Dabei eignet sich Gamesa eigentlich gut, wenn Siemens sich zum weltgrößten Anbieter von Windkraftanlagen aufschwingen will. Bislang rangiert der Technologiekonzern im weltweit immer härter geführten Wettbewerb auf Rang zwei hinter der dänischen Vestas und vor dem US-Erzrivalen General Electric (GE). Gamesa liegt mit einem Weltmarktanteil von fünf Prozent nur auf Platz acht, würde aber mit seinem Portfolio gut zu den Münchnern passen, die erst 2004 mit der Übernahme der dänischen Bonus Energy in das Geschäft mit Windparks eingestiegen sind. Siemens beschäftigt in dem Bereich rund 13.000 Menschen und verkauft vorwiegend Anlagen für den Betrieb auf See, Gamesa ist dagegen im Bereich der Turbinen an Land vertreten. Während Siemens bisher meist Industrieländer in Europa und Nordamerika beliefert, machen die Basken praktisch ihren kompletten Umsatz im Ausland, vor allem in Lateinamerika, Indien und anderen Schwellenländern.
Und das junge Unternehmen aus dem Hinterland von Bilbao ist mit seinen 6400 Mitarbeitern deutlich profitabler als das Windgeschäft von Siemens mit seinem Hauptsitz in Hamburg. Für das abgelaufene Geschäftsjahr hat Gamesa eine operative Rendite von über acht Prozent in Aussicht gestellt. Siemens, das mit 5,7 Milliarden Euro fast doppelt soviel Geld mit Windkrafttechnik einnimmt wie die Spanier, erreichte zuletzt kaum drei Prozent Marge. Als Schwierigkeit bei einem Zusammengehen kann sich die Kooperation von Gamesa mit der französischen Areva entpuppen. Die beiden unterhalten ein relativ kleines Gemeinschaftsunternehmen zum Bau von Windanlagen auf See. Mit dem früheren Partner Areva machte Siemens allerdings zuletzt schlechte Erfahrungen.
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ANALYSTEN SEHEN LICHT UND SCHATTEN
Analysten blicken mit gemischten Gefühlen auf einen Zusammenschluss. "Aus unserer Sicht wäre es für die Siemens-Aktionäre negativ, da die Windkraftindustrie vor einem Abschwung steht und das Management eigentlich genug mit der Integration von Dresser-Rand und der Rolls-Royce-Sparte zu tun hat", urteilte Mark Freshney von Credit Suisse. "Andererseits wäre ein Zusammenschluss in einer Tochter eine positive Entwicklung für Siemens und entspräche der Strategie der Portfolio-Rationalisierung und der Sanierung schwacher Geschäftsfelder."
Mit einem Deal in Spanien könnte sich Siemens wieder ein Stück weit unabhängiger vom Geschäft mit Öl- und Gastechnik machen. Mit der Übernahme eines Teils von Rolls-Royce und der US-Firma Dresser-Rand hatte sich der Schwerpunkt von Siemens' Energietechnik deutlich dorthin verschoben. Allerdings stieß die Entwicklung bei Aktionären auch angesichts des niedrigen Ölpreises und der Investitionsscheu der Förderbranche auf Kritik. Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment monierte auf der Hauptversammlung vergangene Woche, dass vom "grünen Portfolio" von Kaesers Vorgänger Peter Löscher nicht mehr viel übrig sei. "Wie ernst ist es Siemens noch mit der Nachhaltigkeit? Welchen Beitrag leistet das Unternehmen zur Emissionsreduktion", fragte er. Speich zweifelte daran, ob die Fokussierung auf das Ölgeschäft noch zeitgemäß sei und warnte: "Siemens darf nicht zum Dinosaurier werden!"
Letztlich ist die Konstruktion eines neuen Weltmarktführers im Windgeschäft angesichts des harten Preiskampfs in der Branche auch eine Frage des Geldes. Bevor die Siemens-Pläne öffentlich wurden, war Gamesa an der Madrider Börse mit gut vier Milliarden Euro bewertet. Der spanische Versorger Iberdrola, der knapp ein Fünftel an Gamesa hält, dürfte sich die Preise, die Siemens zuletzt bei Übernahmen gezahlt hatte, genau angesehen haben. Seit eh und je gelten die Münchner als großzügige Käufer. Allerdings lässt sich Kaeser nicht unter Druck setzen. Als Spekulanten 2007 den Preis des Softwareunternehmens IBS nach oben trieben, bläst der damalige Finanzvorstand das Geschäft ab. Er lasse sich "nicht durch den Ring ziehen", gibt er zu Protokoll. Fünf Jahre später schlägt Siemens dann doch zu. Anders könnte es gehen, sollte ein Konkurrent Gamesa ebenfalls ins Visier nehmen. In dem Fall könnte er ohne Rücksicht auf die Kosten schnell zuschlagen, wie beim Erwerb von Dresser-Rand, mit der bereits die Schweizer Sulzer angebandelt hatte.
Reuters