Twitter steht mit dem Rücken zur Wand: Erstmals seit dem Börsengang 2013 ist die Zahl der Nutzer zurückgegangen. Im Schlussquartal 2015 waren monatlich 305 Millionen Menschen bei dem Kurznachrichtendienst aktiv - zwei Millionen weniger als im Sommer. Damit reiht sich Twitter in die Riege schwächelnder Technologie-Konzerne wie Yahoo und LinkedIn ein, bei denen unklar ist, ob und wann sie die Trendwende schaffen. Auf der anderen Seite werden Google und Facebook immer dominanter.

Der fürs operative Geschäft zuständige Manager Omid Kordestani bat in der Nacht zu Donnerstag, Geduld mit Twitter zu haben: "Unsere Arbeit benötigt ihre Zeit." Seit Oktober hat Gründer Jack Dorsey das Zepter wieder dauerhaft in der Hand. Er hat angekündigt, Nutzer stärker binden zu wollen. Werbekunden sollen zudem gegenüber anderen Usern bevorzugt behandelt werden. Analysten sind jedoch skeptisch, ob diese Veränderungen dazu beitragen können, neue Nutzer anzulocken.

Der Geschäftsverlauf sei zuletzt enttäuschend gewesen, sagte Analyst Randy Guisto von der Beratungsfirma Outsell. Das Problem von Twitter sei, dass die Firma aus dem Silicon Valley nicht auf die Wachstumsmärkte Indien und China setzen könne, weil sich dort bereits Apple, Google und Facebooks Messenger-Angebot WhatsApp breitgemacht hätten.

Viele stimmen nun schon den Abgesang auf Twitter an: Bei dem Kurznachrichtendienst verbreitet sich der Hashtag #RIPTwitter - Ruhe in Frieden Twitter - rasant. Dem Mediaanalyse-Spezialisten Zoomph zufolge wurde der Hashtag am Mittwoch fast 20 Mal in der Minute benutzt.

Ob es sich dabei um Schwarzmalerei handelt, werden die nächsten Quartale zeigen. Noch ist unklar, womit Twitter Geld verdienen könnte. Der Konzern häuft seit geraumer Zeit immer wieder Verluste an - wegen hoher Marketing- und Vertriebsausgaben sowie Kosten, um den Datenverkehr zu erhöhen. Im Weihnachtsquartal waren es 90,2 Millionen Dollar nach 125,4 Millionen im Vorjahreszeitraum.

Auf Seite 2: UMSTRITTENE DOPPELROLLE





UMSTRITTENE DOPPELROLLE



Twitter-Chef Dorsey hat derzeit eine Doppelrolle inne, die immer wieder Spekulationen wegen Überlastung und fehlender Fokussierung schürt. Der Milliardär steht auch dem von ihm gegründeten Online-Bezahldienst Square vor, der erst kürzlich sein Börsendebüt feierte. Gegenüber Analysten versicherte Dorsey nun, dass er beiden Aufgaben gerecht werden könne und seine Zeit gut aufteile.

Fortschritte konnte er zumindest bei den Werbeeinnahmen vorweisen, die um 48 Prozent anzogen. Dabei kamen vor allem Video-Angebote gut an. Zu Twitter gehören die Video-Streaming-App Periscope sowie das Videoportal Vine. Der Umsatz kletterte im vierten Quartal insgesamt um rund 48 Prozent auf 710,5 Millionen Dollar. Für Januar bis März rechnet Twitter allerdings nur mit Erlösen zwischen 595 und 610 Millionen Dollar und liegt damit deutlich unter den Schätzungen der Analysten.

Ähnlich wie Twitter ergeht es momentan Yahoo. Nach einem milliardenschweren Verlust streicht der einstige Vorreiter bei der Online-Suche und E-Mails rund 15 Prozent seiner Stellen. Das Karrierenetzwerk LinkedIn wiederum schockierte Anleger jüngst mit einem schwachen Ausblick auf das laufende Quartal. Vergangenen Freitag brach die Aktie deswegen um knapp 44 Prozent ein - das Unternehmen büßte fast elf Milliarden Dollar Marktwert ein.

Ein ähnliches Minus hat Twitter längst hinter sich: Das Papier hat in den vergangenen zwölf Monaten mehr als zwei Drittel seines Werts verloren und ist auf ein Rekordtief von 14,32 Dollar gefallen. Der Ausgabepreis beim Börsengang im Herbst 2013 lag bei 26 Dollar. Nachbörslich ging es in den USA am Mittwoch nochmal um 2,5 Prozent nach unten. Die in Frankfurt notierte Twitter-Aktie fiel am Donnerstag sogar um knapp zehn Prozent.

Reuters