Immer noch haben viele Anleger die Aktien von Siemens Energy im Depot, seit sie ihnen nach der Abspaltung von Mutter Siemens "geschenkt" wurden. Doch Freude macht die Position nicht. Nun senken mehrere Analysten auch noch ihre Kursziele. Die Aktie könnte auf neue Rekordtiefen abtauchen.

Einer der Gründe für die zuletzt schwache Tendenz der Aktie von Siemens Energy: Der Übernahmeplan von Siemens Energy für seine Mehrheitsbeteiligung Siemens Gamesa verzögert sich. Ursprünglich hatten die Münchner gehofft, das offizielle Angebot Mitte September starten zu können. Dafür hätte die spanische Börsenaufsicht CNMV mitspielen müssen. Doch deren Einverständnis steht immer noch aus.

Abschluss der Transaktion bis Jahresende kaum möglich

Siemens Energy hatte im Mai bekannt gegeben, seine leidende Windkraft-Tochter Gamesa für rund vier Milliarden Euro komplett übernehmen und von der Börse nehmen zu wollen. Damals veröffentlichten die Münchner, die bereits zwei Drittel an Gamesa halten, auch einen vorläufigen Zeitplan, der einen Abschluss der Transaktion bis Jahresende vorsah. Dieses Ziel dürfte nun wackeln.

"Die Zeitplanung der spanischen Regulierungsbehörde CNMV können wir nicht kommentieren ", sagte ein Sprecher des Energietechnik-Konzerns. "Natürlich hätten wir gern so schnell wie möglich eine positive Rückmeldung, da wir unsere Ziele schnellstmöglich umsetzen möchten. Wenn unser Angebot mit der gebotenen Sorgfalt geprüft wird, ist das aber im Sinne aller Aktionäre und damit auch in unserem Interesse."

Die CNMV hielt sich auf Nachfrage bedeckt: Man könne derzeit keine Voraussage treffen, bis wann es eine Entscheidung geben werde.
In den vergangenen Quartalen haben die Gamesa-Zahlen auch Siemens Energy das Ergebnis verhagelt. Mit der Übernahme wollen die Münchner die Probleme dort schneller in den Griff bekommen.

Analysten senken Kursziele für Siemens Energy

Die Verzögerung der Übernahme und die jüngste Kursschwäche veranlasst mehrere Analysten, ihre Kursziele zu senken. Am Freitag reduziert etwa Vivek Midha von der Citigroup sein Kursziel für Siemens Energy kräftig von 17 auf 13 Euro. Sein Votum lautet unverändert "Neutral".

Auch Deutsche Bank Research hat das Kursziel für Siemens Energy gesenkt – und zwar von 24 auf 22 Euro. Der Energiekonzern dürfte sich als einer der wenigen Gewinner der derzeitigen Energiekrise erweisen, schrieb Analyst Gael de-Bray in einer am Donnerstag vorliegenden Studie.

Diese mache höhere Investitionen in erneuerbare Energien, Netzsysteme, die Nachrüstung von Gas-Turbinen und Energieeffizienz-Lösungen notwendig. Die anstehende Kapitalerhöhung bei der Windkrafttochter Siemens Gamesa könnte die Aktie allerdings kurzfristig weiter belasten. Die Einstufung beließ de Bray jedoch auf "Buy".

Bernstein rät zum Verkauf der Siemens Energy Aktie

Deutlich negativer stuft das US-Analysehaus Bernstein Research Siemens Energy ein. Das Kursziel für die kommenden 12 Monate liegt bei 9 Euro, das Votum lautet "Underperform". Immerhin: Auf den Investorenkonferenzen im September hätten die Management-Teams der Investitionsgüter-Konzerne die Ansicht vertreten, dass die Nachfrage immer noch stark sei und ein Rekord-Auftragsbestand einen möglichen Abschwung im Jahr 2023 überbrücken werde, schrieb Analyst Chad Dillard Ende September in einer Branchenstudie. Allerdings könnte die für 2023 erwarteten Gewinne in den heutigen Auftragsbeständen bis zu 30 Prozent weniger wert sein.

Die bei Bloomberg geführten Analysten sind weiterhin optimistisch für den Dax-Rückkehrer gestimmt: Zehn Experten empfehlen Siemens Energy zum Kauf, sieben sehen sie als Halte-Position und nur einer sagt "Sell".

Die Aktie von Siemens Energy sinkt am Freitag-Vormittag auf 11,28 Euro und nähert sich damit dem Rekordtief bei 11,05 Euro, das im Verlauf des Tags der Deutschen Einheit markiert wurde.

TradingView
Zwei-Jahres-Chart Siemens Energy (in Euro, Xetra)

Nach der Abspaltung vom Siemens-Konzern vor zwei Jahren zog die Siemens-Energy-Aktie zunächst bis Anfang 2021 deutlich an und erreichte bei 34 Euro neue Höchststände. Danach verebbte die (Nach)-Kauflust. Seitdem hat sich ein lupenreiner Abwärtstrend gebildet. Die 50-Tage-Linie verläuft derzeit bei 14,09 Euro, die obere Begrenzung des übergeordneten Abwärtstrends bei gut 15 Euro.

Fazit

Die Verzögerungen bei der Komplettübernahme von Tochter Siemens Gamesa lassen Käufer verharren. Der Dax-Wert könnte in den kommenden Tagen auf neue Rekordtiefen fallen. Selbst die 10-Euro-Marke könnte bis Jahresende unterschritten werden. Ein Bruch des kurzfristigen Abwärtstrends bei etwa 11,70 Euro würde lediglich etwas Trading-Potenzial freisetzen.

BÖRSE ONLINE hatte den Wert mit Stop-Loss-Marke 12 Euro im August erneut zum Kauf empfohlen, wurde allerdings mittlerweile ausgestoppt. Anleger sollten vorerst an der Seitenlinie verharren.

(Mit Material von dpa-AFX)