Das Geschäft mit Pflegeheimen in Deutschland boomt. Großinvestoren aus dem In- und Ausland schlagen sich um diesen Gebäudetyp. Die Manager von Fonds, Aktiengesellschaften, Versicherungen und Versorgungswerken versprechen sich davon etwas bessere Renditen als von Bürohäusern, Wohnungen und Supermärkten. 2018 wechselten Pflegeheime für insgesamt gut 2,1 Milliarden Euro den Besitzer, hat CBRE gezählt. Das war der zweithöchste Jahreswert, den der internationale Maklerkonzern je ermittelt hat.
Es kommen noch viele Millionen Euro dazu, denn CBRE erfasst nicht das, wofür sich immer mehr Privatanleger interessieren: den direkten Kauf einzelner Pflegeapartments. "Ich gehe davon aus, dass Privatanleger im vergangenen Jahr mehr als 500 Millionen Euro in Pflegeapartments investiert haben", sagt Markus Bienentreu. Er ist Geschäftsführer der Kölner Terranus. Das Unternehmen hat als Berater und Vermittler fast ausschließlich mit Großinvestoren zu tun.
Der Kauf einzelner Apartments in Pflegeheimen ist nur eine Variante, wie Privatpersonen in Pflegeimmobilien investieren können. Es gibt noch eine zweite: Ab 10 000 Euro ist es möglich, sich an einem Geschlossenen Pflegeheimfonds zu beteiligen.
4,5 Prozent Mietrendite im Jahr
Pflegeapartments gibt es ab etwa 120 000 Euro, sagt Rolf Specht, Gründer und Geschäftsführer der Bremer Specht Gruppe. Der Geschäftsmann hat seit 1988 etwa 4000 Pflegeapartments verkauft - im Regelfall an Privatiers. "Verluste hat damit noch keiner unserer Käufer gemacht", betont er. Sein Unternehmen baut selbst Pflegeheime und springt als Betreiber ein, falls mal ein Pächter ausfällt. "Das war bei uns bislang viermal der Fall."
Die Sache mit dem Betreiber ist nicht das einzige, was eine Anlage in Pflegeapartments von der Investition in Eigentumswohnungen unterscheidet. "Die Mietrenditen bei Wohnungen liegen in der Regel unter denen von Pflegeapartments", sagt Specht. Er nennt als typischen Wert für die von ihm vertriebenen Objekte Mietrenditen von 4,5 Prozent im Jahr. Bei Wohnungen an nachgefragten Standorten seien es oftmals nur 3,5 Prozent, wenn überhaupt. Allerdings gebe es bei Eigentumswohnungen eine Chance auf Wertsteigerungen. Die habe man bei Pflegeapartments eher nicht.
Bienentreu, der anders als Specht nicht viel vom Verkauf einzelner Apartments an Anleger hält, rechnet anders. "Ein Pflegeapartment sollte schon mindestens zwei Prozentpunkte mehr Rendite abwerfen als eine Eigentumswohnung." Aus seiner Sicht stecken in Pflegeimmobilien deutlich höhere Risiken als in Wohnungen, allein schon deswegen, weil es für ein Seniorenheim einen Betreiber braucht. Geht der pleite, haben die Eigentümer der Pflegeapartments ein Problem.
Doch zurück zum Geschäft von Specht. Der Bremer verkauft Pflegeapartments, die 20 bis 50 Quadratmeter haben. Als typischen Preis nennt er das 22-Fache einer Jahresmiete. Damit liegt er am unteren Ende der üblichen Preisspanne im Einzelverkauf. Specht kritisiert andere Anbieter, die erstens deutlich teurer verkaufen und zweitens so tun, als sei der Kauf eines Pflegeapartments ein vom Staat garantiertes Investment. Das ist es trotz Pflegeversicherung ganz und gar nicht.
Auch Bienentreu kennt die Verkaufsmaschen mancher Vermittler und stellt klar: "Pflegeapartments kommen aus meiner Sicht nur für eine relativ kleine Käufergruppe in Betracht." Und weiter: "Wie bei unternehmerischen Beteiligungen üblich, sollten Anleger es auch hier notfalls verkraften können, wenn das investierte Geld verloren ist."
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Renditebonus Wohnrecht
Ob sich der Kauf eines Pflegeapartments im Einzelfall lohnt, ist nicht so einfach abzuschätzen. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg rät potenziellen Käufern, sich zunächst darüber klar zu werden, ob sie eine reine Geldanlage wollen oder ob sie primär ein bevorzugtes Anrecht auf einen Pflegeplatz anpeilen. "Den Wert eines solchen Anrechts muss jeder für sich selbst bestimmen", sagt er. Am ehesten sei dieser Wert dann ein hoher, wenn sich jemand in einer Region mit knappem Angebot einen Pflegeplatz sichern wolle.
Specht erzählt, dass seine ersten Anleger, die Ende der 80erJahre eingestiegen sind, jährliche Mietrenditen von zehn Prozent erzielten. Im vergangenen Jahrzehnt seien es noch 5,5 bis sechs Prozent gewesen, mittlerweile seien es die genannten 4,5 Prozent - wegen der starken Nachfrage, die auf ein begrenztes Angebot stößt.
Der Bremer erklärt ein paar Besonderheiten, die bei Pflegeapartments generell zu beachten sind. Da ist zum Beispiel die Verwaltergebühr. Die setzt er mit 15 bis 20Euro je Apartment und Monat an. Andere Anbieter verlangen bis zu 35 Euro. Der Eigentümer eines Apartments wird automatisch Miteigentümer von Gemeinschaftsflächen. Damit er sich in einem Pflegeheim mit 80 Betten aber nicht mit den übrigen 79 Eigentümern über den Anstrich im Flur zanken muss, ist für solcherlei der Betreiber zuständig.
Die Eigentümer von Apartments sollten aber Rücklagen für Reparaturen an Dach und Fach bilden. Dafür sind nämlich sie verantwortlich. Specht empfiehlt, dafür monatlich etwa 20 Euro zurückzulegen. Macht je Apartment 240 Euro pro Jahr. Bienentreu sagt es so: "Vor einem Kauf sollten Anleger neben den klassischen Faktoren wie Mietkonditionen, Betriebskonzept et cetera prüfen, wie hoch die kalkulierten Instandhaltungskosten sind. Sind da nur drei Euro pro Quadratmeter und Jahr vorgesehen, ist das viel zu wenig. Bei einer soliden Kalkulation sollten das sieben bis zehn Euro je Quadratmeter sein." Bei einer durchschnittlichen Größe von 35 Quadratmetern und sieben Euro entspräche das 245 Euro je Apartment. Das liegt nahe bei Spechts 240 Euro.
Und was ist mit dem Nutzungsrecht, das sich Käufer solcher Apartments sichern können? "Ein Eigentümer kann natürlich nicht plötzlich sagen, Apartment 13 ist meines und das brauche ich jetzt", erklärt Specht. "Das geht allein schon deswegen nicht, weil die ganzen Apartments ja für 20 Jahre an den Betreiber vermietet sind." Das Nutzungsrecht sieht vielmehr so aus: Braucht ein Eigentümer einen Pflegeplatz für sich oder für einen Verwandten ersten Grades, erhält er den Vorzug vor anderen Interessenten, sobald in dem Heim oder in einem anderen Haus, das der gleiche Betreiber führt, ein Platz frei wird.
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Einstiegshürde 10 000 Euro
Anleger, die nicht gleich mehr als 100 000 Euro in ein Pflegeapartment stecken können, aber Geld in Pflegeimmobilien investieren wollen, sind womöglich bei einem Geschlossenen Fonds gut aufgehoben. Bei Anbietern wie Immac oder INP können sie ab 10 000 oder 20 000 Euro dabei sein. Die Fonds investieren in der Regel in ein bis fünf Pflegeheime und stellen jährliche Ausschüttungen von etwa fünf Prozent in Aussicht. Das sind keine Fantasiezahlen, sondern Werte, die zumeist tatsächlich erreicht werden.
Ein Blick in den Performancebericht 2017 des Hamburger Fondsanbieters Immac, der seit 1998 Fonds mit einem Volumen von gut 1,5 Milliarden Euro aufgelegt hat, zeigt: Von den 94 Angeboten brachten nur acht weniger Rendite als prognostiziert. ImmacVorstand Thomas Roth erklärt die Abweichungen im Wesentlichen so: "Die Entwicklung unter Prognose lag bei den Fonds, die vor rund 20 Jahren aufgelegt wurden, im Grunde nur in der Indexierung der Pacht begründet. Es wurde von einer durchgängigen Inflationsrate von 2,5 Prozent ausgegangen." Dieser Wert entpuppte sich als zu hoch. Die Folge: Die an die Inflationsrate gekoppelten Mietsteigerungen fielen geringer aus als angenommen. Also nahmen die Fonds weniger Geld ein. "In solchen Fällen erhielten die Anleger vielleicht mal nur 4,5 Prozent statt sieben Prozent Ausschüttung", erklärt ein Analyst Geschlossener Fonds, der in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt werden möchte.
Der Analyst stuft Anlagen in solche Fonds grundsätzlich als unproblematisch ein. Ganz anders Verbraucherschützer Nauhauser: "Wir halten Geschlossene Fonds generell für zu intransparent. Anleger können sich keine Meinung bilden, ob die in einem Prospekt in Aussicht gestellten Ausschüttungen von vier, fünf oder noch mehr Prozent realistisch sind."
Immac-Vorstand Roth ist überzeugt, solche Fonds taugen für Anleger aller Altersklassen. Einzig: "Die Finger weglassen sollten Anleger, die auf eine Outperformance hoffen oder denen eine Laufzeit von zehn bis 15 Jahren zu lang ist." Die Produkte sind also nichts für Leute, die Fantasierenditen erwarten oder jeden Tag neu über ihre Anlage entscheiden wollen.
Roth nennt eine Reihe von Kriterien, die erfüllt sein sollten, damit ein Pflegeheim für einen Geschlossenen Fonds geeignet ist. Die beiden wichtigsten: "Der Standort muss auch in 20 Jahren noch nachgefragt sein", sagt er. "Das Konzept und die Qualität des Betreibers müssen konkurrenzfähig und der Betrieb muss wirtschaftlich effizient sein."
Zunehmend schwierig gestalte sich die Suche nach Häusern zu Preisen, die Ausschüttungen von etwa fünf Prozent im Jahr ermöglichen, sagt Roth. Das ist auch der Grund dafür, dass er mit seinem mittlerweile ausplatzierten Angebot Immac Irland Sozialimmobilien I ins Ausland ausgewichen ist. Der Fonds investiert in eine irische Gesellschaft, die Pflegeheime im Großraum der Hauptstadt Dublin besitzt und betreibt. Für die Anleger soll es 5,25 Prozent im Jahr geben - und das ohne Währungsrisiko. Die Iren bezahlen anders als die Brexit-fixierten Nachbarn in der Gemeinschaftswährung Euro.
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Pro und Kontra
Beim Kauf eines Apartments in einem Pflegeheim sind Anleger meist mit 120 000 bis 220 000 Euro dabei. Diese Preisspanne nennt die Bremer Specht Gruppe als Orientierungsgröße. Für die meisten Privatanleger ist das viel Geld. Geschäftsführer Rolf Specht nennt ein solches Apartment einen Bundesschatzbrief mit Grundbucheintrag. Er hält Investments dieser Art also für sehr sicher. Ganz ähnlich Sandro Pawils vom Anbieter Wirtschaftshaus AG mit Sitz in Garbsen bei Hannover. Er wirbt damit, bei den von seinem Haus verkauften Apartments seit 2002 keine Mietausfälle erlebt zu haben.
Ganz anders sieht es Christian Ahlers vom Team Finanzmarkt beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Für ihn gehören Pflegeapartments zum unregulierten grauen Kapitalmarkt - erhöhte Risiken inklusive. Was spricht für den Kauf von Pflegeapartments und was dagegen? Eine Übersicht.
Dafür...
• Der Bedarf an Pflegeplätzen in Deutschland steigt. Experten halten in den nächsten 20 Jahren einen Zuwachs an Pflegebetten von jährlich 10 000 bis 20 000 für erforderlich. Die Nachfrage bleibt also voraussichtlich sehr hoch.• Käufer werden im Grundbuch eingetragen. Sie können ihr Pflegeapartment daher grundsätzlich jederzeit beleihen, vererben, verschenken oder veräußern.
• Käufer müssen sich kaum um ihr Investment kümmern, da das Apartment im Regelfall für mindestens
20 Jahre an einen Pflegeheimbetreiber vermietet ist. Dieser zahlt Mietnebenkosten wie Strom, Wasser, Heizung und diverse Versicherungen. Der Eigentümer muss nur Geld für die Instandhaltung von Dach und Fach zurücklegen. Das sollte aber nicht zu knapp bemessen sein. Als empfehlenswert gelten jährlich mindestens sieben Euro pro Quadratmeter - besser etwas mehr.
• Für die Vermietung an Pflegebedürftige sorgt der Betreiber.
• Eigentümer können die für Immobilien üblichen zwei Prozent Abschreibung im Jahr geltend machen.
• Jährliche Mietrenditen von zumeist etwa vier bis fünf Prozent; Mieten sind in der Regel indexiert, sie steigen also im Umfang der Inflationsrate.
• Bevorzugtes Belegungsrecht für Käufer, die selbst Bedarf an einem Pflegeplatz haben.
Dagegen...
• Intransparenter Markt; für Käufer ist es schwer einzuschätzen, ob der Kaufpreis gerechtfertigt ist.
• Bei Missmanagement des Betreibers und zum Beispiel daraus folgenden Leerständen kann es zu Mietausfällen kommen.
• Geht ein Betreiber pleite, kann sich die Suche nach einem neuen Betreiber schwierig gestalten. In der Interimszeit kann es länger dauern, frei gewordene Plätze neu zu belegen. Weiteres Risiko: Der neue Betreiber zahlt womöglich weniger Miete.
• Der Gesetzgeber kann die Standards für Pflegeheime verschärfen. Das kann zu geringeren Einnahmen der Eigentümer führen.
• Der Markt für den Kauf von Pflegeapartments ist nicht reguliert. Käufer tun also gut daran, sich sehr gründlich zu informieren. Tipp: Vor dem Kauf einen Blick in die Bilanz des Pflegeheimbetreibers werfen.
• Anders als bei Eigentumswohnungen gibt es in der Regel keine Aussicht auf Wertsteigerungen.
• Bei erforderlichen Arbeiten an Dach und Fach braucht es einen Konsens mit allen anderen Eigentümern. Wollen oder können einzelne Eigentümer nicht mitziehen, kann es sein, dass dringend erforderliche Sanierungs oder Modernisierungsarbeiten nicht ausgeführt werden können.
• Kritiker halten die jährlichen Mietrenditen von meist vier oder fünf Prozent mit Blick auf die Betreiberrisiken für zu gering.