Apps sind bei der Pflichtaufgabe des Fiskus die Alternative zu PC-Programmen. Was die Anwendungen alles bieten. Von Stefan Rullkötter
Peter Thiel ist ein Mann für die ganz großen Deals. Der umstrittene US- Starinvestor und Trump-Freund, der mit seinen vorbörslichen Beteiligungen am Social-Media-Konzern Facebook und am Online-Zahlungsdienstleister Paypal zum Milliardär wurde, ist nun teilweise zu seinen deutschen Wurzeln zurückgekehrt.
Über die Wagniskapitalfirma Valar Ventures investierte der gebürtige Frankfurter vor einem Jahr 27 Millionen Euro in das eher unbekannte Berliner Start-up Taxfix. Dessen Geschäftsmodell ist simpel: Smartphone-Besitzern via App bei der Steuererklärung helfen und im Erfolgsfall, also bei einer Steuererstattung, Gebühren für diese Dienstleistung kassieren.
Die Zielgruppe für dieses Angebot ist groß: Die meisten der 45 Millionen Berufstätigen und fünf Millionen steuerpflichtigen Ruheständler in Deutschland besitzen mobile Endgeräte. Bisher werden hierzulande aber nur rund vier Millionen kommerzielle Steuerprogramme jährlich verkauft - vor allem klassische PC-Produkte als CD und zum Download.
Thiel, der bei Investments in Deutschland fast nur auf Fintechs setzt, etwa die Smartphone-Bank N26, denkt über den nationalen Tellerrand hinaus: So soll Taxfix künftig als "die" App für Steuererklärungen nach Italien und sogar in die USA expandieren. Dass damit eine riesige Sammelstelle privater Daten etabliert wird, dürfte ihm schmecken.
Tatsächlich waren die seit 2017 auf den deutschen Markt gekommenen Steuer-Apps zunächst keine ernsthafte Konkurrenz für etablierte Anbieter von Steuersoftware. "Diese Anwendungen konnten nur äußerst einfach liegende Steuerfälle zufriedenstellend bearbeiten", erinnert sich Forium-Geschäftsführer Felix Bodeewes. Die von ihm gegründete Firma war einst mit der Marke "Lohnsteuer kompakt" in Deutschland der Pionier für reine Online-Steuererklärungen am PC.
Für Anleger und Selbstständige waren die ersten App-Angebote noch gänzlich ungeeignet, weil ihnen die inhaltliche Tiefe fehlte und Steuersparmöglichkeiten nicht mit der notwendigen Präzision ausgeschöpft wurden. Zudem war es in der Vergangenheit für viele Nutzer noch unvorstellbar, komplexe Steuererklärungen auf einem mobilen Endgerät zu erstellen.
Auf Datensicherheit der Apps achten
Wer seine Steuererklärung dennoch mit einer App erledigt, sollte vor dem Absenden ans Finanzamt jedenfalls genau hinsehen: Für alle fehlerhaft übermittelten Angaben haftet hier regelmäßig der App-Nutzer - und nicht der Anbieter. Zudem sollten sich App-Nutzer vergewissern, dass die Anwendungen ihre Daten, wie bei klassischer Steuersoftware üblich, verschlüsselt übertragen und die Apps nur über einen deutschen Server (und nicht über das Ausland) betrieben werden.
Auf das allgegenwärtige Smartphone und entsprechende App-Angebote reagieren inzwischen auch die etablierten Anbieter: Buhl Data, Marktführer für private Steuersoftware, wird bald mit "WISO steuer: Phone" die Funktionalitäten des "Steuer-Sparbuchs" als App auf mobilen Endgeräten vollumfänglich verfügbar machen. "Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck an der App und schätzen, dass die Veröffentlichung zur Jahresmitte erfolgt", sagt Geschäftsführer Peter Schmitz. "Bei den Tablet-Angeboten haben wir mir der ‚WISO steuer:App 2020‘ bereits ein bei Nutzern beliebtes Angebot eingeführt."
Etablierte Softwareanbieter reagieren
Konkurrent Haufe Lexware setzt dagegen auf eine strikte Trennung von PC- Programmen und Steuer-Apps. Die traditionellen Produktreihen "Taxman" und "Quicksteuer" werden nur als CD und zum Herunterladen aus dem Netz angeboten. "Unsere Steuer-Apps werden auch künftig unter der Marke Smartsteuer gebündelt bleiben", erklärt Stefan Heine, Leiter Redaktion und Legal bei Smartsteuer.
Dagegen wird Forium die "Lohnsteuer kompakt"-Reihe in sein App-Angebot integrieren. "Wir wollen den Markt für Steuer- Apps nicht ausschließlich Start-up-Firmen überlassen und werden ab Juli unser Steuerprogramm vollumfänglich als Anwendung auf dem Smartphone verfügbar machen", verspricht Chef Bodeewes.
Zudem steigt die DATEV, Marktführerin für Steuerberater-Software, mit einem App-Angebot für Steuererklärungen von Privatpersonen neu in den Markt ein. Es ist also viel Bewegung in der Branche - und das nicht nur wegen der Aktivitäten von Starinvestor Peter Thiel.
Trend zur früheren Steuererklärung
Ob Steuer-App oder PC-Programm: Alle Softwareanbieter profitieren davon, dass zahlreiche Berufstätige wegen der Corona-Krise seit rund einem Monat im Homeoffice sind. Nachdem die häuslichen Arbeiten weitgehend erledigt sind, nehmen sich offenbar viele Bürger Zeit für eine frühe Erledigung ihrer Steuererklärung, nicht zuletzt weil sie die zu erwartende Erstattung, im Schnitt 1000 Euro pro Bescheid, gut gebrauchen können.
"Seit Ende März verzeichnen wir einen spürbaren Anstieg der Nutzung unserer Anwendungen - und das auf breiter Front", sagt Buhl-Mann Schmitz. "Und auch bei Services wie der digitalen Abgabe der Steuererklärung sehen wir derzeit neue Höchstwerte, die absolut sogar über den Werten liegen, die wir in der Vergangenheit bis zu den gesetzlichen Abgabestichtagen erreicht haben."
Wer seine Einkommensteuererklärung 2019 ohne Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein erstellt, muss die ausgefüllten Formulare weiterhin bis zum 31. Juli bei seinem Wohnsitzfinanzamt einreichen. Kann dieser Termin infolge der Corona-Epidemie nicht eingehalten werden, dürfte es aber Chancen auf eine unbürokratische Fristverlängerung geben.
Vorausgefüllte Steuererklärung nutzen
Steuerzahler, die ihre Erklärung elektronisch, also per App oder PC-Programm, erstellen, müssen weiterhin grundsätzlich alle notwendigen Angaben einpflegen. Bei Apps vollzieht sich dieses Prozedere meistens in Interview- und Chat-Formaten.
Sie können ihre bei der Finanzverwaltung bereits vorhanden Daten aber online im Rahmen der vorausgefüllten Steuer- erklärung (kurz: VaST) abrufen und direkt in ihre Deklaration übernehmen.
Dazu gehören sämtliche durch Arbeitgeber, Rentenversicherungsträger und private Versicherer elektronisch an die Finanzämter übermittelten Daten. Im Einzelnen sind das die Angaben aus der Lohnsteuerbescheinigung, Rentenleistungen, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung und Vorsorgeaufwendungen zu Riester- und Rürup-Verträgen. Auch Lohn- ersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Elterngeld und Beiträge zur Vermögensbildung (VL-Verträge) können abgerufen und automatisch in die Steuererklärung eingeladen werden.
Diese Daten müssen jeweils bis Ende Februar des Folgejahres von Dritten übermittelt werden und stehen den Steuerpflichtigen seit Ende März zur Verfügung. Steuersoftware-Nutzer müssen abschließend nur noch bestätigen, dass alle vorhandenen Angaben korrekt sind.
Die Bundesregierung plant, den Belegabruf im Rahmen der vorausgefüllten Steuererklärung sukzessive zu erweitern. Künftig sollen Kirchensteuerzahlungen und -erstattungen, Zinsen auf erhaltene Steuererstattungen, freigestellte Kapitalerträge und der Grad einer Behinderung automatisch in die Erklärung einladbar sein. Somit könnten viele Steuerpflichtige in absehbarer Zukunft die jährliche fiskalische Pflichtaufgabe mit deutlich weniger Zeitaufwand erledigen.
Mit dem kostenlosen Elster-Zertifikat, das jeweils drei Jahre gültig ist, steht Nutzern der elektronischen Steuererklä- rung auch der sogenannte e-Daten-Abruf zur Verfügung. Die Berechtigung dazu findet man in seinem Elster-Konto unter dem Menüpunkt "Formulare & Leistungen" und klickt dann auf "Belegabruf (vorausgefüllte Steuererklärung)". Anschließend wählt man "Abrufcode beantragen".
Die Möglichkeit der Übernahme von Daten aus dem Vorjahr ist ein weiterer Vorteil der vorausgefüllten Steuererklärung. So können sich Nutzer beispielsweise das lästige Abtippen oder Ein- pflegen ihrer Stammdaten sparen.
Vollständiger Verzicht auf Belege
Auch für Nutzer von Steuer-Apps gilt: Grundsätzlich müssen mit der Steuer- erklärung keine Belege mehr eingereicht werden. Eine Vorlage ist nur noch auf ausdrückliche Anforderung des Finanzamts erforderlich. Dies erfolgt stichprobenartig und bei Abweichung der Angaben von Erfahrungswerten. Die ausgefüllte Steuererklärung wird abschließend auf elektronischem Weg und auf Basis der vorherigen Registrierung authentifiziert und direkt an das Finanzamt gesendet - ganz ohne Ausdruck auf Papier und ohne Unterschrift.
So fortschrittlich eine Steuererklärung mit dem Smartphone erscheint, ein wirtschaftlicher Selbstläufer sind Steuer-Apps für die Anbieter nicht: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der sich derzeit in der Corona-Krise als Macher präsentiert, investierte einst als "Business-Angel" 15 000 Euro in das Steuer-Start-up Taxbutler. Die Kunden mussten lediglich Handyfotos ihrer Belege und ihrer Lohnsteuerbescheinigung senden - den Rest sollte die Anwendung übernehmen. Aufgrund eines Interessenkonflikts mit seinem damaligen Amt als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium gab der CDU- Politiker seine Anteile 2017 wieder ab. Nur ein Jahr später meldete die Firma Insolvenz an.
Steuer-Apps
Seit drei Jahren machen SteuerApps für Mobilgeräte bewährten CD-, Download- und Online-Steuerprogrammen für PCs Konkurrenz. Während zunächst nur Start-ups in dieses Segment einstiegen, ziehen mittlerweile die etablierten Anbieter von Steuersoftware nach: hier die acht gängigsten Anwendungen im BÖRSE ONLINE-Check.
ILOVETAX
Design, Sprache und Stil der App sind der "Lebenswelt junger Nutzer" angepasst, die "digital, einfach und schnell" an die Steuererklärungen herangeführt werden sollen. Die Anwendung wurde von einem "Inhouse-Start-up" des Marktführers Buhl Data entwickelt. Wer mit der App seine Steuererklärung für 2019 abgibt, zahlt 14,99 Euro.
KLARTAX
Zielgruppe sind Berufseinsteiger ohne Erfahrung mit Steuererklärungen. Die DATEV-App ist beschränkt auf Grundfunktionen, mit denen Nutzer schnell und unkompliziert zur Steuererstattung gelangen sollen. Belegerfassung, Expertenvermittlung und Steuerprognose sind gratis, die Übertragung der Daten ans Finanzamt kostet 19,99 Euro.
Lohnsteuer kompakt
Der Pionier für Online-Steuererklärungen in Deutschland bietet sein
Internetprogramm ab Juli auch als App an. Dann soll auch für komplexe Sachverhalte die komfortable und effiziente Erstellung von Einkommensteuererklärungen via Smartphone möglich sein. Bei Bedarf kann zur PC-Onlineerklärung gewechselt werden. Einheitspreis: 29,95 Euro.
SMARTSTEUER
Die Software der Onlinemarke des Anbieters Haufe Lexware ("Taxman", "Quick steuer") ist jetzt auch als App verfügbar. "Smartsteuer express" ist vor allem für einfache Steuerfälle geeignet. Die Interviewgestaltung ist nach der Auswertung von Hundertausenden Fällen konsequent an möglichen Fehlerquellen ausgerichtet. Preis: 24,99 Euro.
STEUERBOT
Das im Jahr 2017 gegründete Startup gehört mittlerweile ebenfalls zur
Haufe Group, entwickelt die App aber eigenständig weiter. Zielgruppe waren ursprünglich Berufsanfänger und Studenten. Inzwischen wird in Form eines Chat-Dialogs auch Ruheständlern bei der Steuererklärung geholfen, nicht jedoch Selbstständigen. Die App ist gratis.
TAXFIX
Nutzer müssen zunächst via Smartphone rund 70 Fragen beantworten. Daraus errechnet die App, wie hoch die Steuerrückzahlung ausfällt. Nur bei Erstattungen von mehr als 50 Euro werden Gebühren fällig. Stimmt der Anwender nach der Dateneingabe zu, geht die mobil erstellte Steuererkläung direkt ans Finanzamt. Preis: 35,00 Euro.
WISO steuer:PHONE
Anbieter Buhl Data wird, voraussichtlich zur Jahresmitte, mit WISO
steuer:Phone das Programm als App auf Smartphones vollumfänglich verfügbar machen. Anwender können dann während der Bearbeitung der Steuererklärung von der App flexibel zum PC- und Onlineprogramm wechseln. Einheitspreis für alles: 29,95 Euro.
WUNDERTAX
Das Berliner Start-up brachte Ende 2015 eine Steuerklärung für Studenten auf den Markt. Heute verspricht die Anwendung allen Nutzern, dass sie sich "in 15 Minuten ihre Steuererstattung" sichern. Wer mit dem Smartphone Daten einpflegt und an sein Wohnsitzfinanzamt sendet, zahlt für diese App-Dienstleistung 34,90 Euro.