Die CSU drohte erneut mit einem Alleingang von Innenminister Horst Seehofer bei der Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze, wenn diese bereits in anderen EU-Ländern registriert wurden. Seehofer verwahrte sich unterdessen gegen Vorhaltungen aus der CDU und warf der Schwesterpartei vor, mit ihrer Flüchtlingspolitik selbst Europa geschadet zu haben.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg, hält einen Bruch der gemeinsamen Fraktion für denkbar. "Das kann man am Ende nicht ganz ausschließen", sagte er im Deutschlandfunk. Er gehe aber nicht von einer solchen Entwicklung aus und halte CDU und CSU beim Thema Asyl grundsätzlich für einigungsfähig. Dass Kanzlerin Angela Merkel am Ende wegen des Streits zurücktritt, denke er nicht. Eine große Mehrheit in der CDU unterstütze Merkels Kurs, innerhalb der kommenden zwei Wochen bis zum EU-Gipfel auf europäischer Ebene eine Lösung zu finden. Seehofer und die CSU wollen dagegen nicht warten und dringen auf einen deutschen Alleingang.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer warb in einem Brief an die CDU-Mitglieder für Merkels Position. Der Kompromissvorschlag sehe eine sofortige Zurückweisung an der Grenze von denjenigen vor, die bereits einen Asylantrag gestellt hätten und abgelehnt worden seien. Zudem sollten auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen Zurückweisungen von Menschen möglich werden, die bereits einen Asylantrag in einem anderen europäischen Land gestellt hätten. Der Plan der CSU berge die Gefahr, "Europa weiter zu spalten und zu schwächen".
Seehofer zeigte sich empört. "Frau Kramp-Karrenbauer stellt uns als Provinzfürsten aus Bayern hin, die die europäische Idee nicht verstanden haben", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Die CDU sei es gewesen, "die mit der Flüchtlingsentscheidung 2015 die Spaltung Europas herbeigeführt hat".
Die CSU droht damit, dass Seehofer die Zurückweisungen ohne Merkels Zustimmung verhängt. "Der Bundesinnenminister kann das in seiner eigenen Verantwortung nach seiner Ressortzuständigkeit machen, und wir werden ihn dabei unterstützen, wenn er das tut", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Donnerstagabend im ZDF. Dies werde am Montag bei der CSU-Vorstandssitzung beraten. Ausweichend reagierte Söder auf die Frage, ob er einen Koalitionsbruch riskieren würde. Den Zeitungen der Funke-Gruppe sagte er: "Zurückweisungen an der Grenze sofort sind mit dem geltenden Recht vereinbar, moralisch vertretbar und dringend notwendig, um in der Asylpolitik in Europa endlich etwas zu bewegen." Merkel hatte davor gewarnt, unilateral sowie zulasten Dritter zu handeln. Deutschland habe eine große Verantwortung für die EU, sagte auch ihr Sprecher Steffen Seibert.
SPD-CHEFIN NENNT SÖDER EINEN "BONSAI-TRUMP"
SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles mahnte eine rasche Lösung an. Die Union müsse das Wochenende nutzen, "um sich wieder auf eine sachliche Ebene zu begeben. Ihre Partei sei bereit, pragmatische Lösungen zu finden. Ein Alleingang sei in der Flüchtlingspolitik aber nicht denkbar und nicht sinnvoll. "Nur mit Europa können für Deutschland die richtigen Lösungen auch gefunden werden." Söder warf sie vor, sich wie ein "Bonsai-Trump" zu benehmen.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier warnte davor, dass die Flüchtlingsdebatte alle anderen Themen in den Hintergrund drängt. Der CDU-Politiker zeigte sich überzeugt, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.
FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki plädierte wie Parteichef Christian Lindner dafür, Zurückweisungen an den Grenzen zu ermöglichen. Auch die CSU-Mittelstandsunion stärkte Seehofer den Rücken. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnte dagegen vor einem Alleingang Deutschlands. Wirtschaftsverbände forderten eine rasche Lösung. "Eine Regierungskrise würde die Konjunkturaussichten weiter eintrüben und damit Wachstum gefährden", sagte etwa Mittelstandspräsident Mario Ohoven zu Reuters.
rtr