Ingrid, hast du einen Job für mich?" Das wird die Schauspielerin Tina Purr alias Ingrid in den bekannten Fernsehwerbespots ständig gefragt. Sie verdreht dann die Augen, weil ihr Name mal wieder mit Indeed, der Jobbörse, verwechselt worden ist. Die hat nicht nur durch die witzigen TV-Spots große Bekanntheit hierzulande erlangt. Indeed, die zu dem japanischen Personaldienstleister Recruit Holdings gehört, ist seit Jahren Trikotsponsor der Fußballer von Eintracht Frankfurt. Und die hatten am Mittwoch im Finale der Europa League gegen die Glasgow Rangers ihren großen Auftritt.
Nicht nur das Fußball-Endspiel beschert Indeed und anderen Jobplattformen derzeit große Aufmerksamkeit. Arbeitskräfte werden immer dringender gesucht - und zum Teil auch teuer eingekauft. Vor wenigen Wochen sorgte etwa der amerikanische Einzelhandelskonzern Walmart für Aufregung, als er ankündigte, Lkw-Fahrern bis zu 110.000 US-Dollar - mehr als 100.000 Euro - zu zahlen, um sie für sich zu gewinnen. Auf diesem Lohnniveau verhandeln in den USA normalerweise Hochschulabsolventen mit ihren potenziellen Arbeitgebern. Doch der massive Mangel an Truckern lässt Walmart und zahlreiche andere Unternehmen mittlerweile tief in die Tasche greifen.
Die Knappheit an Brummi-Fahrern ist nur eines von vielen Beispielen des aktuell angespannten Arbeitsmarkts in den großen Industrieländern. In den USA kündigten allein im März 4,5 Millionen Amerikaner ihre Jobs. Zugleich kletterte die Zahl der unbesetzten Stellen auf ein neues Rekordhoch von 11,5 Millionen. US-Ökonomen haben bereits den Begriff der "Great Resignation" geprägt. Viele Amerikaner haben ihren alten Job quittiert und sind auf der Suche nach einem neuen. Doch es gibt auch zahlreiche ältere Arbeitnehmer, die während der Pandemie entlassen wurden und vorgesorgt hatten. Die kehren schlicht nicht mehr in ihre Berufe zurück und sind für den Arbeitsmarkt verloren.
Die Arbeitslosenquote verharrte in den USA auch im April bei 3,6 Prozent. "Das ist nur knapp über dem Niveau vor der Pandemie von 3,5 Prozent, was wiederum einen Rekordwert seit Ende der 1960er-Jahre darstellt", sagt Oliver de Berranger, Chefanlagestratege bei der Fondsgesellschaft LFDE. "Auf diesen Niveaus herrscht auf dem Arbeitsmarkt gleichermaßen Vollbeschäftigung und starker Druck."
In Europa ist die Situation noch nicht ganz so weit fortgeschritten, doch auch hier nimmt die Anspannung am Arbeitsmarkt von Quartal zu Quartal zu. Trotz Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg sank die Arbeitslosenquote in der Eurozone im April auf ein Rekordtief von 6,8 Prozent. Viele Unternehmen stellen ein, und häufig winken den Bewerbern auch höhere Gehälter. In Deutschland ging die Arbeitslosenzahl im April verglichen mit dem Vormonat um 53.000 auf 2,3 Millionen zurück. Erstmals gibt es hierzulande wieder mehr Arbeitnehmer und Selbstständige als vor Ausbruch der Corona-Pandemie 2020.
Doch zunehmend macht der Mangel an Fachkräften der deutschen Wirtschaft zu schaffen. In einer aktuellen EU-Studie gab jedes dritte der befragten Unternehmen an, dass Personalmangel seine Tätigkeit behindere. Das ist ein historischer Höchstwert. "Das Problem für den deutschen Arbeitsmarkt ist nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeiterlosigkeit", sagt denn auch Marc Biadacz, Arbeitsmarktexperte der Union im Bundestag. Im April waren bei der Bundesagentur für Arbeit 850.000 offene Stellen gemeldet, gut 200.000 mehr als vor einem Jahr.
Offene Stellen kosten viel Geld
Für die Unternehmen wird es nicht nur immer schwieriger, geeignete Mitarbeiter zu finden. Die unbesetzten Stellen kommen sie auch immer teurer. Die Jobplattform Stepstone hat ein Modell entwickelt, um diesen Kostenfaktor zu berechnen. Das Ergebnis der Berechnungen: Im Durchschnitt kostet jede unbesetzte Stelle die Arbeitgeber aktuell 29.000 Euro. In Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern liegen die Kosten sogar bei über 73.000 Euro.
Besonders teuer ist der leere Schreibtisch im Gesundheitsbereich, wo die sogenannte "Cost of vacancy" bei durchschnittlich 37.700 Euro liegt sowie in der Informationstechnologie mit 37.300 Euro und im Vertrieb (36.600 Euro). Aber auch im Handwerk (32.600 Euro) und in der Produktion (30.800 Euro) kostet der Mangel an Fachkräften die Unternehmen viel Geld.
Zu den aktuellen konjunkturellen Spannungen gesellt sich ein weiterer Katalysator: die Demografie. "In Ländern mit alternder Bevölkerung gehen die Babyboomer nach und nach in Rente und können auf dem Arbeitsmarkt nicht vollständig ersetzt werden", sagt LFDE-Stratege de Berranger. In die gleiche Kerbe schlägt Tobias Zimmermann, Arbeitsmarktexperte bei Stepstone: "In den nächsten Jahren wird die Zahl der offenen Jobs weiter steigen, denn die Erwerbsbevölkerung schrumpft dramatisch. Das wird die Machtverhältnisse grundlegend ändern, zugunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer."
Klar ist: Auf die Unternehmen kommen neue Herausforderungen zu. Sie werden stärker in einen schnellen Recruiting-Prozess, aber auch in eine langfristige Mitarbeiterbindung investieren müssen. Das spielt der Branche der Personaldienstleister in die Hände, die die Unternehmen unterstützen kann.
Wachstumsstarker Nischenplayer
Von der gestiegenen Nachfrage profitiert zum Beispiel Amadeus Fire. Die Frankfurter konzentrieren sich in Deutschland auf die Vermittlung kaufmännischer Fach- und Führungskräfte in Zeitarbeit als Interimsmanager. Daneben betreiben sie auch die klassische Vermittlung von Arbeitskräften und bieten zahlreiche Weiterbildungsangebote. "Amadeus Fire bewegt sich geschickt in einer Nische und ist ein Unternehmen, das sehr zuverlässig wächst", sagt Fondsmanager Dirk Stöwer, der den Wert im Portfolio des Nestor Europa Fonds (ISIN: LU 005 473 594 8) hält.
Der Personaldienstleister baute in den vergangenen Jahren den Bereich Tele-Learning stark aus, "was ihm insbesondere in der Corona-Zeit sehr geholfen hat", erklärt Stöwer. Der Fondsmanager schätzt die Wachstumsstärke des Unternehmens, die die großen Wettbewerber nicht in diesem Maß bieten. Das ist auch ein Grund, weshalb die Aktie trotz guter Zahlen aktuell unter Druck ist. Denn die Bewertung war Ende 2021 schon recht fortgeschritten. Und momentan sorgt der Ausblick auf steigende Zinsen bei Wachstumswerten generell für eine Bewertungskorrektur.
Der Arbeitskräftemangel ist auch ein Treiber für das Geschäft von Robert Half International. Das Unternehmen ist global aufgestellt, 78 Prozent des Umsatzes erzielt es aber in den USA mit Personaldienstleistungen im administrativen Bereich oder der IT. Daneben bietet die Tochter Protiviti Beratungsleistungen.
Wer vom Wachstum der weltweit wichtigsten Karriereplattform Linkedin profitieren will, der muss zu Aktien von Microsoft greifen. Denn seit 2016 ist Linkedin eine Tochtergesellschaft des Technologieriesen. Der hat sich in den vergangenen Jahren ein breites Portfolio an Produkten und Dienstleistungen aufgebaut. Linkedin hat zwar bei Weitem nicht den Anteil am Umsatz wie zum Beispiel das Cloud-Geschäft, trägt aber mit hervorragenden Ergebnissen zum Wachstum bei.
INVESTOR-INFO
Amadeus Fire
Zu Unrecht unter Druck
Der Personaldienstleister, der ausschließlich auf dem deutschen Markt tätig ist, hat für das erste Quartal starke Zahlen vorgelegt. Umsatz und operatives Ergebnis stiegen um 17,3 beziehungsweise 19,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Besonders erfolgreich entwickelte sich die Zeitarbeitssparte. Das Unternehmen setzt seinen Erfolgskurs von 2021 eindrücklich fort. Die Aktie ist jedoch im Zuge der Bewertungskorrektur bei Wachstumswerten unter Druck gekommen. Die günstige Bewertung lockt zum Einstieg.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 170,00 Euro
Stoppkurs: 100,00 Euro
Robert Half International
Schwergewicht mit US-Fokus
Das kalifornische Unternehmen vermittelt und überlässt Mitarbeiter in den Bereichen Informationstechnik, Finanz- und Rechnungswesen, Verwaltung, Recht sowie Marketing. Der global aufgestellte Personaldienstleister mit starkem US-Fokus lieferte zuletzt überzeugende Quartalszahlen. Der Gewinn je Aktie kletterte deutlich von 0,98 auf 1,52 US-Dollar. Einen großen Teil zum Umsatz trägt mittlerweile die Beratungstochter Protiviti bei. Innovatives Unternehmen, starke Marktposition.
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Kursziel: 110,00 Euro
Stoppkurs: 70,00 Euro
Microsoft
Die Spinne im Job-Netzwerk
Der US-Tech-Riese entwickelt sein Geschäft ständig weiter. Als reiner Softwareanbieter gestartet, kommt mittlerweile ein Großteil des Wachstums aus dem Cloud-Business. Und mit Linkedin besitzt der Konzern auch das weltweit bedeutendste Karrierenetzwerk mit mehr als 800 Millionen Nutzern weltweit. Das steigerte im zurückliegenden Quartal seine Erlöse um 34 Prozent. Microsoft bietet Zugang zum Thema digitaler Arbeitsmarkt und generell zum Thema Digitalisierung.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 320,00 Euro
Stoppkurs: 210,00 Euro