oberen Ende der Bandbreite beim operativen Ergebnis (Ebitda) bewegen könnten.

DZ-Bank-Experte Sven Kürten sieht den Laborausrüster als starken Profiteur der weltweiten Suche nach Covid-19-Impfstoffen und Medikamenten. Bereits ab dem kommenden Jahr sei aber wieder eine Normalisierung der Wachstumsraten zu erwarten. Die Sartorius-Aktie ist für Kürten zu hoch bewertet.

Berenberg-Pharmaanalyst Scott Bardo empfiehlt gar, statt in die Sartorius-Vorzüge eher in die ebenfalls notierten Aktien der französischen Tochter Sartorius Stedim Biotech zu investieren. Diese sei stärker in der Bioverfahrenstechnik engagiert als der Gesamtkonzern und habe bessere Wachstumsaussichten sowie schnelleres Gewinnwachstum aufzuweisen. Darüber hinaus würden die Stedim-Aktien bei Bewertung über das Kurs-Gewinn-Verhältnis 2021 mit einem relativen Abschlag gegenüber den Sartorius-Vorzügen selbst gehandelt, was ungerechtfertigt sei. Stedim-Papiere hätten viel eher einen Aufschlag verdient.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Sartorius gehört seit Jahren zu den Favoriten am Aktienmarkt und das hat sich durch die Corona-Krise nicht geändert - im Gegenteil. Seit dem Corona-Crash im Februar ging es für die Vorzugsaktie um rund 62 Prozent auf aktuell 385 Euro nach oben. Seit Jahresbeginn steht nun mehr als eine Verdoppelung des Kurses zu Buche. Das in dieser Woche erreichte Rekordhoch liegt bei 387,20 Euro.

Aber auch mittel- und langfristig liegt Sartorius am Kapitalmarkt weit vorn. In den vergangenen fünf Jahren waren es rund 750 Prozent Zuwachs. Wer noch früher eingestiegen ist, hat noch mehr Plus im Depot. 2012 stiegen die Papiere erstmals über die Marke von 10 Euro.

Das Aktienkapital des 1870 als feinmechanische Werkstatt für Analysewaagen gegründeten und seit 1990 an der Börse notierten Unternehmens ist zu gleichen Teilen in Stamm- und Vorzugsaktien aufgeteilt. Von den 37,4 Millionen Stammaktien gehört die Hälfte einer Erbengemeinschaft, auf weitere fünf Prozent hat die Familie direkten Zugriff und rund 34 Prozent gehören dem US-Unternehmen Bio-Rad Laboratories - nur zwei Prozent sind im Streubesitz.

Ganz anders sieht es bei den Vorzugsaktien aus - hier werden 91 Prozent im Streubesitz gehandelt, der Rest liegt bei Sartorius selbst. Insgesamt wird das Unternehmen an der Börse derzeit mit rund 26,6 Milliarden Euro bewertet - das Aktienpaket der Erbengemeinschaft und Familie kommt dabei auf über 6,7 Milliarden Euro.

Sartorius ist nach Airbus und Siemens Healthineers der schwerste MDax-Titel und bringt derzeit mehr auf die Börsenwaage als die Dax-Konzerne Eon, Beiersdorf oder Fresenius. Sollte der Dax wie von der Deutschen Börse vorgeschlagen zum März mit 40 Werten statt wie bisher 30 Konzernen aufwarten, so hätte Sartorius nach einhelliger Meinung gute Chancen auf einen Aufstieg. So sehen es zumindest die Experten Pankaj Gupta von JPMorgan und Yohan Le Jalle von der Societe Generale.

dpa-AFX