Schlauer zu sein als die Masse, stets clevere Entscheidungen zu treffen - wem würde das nicht gefallen? Gerade als Anleger wäre das nützlich: Die Pfiffigkeit würde sich in Heller und Pfennig im Depot widerspiegeln.

Aktiv gemanagte Fonds stellen genau das in Aussicht: dass ihr Lenker die Märkte besser zu lesen versteht als das Gros der Anleger. Von einem Fondsmanager werden bei der Titelauswahl möglichst viele schlaue Entscheidungen erwartet - zum Wohl derer, die Anteile des Produkts besitzen.

Herkömmliche ETFs können das nicht für sich beanspruchen. Die pas­siven Fonds folgen eins zu eins einem gängigen Börsenindex. Geht es zum Beispiel mit dem DAX ein Prozent nach oben, vollzieht ein entsprechender ETF - die Abkürzung steht für Exchange-traded Fund - diese Bewegung exakt nach. Ein Indexfonds wird also niemals besser sein als der breite Markt. Dafür verlangt er nur geringe Gebühren, weil aufwendige Analysen entfallen.

Seit einigen Jahren fordern jedoch neue, schlaue ETFs gleich beide Fondsgruppen heraus. Sie wollen besser sein als herkömmliche ETFs und zugleich den erfolgreichsten aktiven Managern mit ausgeklügelter Titelauswahl die Stirn bieten. Unter dem Oberbegriff "Smart-Beta-ETFs" hat diese Produkt­gattung viele Anhänger gefunden.

Auf den folgenden Seiten gibt €uro am Sonntag einen Überblick über die cleveren Indexfonds. Die Redaktion erklärt, warum sie so beliebt sind und welche Trends den Markt zurzeit bewegen. Darüber hinaus stellt sie die wichtigsten Strategien vor und empfiehlt aussichtsreiche Produkte.

Die gängigen Smart-Beta-Konzepte verfolgen mindestens eines von drei ­Zielen: Sie wollen entweder die Rendite herkömmlicher Indizes übertreffen oder die Schwankungen verringern. Eine weitere Gruppe von Smart-Beta-ETFs zielt darauf ab, höhere Ausschüttungen zu vereinnahmen.

Der Name leitet sich von der Kennzahl Beta ab. Diese beschreibt, wie ein bestimmtes Investment gegenüber dem breiten Markt abschneidet. Vereinfacht lässt sich Beta als Marktrendite bezeichnen. Herkömmliche ETFs haben stets ein Beta von 1, was bedeutet, dass sie sich im Gleichlauf mit dem breiten Markt entwickeln.

Große Auswahl für Aktienfans


Smart-Beta-ETFs werden überwiegend für Aktien angeboten. Für die Anlageklassen Anleihen und Rohstoffe steckt die Entwicklung noch in den ­Kinderschuhen. Clevere Indexfonds auf Rohstoffe versuchen etwa, einzelne Rohstoffe so zu kombinieren, dass die Schwankungsintensität abnimmt. Smart-Beta-ETFs auf Anleihen setzen bislang ausschließlich auf den Faktor Qualität, indem sie verlässliche Schuldner bevorzugen. "Über andere Faktoren im Rentensegment wird viel diskutiert, und für einige Gesellschaften gleicht das der Suche nach dem Heiligen Gral", sagt Kenneth Lamont von der Rating­agentur Morningstar. Gefunden wurde ein solches Gefäß aber noch nicht.

Für das Aktiensegment ist die Auswahl an cleveren ETFs dagegen riesig. Rund 250 Produkte werden allein in ­Europa angeboten. Ihr Ziel: einen Mehrwert zu bieten gegenüber herkömmlichen Aktienindizes.

Die populärsten Kursbarometer gewichten die in ihnen enthaltenen Titel überwiegend nach der Marktkapitalisierung, also dem Börsenwert eines Unternehmens. Konzerne, die viel wert sind, erhalten einen großen Anteil am Index, Unternehmen mit geringerem Wert einen kleinen Anteil. Das Gewicht einer Aktie sagt jedoch nichts darüber aus, wie aussichtsreich und lukrativ sie ist.

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Konventionen überwinden


An diesem Punkt setzen Smart-Beta-ETFs an. Sie brechen mit der traditionellen Berechnungsmethode von Aktien­indizes. Statt die Marktkapitalisierung für die Gewichtung zu nutzen, werden andere Kennziffern verwendet. Zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis, um günstig bewertete Unternehmen aufzuspüren, oder die Rendite der vergangenen sechs Monate, um die derzeit beliebtesten Aktien herauszufiltern. Die wichtigsten Strategien stellt €uro am Sonntag weiter unten vor.

Die Analyse des Smart-Beta-Universums zeigt: Die neuen Strategien sind kein Wundermittel. Einige von ihnen haben eine beeindruckende Historie, andere schulden den Beweis noch, dass Anleger langfristig mit ihnen besser fahren als mit einem Investment in herkömmliche Indizes. Was aber Smart-­Beta-ETFs in jedem Fall leisten: Sie ermöglichen Sparern, ihrer Geldanlage einen besonderen Dreh zu geben. Höhere Dividenden gefällig? Bitte schön! Geringere Schwankungen? Gern. Aktien mit niedriger Bewertung bevorzugen? Auch dafür gibt es passende Produkte. Warum dann nicht gleich auf aktiv ­gemanagte Fonds setzen? Viele davon geben ähnliche Versprechen, verfolgen verwandte Konzepte.

Smart-Beta-ETFs punkten ihnen gegenüber gleich zweifach. Zum einen sind sie preiswerter. An herkömmliche ETFs kommen sie zwar nicht heran. Aber mit jährlichen Kosten von durchschnittlich 0,38 Prozent unterbieten sie aktiv gemanagte Aktien- und Rentenfonds bei Weitem. Zum anderen ist ihr rein regelbasierter Ansatz für viele Anleger attraktiv. Eine Auswahl von Titeln strikt nach festgelegten Kennzahlen - das klingt planvoll und systematisch, ist angenehm emotionslos und gleichzeitig gut nachvollziehbar und verständlich.

Branche ist erwachsen geworden


Vor allem von 2012 bis 2017 eilten Smart-Beta-Produkte von Rekord zu ­Rekord. Das verwaltete Vermögen stieg stetig und wuchs schneller als das herkömmlicher ETFs. Seit 2017 allerdings stagniert in Europa der Anteil, den Smart-Beta-ETFs am gesamten ETF-Universum haben. Er hat sich bei etwa 7,5 Prozent eingependelt. "Das ist ein Zeichen dafür, dass der Markt inzwischen eine gewisse Reife erreicht hat", sagt Morningstar-Experte Lamont.

Trotzdem gebe es noch genug Raum für Wachstum. "Auch für die Strategie- ETFs sind die Gebühren immer weiter gesunken, sodass das Interesse der Anleger wachsen dürfte", sagt er. Einen Hinweis darauf liefert der Blick über den großen Teich: In den USA steckten Ende 2018 mehr als 700 Milliarden Dollar in Smart-Beta-ETFs und ähnlichen börsengehandelten Produkten - zwölf Mal so viel wie in Europa.

Anders als bei aktiv gemanagten Fonds ist die Zahl der Anbieter von Smart-Beta-ETFs gering. Kaum mehr als 20 Gesellschaften tummeln sich in Europa auf diesem Feld, nur neun verwalten ein Vermögen von mindestens einer Milliarde US-Dollar. Größter Akteur ist - wie generell im Geschäft mit den ­passiven Indexfonds - iShares, das in Europa in seinen 41 Smart-Beta-ETFs ein Vermögen von knapp 26 Milliarden US-Dollar vereint. Damit spielt der Konzern die dominante Rolle.

Die meisten Anbieter offerieren Smart-Beta-Produkte zusätzlich zu herkömmlichen ETFs. Eine Ausnahme ist die französische Gesellschaft Ossiam. Sie hat sich auf die schlauen Indexfonds spezialisiert und bietet ausschließlich Produkte an, die neuartige ausgeklügelte Börsenbarometer verfolgen.

Die Gesellschaft ist als Nischenanbieter besonders abhängig davon, die neuesten Trends im Smart-Beta-Universum aufzuspüren. Aktuell einer der wichtigsten sind Multi-Faktor-ETFs. "Wir sehen ein zunehmendes Interesse an Produkten, die mehrere Strategien kombinieren", sagt Carmine De Franco, Chef für Fundamentalanalyse bei Ossiam. Schon länger auf dem Markt sind etwa ETFs mit einem Fokus auf Titel, die ­dividendenstark sind und gleichzeitig nur wenig schwanken. Auch ETFs, die auf drei oder mehr Faktoren zugleich setzen, werden angeboten.

Eine weitere aktuelle Entwicklung sieht Ossiam in der Verknüpfung von Smart-Beta-Strategien mit dem Thema nachhaltiges Investieren. "Besonders in Europa wird versucht, Smart Beta und ökologische, soziale und unternehme­rische Kriterien in einem Modell zu­sammenzufassen", sagt De Franco.

Bis hier aussagekräftige Ergebnisse vorliegen, dürfte aber noch ein gutes Stück Weg zurückzulegen sein. Anleger sollten die Entwicklungen im Auge behalten, aber nicht sofort über jedes Stöckchen springen, das die findige Branche ihnen hinhält. Belastbare Erkenntnisse gibt es bisher vor allem zu den erprobten Smart-Beta-Konzepten.

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Sechs Strategien mit Smart-ETFs


Strategie 1: Hohe Dividenden


Strategien, die auf Aktien mit hohen Ausschüttungen setzen, zählen nicht nur zu den ältesten Smart-Beta-Konzepten, sondern auch zu den beliebtesten. Knapp 40 Prozent des Geldes, das in ­Europa in schlauen ETFs steckt, haben Dividendenprodukte auf sich vereint. Sie wählen aus breiten Indizes Aktien mit einer überdurchschnittlichen Dividendenrendite aus. Diese wird berechnet, indem die Ausschüttung pro Aktie durch den aktuellen Kurs geteilt wird. Da eine herausragende Dividendenrendite allein kein Qualitätsmerkmal ist (gerade bei unbeliebten Aktien kann sie sehr hoch sein), arbeiten Dividenden-­ETFs mit zusätzlichen Kriterien, um ­Unternehmen mit Problemen auszusondern. Sie schließen zum Beispiel Firmen aus, die in den vergangenen Jahren mit Dividendenkürzungen negativ aufge­fallen sind oder bei denen Analysten Kürzungen erwarten.

Strategie 2: Geringe Schwankungen


Zweitbeliebteste Smart-Beta-Strategie in Europa ist das Low-Volatility-Konzept. Hier werden Aktien ausgewählt, die in der Vergangenheit weniger stark geschwankt haben als der Durchschnitt. Das soll auch für die Zukunft einen etwas ruhigeren Börsenritt verheißen. Diese Strategie hat in schwachen Börsenjahren den breiten Markt meist übertroffen, in starken blieb sie dahinter zurück. Auf Sicht der vergangenen fünf Jahre war das Konzept sehr erfolgreich. Der MSCI World Minimum Volatility Index brachte 10,1 Prozent per annum, der breite MSCI World nur 7,4 Prozent.

Die Turbulenzen an den Aktienmärkten im vergangenen Jahr haben Low-Volatility-Strategien zunehmend populär gemacht. Mehr als ein Viertel des 2018 neu in Smart-Beta-Produkte angelegten Geldes floss in derartige Konzepte.

Strategie 3: Unterbewertete Aktien


Unbeliebt im vergangenen Jahr war dagegen die Value-Strategie. Trotz deutlicher Mittelabflüsse reicht es vom Gesamtvermögen aber noch für Platz 3 ­unter den einzelnen Smart-Beta-Strategien. Value-Konzepte setzen auf Aktien, die an der Börse unterbewertet sind. Wichtige Kennzahlen sind das Kurs-Gewinn- und das Kurs-Buchwert-Verhältnis. Sie setzen den aktuellen Börsenkurs ins Verhältnis zum Unternehmens­gewinn je Aktie beziehungsweise zum Wert aller Vermögensgegenstände eines Konzerns je Aktie.

Obwohl die Value-Strategie sehr beliebt ist - einige der erfolgreichsten Anleger der Welt folgen ihr -, war sie im ETF-Mantel bisher nicht besonders erfolgreich. In den vergangenen fünf Jahren schnitt der MSCI World Value Index nur 2016 besser ab als der breite Markt. Über den gesamten Zeitraum blieb er jedes Jahr im Mittel zwei Prozentpunkte hinter dem MSCI World zurück.

Strategie 4: Hohe Qualität


ETFs, die den Faktor Qualität nutzen, investieren ausschließlich in sehr solide Unternehmen. Um diese aufzuspüren, werden Kennzahlen wie Eigenkapitalrendite, Gewinnwachstum und Verschuldungsgrad analysiert. Konzerne, die bei diesen fundamentalen Werten besser dastehen als der Durchschnitt, gelangen in das entsprechende Börsenbarometer. Der MSCI World Quality Index zeigt eine starke Leistung. In den vergangenen fünf Jahren stieg er durchschnittlich um 10,5 Prozent per annum - zweitbester Wert unter den hier vorgestellten globalen Smart-Beta-Strategien. Insbesondere seit der Finanzkrise hat sich die Wette auf qualitativ hochwertige Unternehmen ausgezahlt.

Strategie 5: Starkes Momentum


Übertroffen wurde das Quality-Konzept in den vergangenen Jahren nur von der Momentum-Strategie. Sie setzt darauf, dass Aktien, die in der jüngeren Vergangenheit stark gestiegen sind, weiterhin kräftig zulegen. Denn die Favoriten der Anleger ändern sich nur langsam. Mit ausgewählten Momentum-Aktien aus dem MSCI World ließen sich in den vergangenen fünf Jahren 11,4 Prozent per annum erzielen. Unter Rendite­aspekten war die Momentum-Strategie damit am erfolgreichsten.

Strategie 6: Gleiches Gewicht


Auch die Equal-Weight-Strategie zählt zum Smart-Beta-Universum. Denn sie schafft Indizes, die von den üblichen Kursbarometern abweichen. Die zugrunde liegende Methode ist denkbar einfach: Alle Titel eines Index werden gleich gewichtet. Das sorgt dafür, dass große Unternehmen ihre Dominanz in einem Kursbarometer verlieren und kleine an Bedeutung gewinnen. Vorteil der Gleichgewichtung ist die ausgewogenere Verteilung der Titel. Langfristig hat dieses Konzept im Fall des MSCI World eine etwas höhere Rendite abgeworfen, in den vergangenen fünf Jahren hatte der klassische Weltaktienindex aber die Nase vorn. Denn gerade die ­bekannten Internetriesen wie Amazon, Google oder Facebook sind in die Höhe geschossen, sodass es nicht lukrativ war, ihr Gewicht zu reduzieren.