Doch Arbeitszeiten in dieser Größenordnung sind selbst während der so genannten "Crunch-Time", also den kräftezehrenden Wochen am Ende der Entwicklungszeit, verpönt. Im Netz hagelte es entsprechend Kritik. Die Aufregung war so groß, dass Houser kurz nach Erscheinen des renommierten Magazins zurückruderte. Seine Aussage, ließ Houser via Mail an die bekannte Spieleseite Kotaku wissen, habe sich ausschließlich auf das Führungsquartett bezogen, das den Plot entwickelt habe. Es sei um insgesamt drei Wochen Detail-Arbeit gegangen. Und selbstverständlich erwarte man derlei Arbeitszeiten von "niemandem sonst", versicherte Houser.
Weltweiter Hype
Aber was im Web für kollektive Empörung sorgte, dürfte den ohnehin grassierenden Hype um das neueste Spiel der Take2-Tochter nur noch weiter anheizen. Als Rockstar Games Anfang August auf Twitter den ersten offiziellen Gameplay-Trailer zu Red Dead Redemption 2 (RDR2) ankündigte, waren die Zugriffszahlen so hoch, dass die Take2-Aktie am selben Tag um 2,3 Prozent zulegte.
Doch bei Gamern genießt Rockstar eben Kultstatus. Das liegt vor allem an Grand Theft Auto (GTA). Weltweit wurde alleine die 2013 veröffentlichte Version GTA V knapp 100 Millionen Mal verkauft. Schätzungen zufolge hat das Epos um den Straßengauner Franklin, den Psychopathen Trevor und Ex-Gangster Michael inzwischen bereits sechs Milliarden Dollar eingespielt. Zum Vergleich: Der bislang umsatz-trächtigste Hollywood-Streifen Avatar hat es an den Kinokassen mit 2,8 Milliarden Dollar kaum auf die Hälfte gebracht.
Zwar erwartet kaum ein Beobachter ernsthaft, dass Red Dead Redemption 2 wirtschaftlich in GTA-Sphären vorstoßen könnte. Aber zumindest technisch will Rockstar Games mit RDR2 neue Maßstäbe setzen.
Der Aufwand dafür ist enorm. Ganze sieben Jahre hat sich das Studio für die Entwicklung des Spiels Zeit genommen. In dem Western-Epos kämpfen sich Gamer im Jahr 1899 mit dem Outlaw Arthur Morgan und der Van-der-Linde-Gang durch eine riesige Spielewelt aus endlosen Steppen, eiskalten Blizzards und verstaubten Saloons. Alleine das Skript für die Hauptgeschichte um den von Loyalitätskonflikten zerrissenen Arthur Morgan umfasst 2000 Seiten.
Damit die Cowboys in den kino-artigen Sequenzen möglichst realistisch aussehen, hat Rockstar echte Schauspielern in spezielle Anzügen gesteckt und so Filmmaterial mit einer Gesamtlänge von insgesamt 2200 Tagen aufgenommen und anschließend digitalisiert. Während der Produktion habe man rund 1200 Schauspieler verpflichtet, 700 davon mit Sprachsequenzen, verriet Houser, der das Studio gemeinsam mit seinem Bruder Sam führt, dem "New Yorker". "Damit waren wir mit Abstand der größte Arbeitgeber für Schauspieler in ganz New York."
Kein Wunder, dass das neueste Projekt der detailversessenen Houser-Brüder in der Branche seit Monaten für Aufregung sorgt. In der Fachpresse kennt die Euphorie kaum noch Grenzen. Seit Wochen überbieten sich die Kritiker mit Elogen auf den Edel-Western. RDR2 sei "ein fantastisches Western-Abenteuer, detailverliebt und wunderschön", urteilte etwa das Fachmagazin PC Games nach einer ersten Testrunde. RDR2 werde für die nächsten Jahre die "Messlatte für die gesamte Branche" sein, schrieb die populäre US-Webseite IGN unlängst. Und "Computer Bild Spiele" traut RDR2 zu, das Genre der Open-World-Spiele "zu revolutionieren".
Steigende Kursziele
Auch Analysten geraten im Vorfeld des RDR2-Launchs am 26. Oktober ins Schwärmen - und heben ihre Prognosen fleißig an. Erst Mitte Mai stockte etwa Michael Pachter von Wedbush sein Kursziel für Take 2 von 126 auf 132 Dollar auf. Im August besserte Pachter noch mal kräftig nach - auf inzwischen 150 Dollar.
Dank Rockstar Games habe Take2 mittelfristig das Zeug zu einem "dramatischen Umsatz-Wachstum", schrieb der Branchen-Altmeister in einer aktuellen Studie. Alleine bis 2020 dürften die Konzern-Erlöse um gut die Hälfte steigen. Beim Netto-Ergebnis soll es fast genauso schnell nach oben gehen (siehe Grafik).
Red Dead Redemption soll dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. Bis Ende Dezember dürfte RDR2 weltweit rund zwölf Millionen Mal verkauft werden und so rund 570 Millionen Dollar einspielen, erklärte Pachter gegenüber BÖRSE ONLINE. Damit wäre die Geschichte um Arthur Morgan im aktuellen Weihnachtsgeschäft klar die Nummer 2 hinter dem erwarteten Branchenführer "Call of Duty: Black Ops 4" mit 22 Millionen Einheiten.
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Einschätzung der Redaktion
Mit dem Western-Epos Red Dead Redemption bringt Take2 Interactive Ende Oktober das wohl meist erwartete Videospiele des Jahres an den Start. Alleine bis Ende Dezember könnte die Saga um die von Kopfgeldjägern erbarmungslos gehetzte Van-der-Linde-Gang und ihren Helden Arthur Morgan locker über eine halbe Milliarde Dollar einspielen. Und das dürfte erst der Anfang sein.
Denn in der Branche genießt Rockstar Games Kultstatus. Alleine GTA V hat sich seit dem Start 2013 weltweit über 100 Millionen Einheiten verkauft. Nun fiebert die GTA-Fangemeinde gemeinsam mit Abermillionen weiterer Spielefans RDR2 entgegen.
Klar ist schon jetzt: RDR2 wird wohl keine Eintagsfliege. Denn einen Großteil ihres Geschäfts macht die Branche inzwischen mit Add-ons oder In-Game-Verkäufen wie gefährlicheren Waffen, besserer Panzerung und cooler Looks. Bereits im November soll die Beta des Online-Modus von RDR2 starten. Kurz danach dürfte auch dieses Geschäft für schöne Zusatz-Erlöse sorgen - zusätzlich zum Verkauf des Spiels.
Zwar liegt die Bewertung der Take2-Aktie mit einem 2019er KGV von 29,2 derzeit über dem Branchenschnitt von 25. Aber die Aussicht auf den nächsten Blockbuster rechtfertigt den Aufschlag allemal. Wir trauen Take2 zu, mit RDR2 auch die zuversichtlichsten Analysten-Prognosen zu übertreffen. Anleger sollten sich also ruhig auf die Lauer legen. Mit RDR2 könnte Rockstar Games ein Stück Videospiele-Geschichte schreiben und Gamer, Analysten und Anleger überraschen.
Kaufen.
Kursziel: 150 Dollar
Stopp: 118 Dollar