Die Allianz büßt mit rund sechs Milliarden Dollar an Strafen und Entschädigungen dafür, dass ihre US-Vermögensverwaltungs-Tochter AllianzGI US zugeben musste, den Managern nicht genügend auf die Finger geschaut zu haben. Die Summe sei aber durch die 5,6 Milliarden Euro schweren Rückstellungen vollständig abgedeckt, erklärte der Münchner Versicherungsriese. AllianzGI US muss sich nun für zehn Jahre aus dem Geschäft mit US-Fonds zurückziehen.
Große Anleger - darunter viele Pensionsfonds aus den USA - hatten mit den Hedgefonds insgesamt sieben Milliarden Dollar verloren, als die Kapitalmärkte im Frühjahr 2020 zu Beginn der Corona-Krise in die Knie gingen. Die Fonds im Volumen von elf Milliarden Dollar mussten abgewickelt werden. Die Investoren hatten bisher gedacht, dass die Fondsmanager damals angesichts des Absturzes am Markt kalte Füße bekommen hatten. Doch nun werfen die US-Behörden ihnen vor, die Anleger mindestens seit 2014 bewusst getäuscht zu haben. Sie hätten in den Hedgefonds weit weniger Sicherheitsnetze gespannt, die die Anleger vor Verlusten schützen sollten, als behauptet. Mehr als zwei Dutzend Anleger hatten AllianzGI US verklagt.
Der New Yorker Staatsanwalt Dan Williams warf Allianz GI US löchrige, für dieses riskante Geschäft völlig unzureichende Kontrollmechanismen vor. "Kein Überwachungssystem ist perfekt, aber diese Kontrollen gaben AGI nicht einmal eine Chance." Den Investoren sei eine relativ sichere Anlage versprochen worden, die auch einem plötzlichen Sturm standhalten würde. "Diese Versprechungen waren Lügen", sagte Williams. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC hat sich zuletzt den Schutz von Investoren vor zu riskanten und komplexen Finanzprodukten auf die Fahnen geschrieben. "Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass selbst die klügsten professionellen Investoren, wie Pensionsfonds, Opfer von solchem Fehlverhalten werden können", sagte SEC-Chef Gary Gensler.
Tournant, den die Allianz Ende 2021 entlassen hatte, stellte sich in Denver im US-Bundesstaat Colorado den Behörden, wie ein Sprecher des Ministeriums sagte. Dort sollte der Franzose noch am Dienstag (Ortszeit) einer Richterin vorgeführt werden. Er wird der Verschwörung, des Wertpapier- und Anlagebetrugs und der Behinderung der Justiz beschuldigt. Seine Anwälte wiesen die Vorwürfe zurück. Es handele sich um den fruchtlosen Versuch, die Marktverwerfungen in der Corona-Krise zu kriminalisieren: "Greg Tournant wurde unfairerweise ins Visier genommen, obwohl er in dieser Zeit länger krankheitsbedingt fehlte und die Fonds in den vorangegangenen 14 Jahren unter seiner Führung florierten." Die Verluste seien bedauerlich, aber nicht das Ergebnis von kriminellem Vorgehen.
Die beiden anderen Fondsmanager hätten Teilgeständnisse abgelegt, erklärte die SEC. Auch von ihnen hatte sich die Allianz Ende 2021 getrennt. Rund 20.000 Stunden prüften Anwälte und Wirtschaftsprüfer die Unterlagen.
Allianz-Chef Oliver Bäte hatte das Debakel im August 2020 eingeräumt und auf eine schnelle Beilegung gedrängt, nachdem sich die US-Behörden einschalteten. Das Geschäft mit strukturierten Produkten, zu dem die Hedgefonds gehören, wurde abgewickelt. Nun muss AllianzGI auch den Rest des US-Geschäfts mit einem verwalteten Vermögen von rund 120 Milliarden Dollar aufgeben - immerhin ein Viertel ihrer weltweit für Dritte gemanagten Anlagen. Um eine zehnjährige Sperre durch die SEC zu umgehen, gibt die Allianz das US-Geschäft an die New Yorker Voya Financial ab, eine frühere Tochter der niederländischen Bank ING.
ZU VIEL RISIKO? WIR STREICHEN EINFACH EINE ZAHL
Für Tournant, der auch US-Staatsbürger ist, waren die "Structured Alpha"-Fonds ebenso lukrativ wie für die Allianz. Von 2015 bis 2019 war er laut dem US-Justizministerium der best- oder zweitbestbezahlte Mitarbeiter von AllianzGI in den USA. 13 Millionen Dollar kassierte er allein 2019. Die 17 "Structured Alpha"-Fonds brachten dem Vermögensverwalter 550 Millionen Dollar an Gebühren ein.
Die Fondsmanager erklärten den Investoren - darunter Pensionsfonds für Lehrer, Geistliche und Busfahrer - stets, sie hätten ein ausgeklügeltes, extern überwachtes Risikomanagement. Doch nach den Erkenntnissen der Ermittler fälschten Tournant und seine Leute die Zahlen: So hätten sie an einer Stelle aus einem tatsächlichen Verlustrisiko von 42,1505 Prozent eines von 4,1505 Prozent gemacht, indem sie einfach eine Ziffer löschten, erklärte die SEC. Auf den Kauf von Absicherungspositionen hätten sie verzichtet, um mehr Rendite zu liefern. Sie hätten sich auf verlassenen Baustellen getroffen und darüber gesprochen, wie sie ihr Geld im Ausland in Sicherheit bringen könnten.
Die US-Dependance von Allianz Global Investors bekannte sich schuldig, betonte aber, nur einige wenige Mitarbeiter hätten die Betrügereien mitbekommen. Die Rechnung, die das Ministerium und die SEC dafür aufmachen, ist hoch: 2,33 Milliarden Dollar als Strafe, Entschädigungen der Anleger von 3,24 Milliarden und die Einziehung von brutto 672 Millionen zugunsten der Staatskasse, dazu 350 Millionen Gewinnabschöpfung und eine Strafe von 675 Millionen an die SEC. Die Beträge werden aber zum Großteil mit den bereits gezahlten Entschädigungen von 5,05 Milliarden Dollar verrechnet. Unter dem Strich kostet die Affäre die Allianz knapp 5,8 Milliarden Dollar.
rtr