Am Ende war der Druck der Wall Street zu groß: Twitter-Chef Dick Costolo räumt seinen Posten, nachdem der US-Kurznachrichtendienst zuletzt die Anleger herb enttäuschte. In seiner fast fünfjährigen Amtszeit war es ihm nicht gelungen, die Wachstumsraten konkurrierender Unternehmen zu erreichen. Andere Internet-Netzwerke wie Facebook, Instagram und Snapchat konnten ihre Kundenzahlen deutlich stärker steigern. Und auch im Werbegeschäft hinkte Twitter zuletzt hinterher. Wer dem Konzern künftig auf die Sprünge helfen soll, ist noch ungewiss. Den Chefsessel übernimmt übergangsweise Mitbegründer Jack Dorsey, der dort - vor Costolos Ägide - wie auch Kompagnon Evan Williams bereits früher einmal saß.

Dorsey, der parallel den Onlinebezahl-Anbieter Square leitet, sagte im Reuters-Interview, er denke nicht daran, dauerhaft Twitter-Chef zu bleiben. Er werde auch nicht die Firmenstrategie ändern. Die Suche nach einem Nachfolger Costolos habe noch nicht begonnen. Gefragt seien Kandidaten, die Twitter selbst jeden Tag nutzen und den Dienst lieben.

Costolo ergänzte, in Betracht kämen sowohl interne als auch externe Anwärter. Er will zum Monatsende zurücktreten, soll aber dem Verwaltungsrat erhalten bleiben. Nach Auskunft einer mit der Angelegenheit vertrauten Person war der Schritt Costolos eigene Entscheidung. Costolo sagte, er habe das Thema bereits im vergangenen Jahr im Führungsgremium zur Sprache gebracht, als es um Nachfolgeplanungen ging.

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VERDIENSTE UND VERSÄUMNISSE



Der Top-Manager hatte das Unternehmen, das Nutzern eine Plattform für 140-Zeichen-Nachrichten bietet, vor anderthalb Jahren an die New Yorker Börse gebracht. Seitdem hat die Aktie etwa ein Fünftel an Wert verloren. Costolos Rücktritt wurde nun von den Investoren begrüßt. Im vorbörslichen US-Handel am Freitag zog der Twitter-Kurs um 4,8 Prozent an. Damit stieg der Marktwert insgesamt um mehr als eine Milliarde Dollar.

"Während andere Soziale Plattformen in den vergangenen Jahren neue Besonderheiten und Funktionen einführten, blieb Twitter weitgehend stehen", kritisierte Analyst Nate Elliott von der Beratungsfirma Forrester Research. "Das Ergebnis war ein unsäglich langsames Nutzer-Wachstum." Der Kurznachrichtendienst schreibt zudem weiter Verluste und senkte zuletzt seine Umsatzprognose. Ein neues Anzeigenformat brachte bislang nicht die erhofften Erlöse.

Viele Twitter-Fans sowie Kollegen aus dem Silicon Valley würdigten hingegen Costolos Leistung. Marc Benioff, Chef der aufstrebenden Software-Schmiede Salesforce, verwies darauf, dass Costolo in seiner kompletten Amtszeit Twitters Börsenwert von einer auf 24 Milliarden Dollar gesteigert habe: "Gut gemacht". Und der Rapper Snoop Dogg bot sich scherzeshalber gar als Nachfolger an. "Bin bereit @twitter zu führen!!", twitterte der Musiker.

Reuters