Gründer Ralph Dommermuth legt sich mit amerikanischen Tech-Giganten und europäischen Telekomkonzernen an. Das sorgt für Wirbel, bietet Anlegern aber Chancen. Von Sven Parplies.

Nicht jeder würde es wagen, sich mit den großen US-Tech-Konzernen anzulegen. Ralph Dommermuth, Gründer und Chef des Internet- und Mobilfunkspezialisten United Internet, scheut die Konfrontation nicht. „Europa und insbesondere Deutschland können es sich nicht leisten, die Kontrolle über digitale Infrastrukturen und hochwertige Daten aus der Hand zu geben“, betont Dommermuth im Geschäftsbericht. Sein Ziel: ein digital unabhängiges Europa. Und das für E-Mails, Webseiten, Cloud-Infrastruktur, Glasfaser- und Mobilfunknetze. Natürlich mit einer tragenden Rolle für United Internet.

Wichtiger Eckpfeiler in Dommermuths Firmennetzwerk spielt die Tochtergesellschaft Ionos, die selbst börsennotiert ist, aber zu knapp zwei Dritteln in der Hand des Mutterkonzerns liegt. Der Cloud-Dienstleister speichert Daten nach den Vorgaben der deutschen Datenschutzgesetze und legt Dateien in europäischen Rechenzentren ab. Das ist für Unternehmen und auch Behörden ein Argument, auf Dienste von Ionos zu setzen. Die Investitionsoffensive der Bundesregierung dürfte die Nachfrage steigern. Auch vor anderen Riesen schreckt Dommermuth nicht zurück.

Die Tochtergesellschaft 1&1 baut ein eigenes 5G-Netz auf und fordert damit die Deutsche Telekom heraus. Das Projekt ist teuer und komplex, und die offensive Mentalität des Gründers strapaziert mitunter die Nerven der Aktionäre. Nach dem Hoch im Januar 2018 hat sich der Börsenwert mehr als halbiert. Die Kosten für den Netzausbau bei der Tochter 1&1 sowie Abschreibungen insbesondere auf Investitionen in den Ausbau des Glasfasernetzes und des Mobilfunknetzes hinterließen im ersten Halbjahr Spuren in der Bilanz.

Besonders unangenehm: Eine flächendeckende Störung im Mobilfunknetz von 1&1 verärgerte im vergangenen Jahr viele Kunden und führte zu Kündigungen. Um so etwas künftig zu vermeiden, hat United Internet die Infrastruktur aufgerüstet.

Mehr als zwölf Prozent jährlich

Dommermuth können solche Rückschläge nicht bremsen. Das Unternehmen, an dem er selbst mehr als die Hälfte der Aktien besitzt, ist eine Erfolgsgeschichte. Seit Erstnotierung im Jahr 1998 ist der Kurs im Schnitt um mehr als zwölf Prozent gestiegen und damit fast doppelt so stark wie der DAX. Basis des Geschäfts von United Internet sind heute 67.000 Kilometer Glasfaser, ein eigenes Mobilfunknetz, mehr als 100.000 Server, mehr als 29 Millionen kostenpflichtige Kundenverträge mit fester Laufzeit sowie rund 39 Millionen kostenfreie und über Werbung finanzierte Kundenkonten. Wichtiger Wachstumstreiber neben Glasfaseranschlüssen und Mobilfunk ist vor allem der wachsende Markt für Cloud-Dienste und KI-Anwendungen.

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet der Analystenkonsens einen leichten Umsatzanstieg um zweieinhalb Prozent auf knapp 6,5 Milliarden Euro. Der operative Gewinn (Ebitda) würde demnach im laufenden Jahr um knapp vier Prozent auf 1,34 Milliarden Euro zulegen. Für die beiden kommenden Jahre erwarten Analysten einen Anstieg des Ebitda um jeweils rund zehn Prozent.

Die aktuelle Marktkapitalisierung strapaziert die Logik der Mathematik: United Internet besaß zuletzt 63,8 Prozent der Aktien von Ionos. Bei 1&1 hat der Mutterkonzern gerade auf 86,5 Prozent aufgestockt und peilt 90 Prozent an. Die Beteiligungen an den beiden Töchtern sind bei aktuellem Börsenwert zusammen rund 6,5 Milliarden Euro wert, United Internet dagegen etwas mehr als 5,3 Milliarden. Dommermuths Imperium ist damit Opfer des Konglomeratsabschlags. Mit dem belegen Börsianer Konzerne mit komplexen Strukturen. Trotzdem ist der im Vergleich zum Mutterkonzern hohe Wert der Beteiligungen so etwas wie ein Sicherheitspuffer für die Aktie.

Charttechnisch hat United Internet seit Jahresbeginn einen Aufwärtstrend gebildet. Der nächste signifikante Widerstand liegt bei rund 30 Euro. Ein Durchbruch durch diese Barriere wäre fundamental gerechtfertigt, sodass der Kurs bis zur nächsten Schwelle in der Region von 35 Euro durchstarten kann.

Hinweis: Der Artikel stammt aus der aktuellen Heftausgabe von BÖRSE ONLINE (36/25), die Sie hier finden.

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United Internet (WKN: 508903)