von Bettina Deuscher, Senior Analyst Telecoms & Media bei der LBBWt

Für die TK-Netzbetreiber werden die Investitionen in den Netzausbau in den nächsten Jahren auf hohem Niveau bleiben. Hintergrund hierfür sind die rasanten Verhaltensänderungen der Konsumenten und damit wachsende Ansprüche an die TK-Netzqualität, welche sich noch mehr zu einem bedeutenden Erfolgsfaktor und Differenzierungsmerkmal in einem (preis-) wettbewerbsintensiven europäischen TK-Markt entwickeln sollte. Die Zahlen der Unternehmen zum abgelaufenen Geschäftsjahr belegen den Trend wachsender Nachfrage mobiler Daten, was die anhaltend erodierte Festnetz-Sprachtelefonie zunehmend kompensieren hilft. Hinzu kommt der Wachstumsmarkt Internet-of-Things (IoT). Perspektivisch sorgen neue Services und Anwendungen für eine wachsende Vernetzung unterschiedlichster Endgeräte, wie Kühlschränke, Maschinen oder Fahrzeuge. Das gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Potenzial ist unter den Aspekten einer wachsenden Vernetzung verschiedener (mobiler) Endgeräte wie Maschinen (Machine-to-Machine, M2M), Autos (Connected Cars) Wearables (u.a. eHealth) wohl unbestritten. Allerdings hängt der massentaugliche Durchbruch für IoT von hohen Herausforderungen ab. Laut GSMA werden die Produktivitätszuwächse von Volkswirtschaften aufgrund möglicher Effizienzsteigerungen auf mehrere Billionen USD geschätzt. Derzeit zählt GSMA bereits ca. 7 Mrd. Endgeräte, welche mit Zugang zum Internet ausgestattet und im Umlauf sind. Die Prognosen für den IoT-Markt umfassen in den nächsten zehn Jahren einen rasanten Anstieg auf etwa 500 Mrd. Endgeräte weltweit. Dabei gelten aufgrund ihrer hohen Nutzen vor allem die Bereiche Gesundheit, Bildung, Sicherheit (weniger Autounfälle), Industrie 4.0 und Ressourcen /-Energie-Management (intelligente Versorgungsnetz-Steuerung) als Hauptfelder, welche von der wachsenden Internet-Verbundenheit (Connectivity) profitieren werden. Allerdings ist trotz der zahlreichen Chancen von IoT hervorzuheben, dass die Realisierung weiterer Digitalisierungsschritte von der Bewältigung zwei zentraler Herausforderungen abhängt. Erstens setzt die Vernetzung von sämtlichen Endgeräten hohe Ansprüche an intelligente Software (u.a. umfassen "real-time" Anwendungen Millionen variabler Endpunkte aus der Datenübertragung). Zweitens hängen sämtliche IoT-Geschäftsmodelle von (hoch) leistungsfähigen TK-Netzen ab.

Für die TK-Netzbetreiber bedeutet das (Milliarden-) Investitionen in den Netzausbau in den nächsten Jahren. Dabei sollte sich die Konvergenz von Mobilfunk und Festnetz weiter fortsetzen. Investitionsfelder betreffen im Festnetz Vectoring und den Austausch des Kupferkabels durch Glasfaser. Im Mobilfunk ist mobiles Breitband 4G / LTE zu nennen (ca. 150 Mbit/s, LTE Advanced 300 Mbit/s). Auf dem Mobile World Congress (MWC) gaben die Unternehmen einen guten Einblick in die Entwicklung des neuen Standards 5G, der voraussichtlich 2020 eingeführt wird und welcher signifikant höhere Bandbreiten mit ca. 10 GBit/s ermöglicht. Beispielsweise zeigten erste (fahrerlose) Connected Cars-Piloten, dass Internet-verbundene Autos etwa ein Gigabyte an Daten pro Sekunde erzeugen.

Aber auch die Verfügbarkeit von Mobilfunkspektrum ist und bleibt einer der wichtigsten Treiber für die mobilen Netze der Zukunft. In Europa ist die Sondersituation der aktuell bevorstehenden Mobilfunkspektrum-Auktionen in diesem und nächsten Jahr für die 700 MHz-Frequenzen hervorzuheben. Um den mobilen Netzausbau voranzubringen sollen bisher von den Rundfunkanstalten und überwiegend für TV-Übertragung genutzte Bandbreiten künftig für mobile Breitbanddienste zur Verfügung gestellt werden. In Deutschland startet die Spektrumauktion in diesem Quartal (die Bewerbungsfrist endete gerade), womit auf die Bieter weitere Kosten zukommen.

Für die TK-Netzbetreiber bietet die Gesamtsituation jedoch auch Chancen auf Cashflow-Wachstum. Nicht nur der mobile Datenverkehr boomt ungebrochen und der Anteil von Daten gegenüber (rückläufiger) Sprachübertragung wächst kontinuierlich an. Zudem dürfte die rege Datennachfrage sukzessiven Preissteigerungen für neue (Bündel-) Produkte aus Festnetz/Breitband, TV und Mobilfunk ermöglichen. Zudem eröffnen neue IT-Lösungen den integrierten TK-Netzbetreibern weitere Erlösquellen. Zukunftsszenarien demonstrierten auf dem wichtigen Branchenkongress MWC vergangenen Monat u. a. AT&T und SK Telecom mit IoT-Vernetzungslösungen in der Müllentsorgungswirtschaft und der intelligenten Vernetzung von Landwirtschaftsbetrieben.

Auf Seite 2: Fazit



Dies alles sollte unseres Erachtens dazu beitragen, dass sich die bislang rückläufigen Branchenumsätze auf Jahressicht stabilisieren. Ab 2016 erscheint uns vor diesem Hintergrund die Rückkehr zu Umsatzwachstum möglich. Zusammengefasst ist unseres Erachtens für die fundamentale Gesamtsituation der TK-Netzbetreiber auf Jahressicht mit stabilen Credit-Ratings zu rechnen. Die positiven Erlösperspektiven sollten von Kostensenkungsmaßnahmen und Einsparungen durch Kooperationen flankiert werden. Hinzu kommen unternehmensspezifische Sondererlöse aus strategischen Asset-Verkäufen, welche (zumindest in Teilen ) für die Finanzierung der Netzinvestitionen mit eingesetzt werden können. Als bedeutende M&A-Deals sind momentan die beiden geplanten Mobilfunk-Transaktionen in Großbritannien zu nennen. Dort ist zum einen der Verkauf von Everything Everywhere (50/50 JV der Deutschen Telekom und Orange) an die BT Group geplant (Volumen ca. 12,5 Mrd. GBP). Ebenso entschloss sich Telefonica zum strategischen Rückzug aus dem UK-Markt mit dem beabsichtigten Verkauf ihrer Mobilfunktochter O2 UK an Hutchison Whampoa (9,25 Mrd. GBP, evtl. weitere 1 Mrd. GBP bei Erfüllung bestimmter Cash Flow-Ziele). Für beide Transaktionen fehlen noch die aufsichtsrechtlichen Genehmigungen. Aufgrund der führenden Marktpositionen der betroffenen Unternehmen ist unseres Erachtens mit einer vertieften EU-Prüfung zu rechnen, was mehrere Monate beanspruchen sollte. Dies zeigten die ebenfalls langen Prüfungsfristen vergleichbarer Mobilfunkdeals in Österreich, Deutschland und Irland in den letzten 24 Monaten.

Zudem ist erkennbar, dass sich die Mehrzahl der Netzbetreiber zu lediglich moderaten Anhebungen ihrer Dividenden in Anbetracht der hohen Netzinvestitionserfordernisse entschließt. Aus Bondholder-Sicht entsteht unseres Erachtens somit momentan aus den Aktionärszuwendungen kein nennenswertes weiteres Ratingrisiko. Gleichwohl bieten die Sektorspreads momentan einen gewissen Spreadaufschlag gegenüber dem Gesamtmarkt, was der noch ausstehenden Rückkehr zum Wachstumspfad geschuldet sein dürfte."

Reuters