Nach fünf Tagen mit Kursverlusten in Folge haben sich einige Anleger am Mittwoch in die europäischen Aktienmärkte zurückgetraut. Der Dax legte um 1,2 Prozent auf 9634 Punkte zu. Der EuroStoxx50 gewann 1,7 Prozent auf 2844 Zähler.

"Offenbar sind Anleger der Ansicht, dass der von den Brexit-Sorgen ausgelöste Ausverkauf überzogen war", sagte Oliver Shane, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters AMP Capital. "Es ist aber noch zu früh, um Entwarnung zu geben. Die Verunsicherung wird uns noch mindestens eine Woche erhalten bleiben." Am 23. Juni stimmen die Briten über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU ab. Sollten sie sich für den Brexit entscheiden, erwarten Experten ein weltweites Börsenbeben und eine Abkühlung der Weltwirtschaft.

Zu den Favoriten der Anleger zählten die Finanzwerte. Sieben der zehn größten Gewinner im EuroStoxx50 gehörten zu diesem Sektor. Investoren steckten ihr Geld derzeit vor allem in diejenigen Papiere, die zuletzt unter die Räder gekommen seien, sagte Manoj Ladwa, Chef-Händler des Brokerhauses TJM. "Da aber das Referendum näher und näher rückt, wird die Erholung nur von kurzer Dauer sein." Deutsche Bank gewannen 3,3 Prozent und Commerzbank 2,3 Prozent. In den vergangenen Tagen hatten sie wegen der Furcht der Anleger vor den Folgen eines Brexit jeweils 14 Prozent und damit doppelt so viel wie der Gesamtmarkt verloren.

PFUND UND EURO FESTER - ANLEIHEN BLEIBEN ANGESCHLAGEN



Auch am Devisenmarkt war Erholung angesagt: Das Pfund Sterling verteuerte sich um einen knappen Dreiviertel US-Cent auf 1,4188 Dollar. Der Euro kostete 1,1220 Dollar. Bei den Anleihen war die Nervosität der Anleger dagegen weiter spürbar. Zwar kehrte die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, die am Vortag wegen des Runs auf sichere Anlagen erstmals unter die Null-Prozent-Marke gerutscht war, ins Plus zurück. Der Risikoaufschlag für vergleichbare irische Papiere kletterte dennoch auf den höchsten Stand seit fast einem Jahr. "Irland ist das Euro-Land, dessen Wirtschaft von einem Brexit am stärksten in Mitleidenschaft gezogen würde", schrieb Volkswirt Jack Allen vom Research-Haus Capital Economics in einem Kommentar.

VERSCHIEBUNG DER US-ZINSERHÖHUNG ERWARTET



Die Volksabstimmung in Großbritannien überschattete auch die Beratungen der US-Notenbank zur Zinspolitik. Eine Anhebung des Schlüsselsatzes gilt als ausgeschlossen. Nach Einschätzung der Analysten der Essener National-Bank sind auch Hinweise auf den Zeitpunkt für einen solchen Schritt kaum zu erwarten. "Ein klares Bekenntnis zum September wird es nicht geben." Investoren sehen die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung in diesem Monat bei 35 Prozent.

Viel wichtiger sei, dass Fed-Chefin Janet Yellen in ihren begleitenden Äußerungen beschwichtigende Worte für Investoren finde, betonte Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London - sonst müsse mit erneuten Verkäufen gerechnet werden. Commerzbank-Analystin erwartete kaum Aussagen zum Thema Brexit. "Yellen würde Gefahr laufen, die Unsicherheit an den Märkten zusätzlich zu schüren." Die Fed gibt ihren Zinsentscheid um 20 Uhr MESZ bekannt.

Reuters