1&1, GMX, Web.de und auch Versatel stehen für Marken, die in Deutschland sehr bekannt sind und seit Jahren zunehmend beliebter werden. Den Mutterkonzern, United Internet, kennen hingegen nur wenige. Während die Deutsche Telekom im Bereich Internet und Telekommunikation über eine große Bekanntheit verfügt, hat der Konkurrent aus Montabauer vor allem seine Marken stark in den Vordergrund gerückt. Eine sehr erfolgreiche Strategie, mit der United Internet inzwischen ganz vorne in der Branche zu finden ist.
Wie gut das Geschäftsmodell funktioniert, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre. Während 2009 nur 440.000 Kunden hinzukamen, waren es 2010 bereits 610.000, ein Jahr später 1,18 Millionen und im vergangenen Jahr 950.000 Nettoabonnenten. Mit inzwischen rund 14,8 Millionen kostenpflichtigen Kundenverträgen sowie gut 32 Millionen werbefinanzierten Free-Accounts nimmt der Internet-Konzern einen Spitzenplatz in Europa ein. Basis des Erfolgs und des Wachstums in den vergangenen Jahren ist die hohe Vertriebskraft über die etablierten Marken. Das Geschäftsmodell ist klar strukturiert mit den beiden Segmenten Access und Applications. In Access sind der Mobilfunk- und der Festnetz-Breitbank-Bereich gebündelt. Hier schließen die Kunden beim Kauf der Produkte Abonnentenverträge mit festen monatlichen Beiträgen und variablen, verbrauchsabgängigen Zusatzentgelten ab. Der Vorteil: Auf Basis des inzwischen hohen Kundenbestandes und des Abonnentenmodells führt dies zu einem hohen Anteil von ständig wiederkehrenden Erlösen. Die erhöhte Visibilität reduziert die Wahrscheinlichkeit von negativen Überraschungen, was langjährige Aktionäre sehr zu schätzen wissen.
Über die zweite Säule Applications werden vielfältige Services wie Hosting, Mail, Cloud und Domain-Angebote für Privatanwender, Freiberufler sowie kleine und mittlere Unternehmen angeboten. Während sich United Internet im Access-Bereich nur auf Deutschland fokussiert, werden die Applikationen inzwischen auch in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Österreich, Schweiz, Polen, Italien, Kanada, Mexiko und den USA angeboten. Im Vergleich zu anderen Branchen ist die Internationalisierung recht einfach, denn die Produkte können weltweit eingesetzt werden und funktionieren in den USA nach den gleichen Regeln wie auf dem Heimatmarkt in Deutschland.
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Weniger Wachstum muss nicht schlecht sein
Ein Grund, warum United Internet auch auf den Auslandsmärkten zu den führenden Unternehmen zählt, liegt in der hohen Fertigungstiefe. Angeboten wird nahezu die gesamte Wertschöpfungskette, der Kunde bekommt also alles aus einer Hand. Über die vertragliche Bindung fließen stabile Umsätze und Erträge nach Montabauer, während mit der eigenen Entwicklung und Vermarktung das Innovationstempo hoch gehalten wird. Zudem steigt mit jedem neuen Kunden die Profitabilität. Nachdem in den vergangenen Jahren über hohe Investitionen die technischen Voraussetzungen geschaffen wurden, kommt es nun darauf an, diese so gut wie möglich auszulasten. Die Rechnung ist einfach: Je mehr Kunden die Dienstleistungen nutzen, desto größer der Gewinn und desto höher die Marge. Um möglichst schnell die Kundenliste zu erweitern, ist eine zielgruppenspezifische Vermarktung entscheidend. Unternehmen erhalten genau das Produkt, das auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die Kündigungsquote bei den Abo-Modellen ist daher gering.
Im laufenden Jahr rechnet das Management um Konzern-Chef Ralph Dommermuth mit 800.000 Nettoabonnenten. Warburg Research zufolge dürften rund 720.000 im Bereich DSL und Mobile generiert werden, im Segment Applikationen liegen die Prognosen bei 80.000. Innerhalb der nächsten Jahre dürfte vor allem der deutsche Markt im Bereich festnetzbasiertes Breitbank und Mobile durchdrungen sein, entsprechend gering wird dann wohl auch das Nettoabonnentenwachstum ausfallen. Warburg Rechnet für 2017 nur noch mit einem Umsatzanstieg im Bereich Access von 3,6 Prozent. Entscheidend ist daher, dass United Internet jetzt noch möglichst viele Kunden - möglicherweise auch über weitere Übernahmen - generiert, um später von günstigen Skaleneffekten verstärkt zu profitieren. Vor diesem Hintergrund wären dann auch die auf den ersten Blick mittelfristig langsameren Wachstumsperspektiven nicht negativ zu bewerten, wenn dies zu einem hohen Cashflow und starker Eigenkapitalrendite führt. Warburg kalkuliert im kommenden Jahr mit Erlösen von 4,1 Mrd. Euro und einem Ebit von 733 Mio. Euro, was zu einer Marge von 17,8 Prozent führen sollte. Zur Einordnung: Für das laufende Jahr dürften Umsätze von 3,7 Mrd. Euro ein Ebit von 560 Mio. Euro und eine Marge von 15 Prozent ermöglichen. Das Management selbst rechnet nach 3,07 Mrd. Euro Umsatz in 2014 mit einem Anstieg von rund 20 Prozent.
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Großes Potenzial in Europa
Analysten-Prognosen zufolge werden im kommenden Jahr rund drei Viertel vom Konzernumsatz durch den Bereich Access beigesteuert. Selbst ein stärkeres Wachstum im Bereich Applikationen wird sich daher nur unterdurchschnittlich auf Konzernebene auswirken. Dennoch sollte das Segment nicht unterschätzt werden. United Internet betreut in Europa und den USA derzeit 5,8 Millionen kleine Unternehmen mit Domain-, E-Mail- und anderen Diensten. Bisher richtet sich die Nachfrage vor allem auf Domains, Webspace und Website-Tools. In der nächsten Stufe müssen nun komplette Outsourcing-Pakete für E-Business-Lösungen verkauft werden. Wenn die rund 50 Millionen kleinen Unternehmen in Europa im Internet erfolgreich sein wollen, müssen sie ihre Dienste entsprechend ausbauen, was für United Internet starke Wachstumsperspektiven eröffnet. Insbesondere der weltweite Trend zu einer immer stärkeren Nutzung von Cloud-Applikationen sorgt für Fantasie. So rechnen die Experten von Gartner mit einem Wachstum für Public Cloud Services in 2015 von knapp 17 Prozent auf 178 Mrd. Dollar.
Gute Perspektiven bietet auch die Gegenseite mit kostenlosen Angeboten über werbefinanzierte Konzepte. PricewaterhouseCoopers erwartet im laufenden Jahr einen Anstieg der Online-Werbung in Deutschland von sieben Prozent auf 5,5 Mrd. Euro.
Unter dem Strich sollte sich die Erfolgsstory weiter fortsetzen. Mit der Komplettübernahme von Versatel verfügt United Internet über ein eigenes Netz, das mit 39.000 km Länge das zweigrößte Glasfasernetz in Deutschland ist. Mit der daraus resultierenden Infrastruktur stellt der sehr stark steigende Datenverbrauch bei gleichzeitig geringer Verbreitung der direkten Glasfaseranschlüsse in Deutschland ein weiteres Wachstumsfeld dar, mit dem United Internet nun auch Großunternehmen bedienen kann. Zugleich eröffnen die hohen planbaren Cashflows bei starker Eigenfinanzierungskraft genügend Spielraum für Übernahmen und neue Beteiligungen. Über den kürzlich erfolgten Einstieg mit mittelfristig gut 20 Prozent beim Mobilfunkanbieter Drillisch können weitere Wachstumsperspektiven erschlossen werden. Zugleich ist mit dem Zukauf der Markteintritt von Betreibern aus dem Ausland nahezu unmöglich geworden.
Neueinsteiger bietet die jüngste Kurskorrektur von rund zehn Prozent ausgehend vom Mitte April erreichten Rekordhoch daher eine gute Einstiegschance. Wer etwas weniger Risiko eingehen möchte, wartet die Reaktion auf die Zahlen zum ersten Quartal ab, die am 19. Mai veröffentlicht werden.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast beim Deutschen Anlegerfernsehen (DAF), Gastautor bei n-tv und gern gesehener Vortragsredner. Er hält regelmäßig Webinare, referierte unter anderem beim Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) und betreute mehrere Jahre für die Commerzbank den Zertifikate-Newsletter ideas daily.
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