Mittlerweile sind einige Wochen seit dem Brexit-Votum mit überraschendem Ausgang verstrichen. Nach ersten, unmittelbaren Krisenmeldungen hat sich die Lage an den internationalen Märkten wieder normalisiert. Die globalen Aktienmärkte konnten in den letzten Wochen sogar deutlich zulegen. Die Konjunkturdaten lassen insgesamt zwar keine Euphorie aufkommen, sie sind aber zumindest solide. Vor allem die konjunkturelle Lage in den USA, wo die tatsächlichen Daten die Markt-erwartungen übertreffen, sorgt für Rückenwind. Die Indikatoren würden durchaus eine weitere Leitzinsanhebung der US-Notenbank Fed zulassen. Man hat das Gefühl, dass sie diese zumindest rhetorisch vorbereitet und bestrebt ist, vom Krisenszenario auf den Pfad der Normalität zu kommen.

Ob die nächste Anhebung bereits im September, erst im Dezember oder vielleicht sogar erst im nächsten Jahr erfolgt, ist zum derzeitigen Stand allerdings noch völlig offen. Doch nicht nur die USA sind ein wesentlicher Treiber für die globalen Aktienmärkte, auch das Wachstum in den Schwellenländern scheint sich zu stabilisieren. Und selbst in Europa lässt sich die - wenn auch langsame und durch das Brexit-Votum mit Sicherheit abgeschwächte - konjunkturelle Erholung nicht aufhalten. Großbritannien selbst steuert zwar auf eine technische Rezession zu, die Realwirtschaft wird aber nicht komplett einbrechen, weshalb die Wachstumsraten für die Gesamtjahre 2016 und 2017 insgesamt positiv bleiben. So wie sich die internationalen Märkte derzeit gestalten, ist zwar nicht von zweistelligen Gewinnen binnen kürzester Zeit auszugehen, vor allem in Richtung viertes Quartal sind aber durchaus Gewinnsteigerungen zu erwarten.

Wir können also feststellen, dass sich die globalen Aktienmärkte in Krisenzeiten rascher beruhigen als erwartet, während das extrem niedrige Zinsumfeld Anleihen sehr teuer macht und großteils negative Renditen bei Anleihen zu einem Verlustgeschäft führen. Tendenziell muss man als vermögende Privatperson oder Unternehmen zumindest zu einem gewissen Maße in Aktien investiert sein. Dabei ist es unabdingbar, sich nicht von den kurzen Beinen politischer Börsen irritieren zu lassen, sondern eine langfristige und wohlüberlegte Anlagestrategie zu verfolgen. Auch das notwendige Durchhaltevermögen stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar. Ein Blick in die langfristige Bilanz des MSCI Europe zeigt: Trotz zwischenzeitlicher Rückgänge im Jahresverlauf von durchschnittlich 16 Prozent waren die Gesamtjahres-erträge in 28 von 36 Jahren positiv. Denn auch wenn Abstimmungen, Wahlen oder andere politische Begebenheiten immer wieder teils heftige Reaktionen an den Finanzmärkten hervorrufen, so ist die Dauer dieser Krisen meist überschaubar. Zu frühes Aufgeben lohnt sich also nicht.

Während vorübergehenden Krisen manchmal mehr Bedeutung beigemessen wird, als sie für Anleger eigentlich haben sollten, ist es die richtige Anlagestrategie, die für eine langfristige, nachhaltig erfolgreiche Geldanlage wirklich entscheidend ist. Es geht darum, die definierten Ziele stets im Kopf zu behalten und zu verfolgen. Gibt es einen langfristigen, wohldurchdachten Plan für die erfolgreiche Geldanlage, sollte man an diesem festhalten und ihn nicht gleich beim ersten Gegenwind an den Börsen über Bord werfen.

Wenn es darum geht, wie man richtig anlegt, empfehlen wir, das Pferd nicht von hinten aufzuzäumen. Es ist aus unserer Sicht also nicht ratsam, sich gleich zu Beginn mit der Titelselektion zu beschäftigen. Vielmehr sprechen wir uns dafür aus, gemäß einer Top-down-Orientierung strategische Überlegungen in den Vordergrund zu stellen und aufgrund dieser dann Titel auszuwählen, die zur gewählten Anlagestrategie passen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist bei der Geldanlage natürlich - gerade in Zeiten hoher Volatilität -, auf Diversifikation zu setzen.

Hermann Wonnebauer



Der Direktor des Private Banking und Vorstandsmitglied der Zürcher Kantonalbank Österreich (ZKBÖ) war zuvor unter anderem im Bankhaus Berger & Comp. und bei Vontobel Österreich als Leiter Private Banking tätig. Zudem baute er die Filiale Salzburg der Bank Sal. Oppenheim Österreich auf. Die ZKBÖ ist auf die Betreuung vermögender Privatkunden und -stiftungen in Österreich und Deutschland spezialisiert.