Geld regiert die Welt - das bekannte Sprichwort hat einen leicht negativen Touch. Fakt ist jedoch: Ohne Geld regiert es sich schlecht. Ob ganze Länder, ob Bundesstaaten oder Bezirke - sie alle könnten ohne Kapital nicht vernünftig agieren. Das gilt kurzfristig, aber auch ganz besonders auf lange Sicht. Die öffentliche Verwaltung muss oftmals für Jahre und Jahrzehnte planen, nicht nur für wenige Wochen und Monate.
Um den Wohlstand der Bevölkerung und das Funktionieren des Staates langfristig zu sichern, setzen manche Länder auf spezielle Fonds, in denen sie das Geld aus Haushaltsüberschüssen sammeln. Mit klassischen Investmentfonds haben diese allerdings wenig gemein. Kein Anleger kann in sie investieren, an der Börse werden sie nicht gehandelt.
Ihr Einfluss auf die Finanzmärkte ist gleichwohl riesig, denn Staatsfonds zählen zu den größten Investoren weltweit. Die bedeutendsten unter ihnen verwalten mehrere Hundert Milliarden US-Dollar, die größten übertreffen sogar die Marke von einer Billion (siehe Tabelle unten). Unangefochtener Spitzenreiter ist seit Jahren der Staatsfonds von Norwegen. In ihm stecken sagenhafte 1,32 Billionen Dollar.
Zu diesem gewaltigen Vermögen ist der Fonds durch die Einnahmen aus dem Verkauf von Erdöl gekommen. Den Rohstoff fördert das skandinavische Land reichlich - und denkt zugleich an die Zeit danach. In 50 Jahren könnten die Lagerstätten erschöpft und das Geld aus dem Staatsfonds nötig sein, um die Einnahmeausfälle zu kompensieren.
Mit diesem Schicksal ist Norwegen nicht allein. Vor allem Länder aus dem Nahen Osten verdienen heute prächtig am Öl, doch irgendwann werden die Bodenschätze zur Neige gehen. Viele der größten Staatsfonds sind deshalb auf der arabischen Halbinsel beheimatet.
Andere Schwergewichte stammen aus Asien. Unter den zehn größten Staatsfonds finden sich jeweils zwei aus China und Singapur. Ihr Reichtum resultiert weniger aus Rohstofferträgen, als vielmehr generell aus überschießenden Staatseinnahmen durch Exporte oder Steuern.
Vorbild auf mehreren Ebenen
Norwegens Staatsfonds fällt nicht nur wegen seines Volumens auf. Auch in puncto Transparenz und Anlageerfolg ist er vorbildlich. Das vergangene Jahr beendete er trotz aller Börsenturbulenzen mit einem Gewinn von 102 Milliarden Euro und erzielte eine Rendite von 10,9 Prozent. Seit seiner Gründung 1997 erwirtschaftete er ein jährliches Plus von durchschnittlich 6,3 Prozent - die Belastungen durch Dotcom-Blase und Finanzkrise inklusive.
Dass bereits im März die Ergebnisse des Vorjahres bekannt sind, ist allerdings eine Ausnahme im Universum der Staatsfonds. Meist vergehen viele Monate, ehe die Institutionen ihre Leistungen aus dem vorangegangenen Jahr präsentieren. Auch wegen dieser Schnelligkeit gilt der norwegische Staatsfonds als der transparenteste weltweit. Das in Washington ansässige Peterson-Institut für internationale Wirtschaft (PIIE) attestiert ihm in einer aktuellen Studie 100 von 100 möglichen Punkten für seine Transparenz.
Viel entscheidender als die hohe Geschwindigkeit bei der Bekanntgabe ist aber, dass er sein Portfolio vollständig offenlegt. Anleger können im Internet unter www.nbim.no nachschlagen, welche Aktien und Anleihen der Fonds hält und welches Gewicht die Wertpapiere haben. Selbst Hinweise auf die relative Größe der Unternehmensbeteiligungen fehlen nicht.
Und die haben es in sich. Norwegens Staatsfonds hält Anteile an mehr als 9.000 Unternehmen, im Durchschnitt besitzt er 1,4 Prozent jedes börsennotierten Unternehmens weltweit. Bei europäischen Konzernen sind es im Mittel sogar 2,6 Prozent. Hierzulande ist der Staatsfonds Großaktionär unter anderem von Deutsche Wohnen und Vonovia (jeweils rund neun Prozent Anteil) sowie von Covestro und Dialog Semiconductor (jeweils rund fünf Prozent Anteil). Insgesamt besitzt Norwegen Aktien von ungefähr 200 deutschen Unternehmen.
Andere schwergewichtige Staatsfonds sind mit Informationen zu ihren Beständen weniger freigiebig. Aus den Top Ten der größten Fonds schaffen es nur Temasek Holdings aus Singapur und China Investment Corporation in die PIIE-Rangliste der 25 transparentesten Staatsfonds. Längst nicht jeder publiziert die von ihm gehaltenen Titel, manche halten selbst die grobe Aufteilung des Vermögens in verschiedene Anlageklassen geheim.
Kosmos der Großanleger
Wer seine Bücher mehr oder weniger stark öffnet, ermöglicht jedoch interessante Einblicke in die Welt der Großinvestoren. Einige Prinzipien der Geldanlage finden sich bei allen Staatsfonds, bei anderen unterscheiden sie sich.
Typisch für die Portfolios ist eine breite Streuung des Kapitals über Tausende von Einzelwerten, verteilt über mehrere Anlageklassen. Während Diversifikation als Mittel zur Risikostreuung bei den institutionellen Investoren unbestritten ist, gehen die Meinungen bei der Gewichtung der Anlageklassen auseinander.
Norwegens Staatsfonds setzt auf eine klassische Aufteilung seines Kapitals. Zum Jahresende 2020 steckten knapp drei Viertel in Aktien, rund ein Viertel in festverzinslichen Wertpapieren. Gerade einmal drei Prozent sind in Immobilien angelegt. Damit setzt er fast vollständig auf traditionelle Wertpapiere. Investments, die nicht an der Börse gehandelt werden, spielen lediglich eine untergeordnete Rolle.
Auch die China Investment Corporation hält wesentlich mehr Aktien als Anleihen. Doch die beiden klassischen Anlageklassen machen gerade einmal etwas mehr als die Hälfte des Portfolios des chinesischen Staatsfonds aus. Gut 40 Prozent stecken in Alternativen Investments. Dahinter verbergen sich mehrere Anlageformen, denen gemein ist, dass es sich nicht um typische börsengehandelte Wertpapiere handelt. Dazu zählen Hedgefonds, direkte Beteiligungen an Unternehmen (Private Equity) oder Infrastrukturprojekten, Rohstoffe sowie Immobilien.
Einen Mittelweg geht die Abu Dhabi Investment Authority. Der Staatsfonds aus den Vereinigten Arabischen Emiraten kauft nicht nur traditionelle Wertpapiere wie Norwegen, sondern hält auch Alternative Investments. Ganz so engagiert wie die China Investment Corporation ist er bei diesen Anlagen allerdings nicht - und auch etwas weniger transparent. Die exakte Verteilung der Anlageklassen gibt die Abu Dhabi Investment Authority nicht preis, stattdessen veröffentlicht sie Spannen, in denen sich die Investments bewegen sollen.
Ungeachtet der Vermögensaufteilung der drei genannten Staatsfonds zeigt sich ein genereller Trend: Der Anteil an Liquidität und festverzinslichen Wertpapieren hat im Lauf der Zeit abgenommen, der Anteil an nicht börsennotierten Investments zugenommen. Während ein Staatsfonds im Jahr 2002 durchschnittlich die Hälfte seines Vermögens in Cash und Zinspapieren allokiert hatte, war es 2018 nur noch ein Drittel. Zugleich stieg das Gewicht der nicht börsennotierten Investments von 13 auf 28 Prozent. Das zeigt eine Studie von State Street Associates, einer Tochter des US-Vermögensverwalters State Street. Besonders seit 2008 habe sich dieser Trend, das Risikobudget systematisch zu erweitern und illiquide Anlagen mit längerfristigem Zeithorizont auszubauen, verstärkt.
Mächtige Einflussfaktoren
Als bedeutende Akteure beeinflussen die Staatsfonds mit ihren Strategien die Finanzmärkte regelmäßig. 2017 hatte der damalige Chef des norwegischen Fonds angeregt, aus Öl- und Gasunternehmen auszusteigen und damit die Kurse der entsprechenden Unternehmen auf Talfahrt geschickt. Vor zwei Jahren entschied sich die Regierung in Oslo schließlich, diesen Vorschlag in die Tat umzusetzen. Auch wenn hierbei eher wirtschaftliche Erwägungen eine Rolle spielten, hat der Schritt die Debatte über nachhaltige, nicht fossile Geldanlagen bestärkt.
Im vergangenen Jahr sorgte ein Entschluss des saudischen Staatsfonds für Aufsehen. Er hatte viele Einzelwerte verkauft und mehrere Milliarden US-Dollar in ETFs investiert. Eine breite Streuung zu niedrigen Kosten hatte die Verantwortlichen offenbar überzeugt. Ähnliches im Nachbarland, den Vereinigten Arabischen Emiraten: Die Abu Dhabi Investment Authority hat mittlerweile fast die Hälfte ihres Vermögens in passiven Investments allokiert. Damit findet der Trend zu passiven Investments weitere prominente und einflussreiche Unterstützer.
Auch wenn Privatanleger von den Milliarden der Staatsfonds nur träumen können, gibt es doch einige Dinge, die sie sich von den Großinvestoren abgucken können. Voraussetzung dafür ist ein langfristiger Horizont bei der Geldanlage. Ist der gegeben, dürfen Privatinvestoren durchaus offensiver agieren. Sovereign Wealth Funds, wie Staatsfonds auch genannt werden, machen es nicht anders. Sowohl im Fall Norwegens als auch Chinas und Abu Dhabis stellen Aktien als Beteiligung am weltweiten Produktivvermögen den substanziellen Teil der Anlagestrategie dar.
Dabei gehen Staatsfonds in aller Regel keine riskanten Wetten auf wenige Einzeltitel ein, sondern streuen ihr Vermögen sehr breit. Das zeigen die mehr als 9.000 Unternehmen weltweit, an denen die Norweger beteiligt sind. Aber auch die Scheichs der Abu Dhabi Investment Authority diversifizieren das Portfolio sehr breit über zehn verschiedene Anlagesegmente. Und im Unterschied zu Norwegens staatlichem Pensionsfonds erschließen sie auch Renditetreiber jenseits der klassischen Aktien/Anleihen- Allokation. Diese etwas exotischeren Investments können auch private Anleger nutzen. Wie das geht, erfahren Sie auf der folgenden Doppelseite.
Eine wichtige Strategie der Staatsfonds können Anleger ebenfalls im eigenen Depot umsetzen. Die großen Geldverwalter achten auf die Kosten und setzen externe Manager oft nur sparsam und sehr bewusst ein. Kleinanleger können dieser Prämisse mithilfe von ETFs folgen. Die passiven börsengehandelten Fonds bilden Börsenindizes zu geringen Gebühren ab. Damit erfüllen sie gleich zwei Vorgaben: das Kapital zu streuen und die Kosten niedrig zu halten.
Eine weitere Tugend der Fonds: Sie agieren langfristig. Ein hektischer Ein- und Ausstieg kommt bei ihnen - auch wegen ihrer Größe - nicht in Betracht. Private Anleger tun gut daran, diesem Beispiel zu folgen. Meist zahlt sich beständiges Investieren stärker aus als häufiges Handeln. In diesen Bereich fällt auch das Thema antizyklische Geldanlage. Nicht die heißen Titel stehen oft auf den Kauflisten der Fonds, sondern die preiswerten. So nutzten einige mitten im Corona-Crash die Gelegenheit, Aktien zu attraktiven Kursen zu kaufen. Klug war, wer es ihnen gleichtat.
INVESTOR-INFO
Deutsche Wohnen
Berliner Beton
Immobilien und Immobilienkonzerne sind ein wichtiges Standbein von Norwegens Staatsfonds. Bei der Deutsche Wohnen hat er sich einen hohen Anteil von neun Prozent der Aktien gesichert. Der DAX-Konzern hat ein Portfolio aus mehr als 165.000 Immobilien, vor allem Wohnungen. Über 70 Prozent liegen in Berlin, also an einem lukrativen Standort. Mit der Aktie setzen Anleger auf Wertsteigerungen des Portfolios. Nebenbei wirft der Titel eine ordentliche Dividendenrendite ab.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 47,00 Euro
Stoppkurs: 32,00 Euro
Covestro
Zyklische Beimischung
Knapp fünf Prozent besitzt Norwegens Staatsfonds am Kunststoffhersteller Covestro. Anders als Immobilien ist die Chemie ein zyklisches Geschäft, also stark abhängig vom gesamtwirtschaftlichen Umfeld. Zu den wichtigsten Kunden zählt die Automobilindustrie. Für das laufende Geschäftsjahr stellt das DAX-Mitglied Ergebnisse über dem Niveau von 2019 in Aussicht. Covestro hat selbst in der Corona-Krise Dividende gezahlt, was auch Großinvestoren zu schätzen wissen.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 70,00 Euro
Stoppkurs: 44,00 Euro
Smurfit Kappa
Gut verpackt
Das Unternehmen aus der irischen Hauptstadt Dublin ist einer der führenden Anbieter von Verpackungen aus Wellpappe. Die Nachfrage steigt durch den wachsenden Internethandel oder den Trend, Plastikverpackungen umweltschonend zu ersetzen. Der norwegische Staatsfonds hielt zuletzt sieben Prozent der Aktien, also einen hohen Anteil. Die Dividendenrendite von Smurfit Kappa liegt bei rund drei Prozent. Die Aktie ist moderat bewertet. Die Kursziele der Analysten reichen bis 50 Euro.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 48,00 Euro
Stoppkurs: 31,00 Euro