Die Fed zieht mit den Vorschriften ihre Lehren aus der Finanzkrise, in der sie den Töchtern ausländischer Banken Hunderte Milliarden Dollar an Liquiditätsspritzen verabreichen musste, um sie am Leben zu halten. "Der wichtigste Beitrag, den wir zum globalen Finanzsystem leisten können, ist der, das amerikanische Finanzsystem stabil zu halten", begründete der für die Bankenaufsicht zuständige Fed-Gouverneur Daniel Tarullo die nach ihm benannten Regeln. In einer Krise, die sich wie ein Flächenbrand über viele Staaten ausbreite, stünden Banken oft vor der Entscheidung, wo sie ihr Geschäft retten müssten, erklärte die Fed. Und diese falle oft zugunsten des Heimatmarktes aus, wie die Finanzkrise gezeigt habe.
Die Deutsche Bank hatte sich betont gelassen gegeben. Sie hat einen Teil der geplanten fünf Milliarden Euro, die sie sich in Form von Ergänzungskapital an den Märkten besorgen will, für die Kapitalausstattung in den USA reserviert. Dennoch sieht die US-Investmentbank Morgan Stanley den deutschen Branchenprimus neben der britischen Großbank Barclays von den Tarullo-Regeln am stärksten belastet. Er müsse seine US-Tochter voraussichtlich mit sieben bis acht Milliarden Dollar mehr Kapital ausstatten. Zudem werde die Refinanzierung teurer: Morgan-Stanley-Analyst Huw van Steenis schätzt, dass die Deutsche Bank 200 Millionen bis 650 Millionen Euro mehr Zinsen im Jahr zahlen muss. Zugleich werde sie ihre Bilanz in den USA deutlich verkleinern müssen. Die ersten Schritte in diese Richtung seien auch ein Grund dafür, dass die Bank im kapitalintensiven Anleihehandel in den USA zuletzt Marktanteile verloren habe.
WENIGER BANKEN - MEHR ZEIT
Den ursprünglichen Entwurf der Tarullo-Regeln vom Dezember 2012 passte die Fed nur noch leicht an: Eigene US-Holdings sind nur noch für Banken vorgeschrieben, die in den USA auf mehr als 50 Milliarden Dollar Bilanzsumme kommen; zuvor lag die Schwelle bei zehn Milliarden. Nach Angaben der Notenbank fallen unter die Vorschrift damit 15 bis 20 ausländische Banken, etwa zehn weniger als bisher. Für kleinere Institute reichen wie bisher Niederlassungen. Und die Banken bekommen ein Jahr länger Zeit - bis Juli 2016 -, um die neuen Strukturen zu schaffen. Institute mit mindestens zehn Milliarden Dollar Bilanzsumme in den USA müssen sich auch jährlichen Stresstests stellen, in denen ihre Widerstandsfähigkeit gegen Krisen geprüft wird.
Im Wesentlichen werden ausländische Banken in den USA damit genauso scharf reguliert wie die heimischen Geldhäuser. Die Regeln dort sind allerdings zum Teil strenger als in der Europäischen Union (EU). Das hat die EU-Kommission und die Bankenaufseher auf den Plan gerufen. Finanzmarktkomissar Michel Barnier hatte bereits im Oktober im Gegenzug mit schärferen Vorschriften für US-Banken gedroht. Am Dienstagabend erklärte er: "Wir werden keinesfalls diskriminierende Maßnahmen hinnehmen, die europäische Banken weniger günstig behandeln als amerikanische Banken."
JEDER IST SICH SELBST DER NÄCHSTE
Bisher hatten Aufsichtsbehörden in den USA und Europa ausländische Institute stets auf Konzernebene betrachtet und deren Aufsicht im Wesentlichen den Behörden in ihrem Heimatland überlassen. Doch die Finanzkrise hat die Sichtweise verändert: In solchen Notsituationen sind die Landesgesellschaften oft auf sich allein gestellt. Für die Pleite der Deutschland-Tochter von Lehman Brothers hatte die deutschen Einlagensicherung mit Milliarden einspringen müssen. Auch europäische Aufseher haben ihre Konsequenzen daraus gezogen, um das nationale Bankensystem zu schützen. So pocht die deutsche Finanzaufsicht BaFin darauf, dass die HypoVereinsbank ihre überschüssige Liquidität nicht komplett bei der italienischen Mutter UniCredit parkt, damit ihr im Notfall nicht das Geld ausgeht.
Reuters