Angesichts zunehmend verhärteter Fronten wird ein einvernehmliches Abkommen zur Beendigung des anhaltenden Handelskonflikts unwahrscheinlicher. Wenn die Spannungen weiter eskalieren, könnte dies das Ende einer jahrzehntelangen Phase der Globalisierung markieren. Möglicherweise werden zwei konkurrierende technologische Ökosysteme geschaffen, was große Auswirkungen auf verschiedene Sektoren und damit auch auf Anleger hätte.

Trotz der Vereinbarung weiterer Verhandlungen während des G-20-Gipfels in Osaka bleibt offen, ob eine wirkliche Annäherung realistisch ist. Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen 2020 betrachtet Präsident Trump den Handelsstreit mit China als innenpolitische Chance, um bei seinen Wählern zu punkten und sich von den demokratischen Konkurrenten abzugrenzen.

Und Chinas Präsident Xi? Trotz seiner scheinbaren Machtfülle ist er möglicherweise nicht in der Lage, die US-Forderungen hinsichtlich Patentschutz und geistigem Eigentum umzusetzen. Einiges spricht für innenpolitischen Druck, die laufenden Verhandlungen mit den USA einzustellen - trotz der damit verbundenen Gefahr eines Wirtschaftskriegs. In dem Jahr, in dem die Kommunistische Partei 70 Jahre Regierungszeit feiert, wird ihr viel an Gesichtswahrung gelegen sein. Eine Verzögerungstaktik in der Hoffnung auf einen Wechsel des US-Präsidenten könnte da als probates Mittel gesehen werden.

Der von Trump angezettelte Streit belastet US-Konsumenten


Eine Eskalation des Handelsstreits hätte mittel- bis langfristig erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und damit auf die Anlagestrategie.

Schwächerer US-Konsum: Der private Verbrauch macht etwa 70 Prozent der US-Wirtschaftsleistung aus. Weiter angehobene US-Zölle würden durch steigende Importpreise den Konsum empfindlich treffen. Sollte die US-Notenbank in einem stagflationsähnlichen Szenario nicht gegenhalten, würde sich der Bewertungsaufschlag für US-Aktien verringern und der US-Dollar fester tendieren, was wiederum Auswirkungen auf Schwellenländer hätte.

Anspannungen bei US-Dollar-Finanzierungen: Die USA könnten versucht sein, das exorbitante "Privileg" des Dollar als Weltreservewährung als wirtschaftliche Waffe einzusetzen. Kurzfristig würde dies den Dollar stützen, längerfristig würde die Position des Dollar jedoch unterminiert. Andere Länder würden versuchen, weniger Dollar zu halten - und das zu einer Zeit, in der die USA große Mengen an Treasuries zur Finanzierung ihrer Defizite ausgeben.

Europa im Kreuzfeuer: Ein eskalierender Handelskonflikt würde vermutlich den Druck auf Drittstaaten und ­-regionen, etwa Europa, erhöhen. Eine stärkere Polarisierung würde die globalen Spannungen verstärken, mit mög­lichen negativen Rückwirkungen auf die NATO.

"Don’t buy America"-Kampagne in China: 2013 und 2015 führte China derartige Kampagnen sehr effektiv gegen japanische und südkoreanische Unternehmen. Eine solche Politik würde letztlich auf den S & P-500-Index durchschlagen, zumal der größte Sektor, Technologie, stark von China abhängig ist: als Absatzmarkt und als integraler Bestandteil der Lieferkette. Darüber hinaus könnte im Dienstleistungsbereich die Rolle von US-Unternehmen im chinesischen Finanzsektor infrage gestellt werden.

Beeinträchtigung der globalen Lieferketten: Chinas beherrschende Stellung als Lieferant in wichtigen industriellen und technologischen Schlüsselbereichen birgt eine große Gefahr für die globalen Lieferketten. Ein Beispiel sind die seltenen Erden, die in fast allen Hightechprodukten unverzichtbar sind - von Handys und Computern bis hin zu militärischen und wissenschaftlichen Geräten. Die wenigen alternativen Lieferanten und der begrenzte Lagerbestand spiegeln dabei auch die Kurzsichtigkeit des Westens und einen Mangel an strategischer Planung wider.

Repatriierung chinesischer Unternehmen: China ist bestrebt, seine Finanzmärkte zu diversifizieren und zu vertiefen und seine Attraktivität für in- und ausländische Investoren zu steigern. Dies kann für chinesische Unternehmen, die derzeit in den USA notiert sind, ein Anreiz sein, nach Schanghai oder Hongkong zurückzukehren, zumal einige US-Politiker ihrerseits eine Kampagne gegen die Aufnahme chinesischer Unternehmen in globale Aktien­indizes führen.

Geringere Nachfrage nach US-Treasuries: China dürfte seine strategische ­Politik der Internationalisierung des Renminbi fortsetzen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass China seine bestehenden US-Treasury-Bestände im großen Stil abbauen wird. Bei gleichzeitigen Handelsspannungen zwischen den USA und anderen Ländern/Regionen könnte sich die globale Nachfrage nach US-Treasuries aber verringern - bei gleichzeitig hohem Emissionsvolumen.

China sucht sich andere Partner für den internationalen Handel


China als besserer diplomatischer Partner: Das Land treibt seine Seidenstraßen-Initiative voran und bietet strategische Investitionen und Marktzugang für viele (Schwellen-)Länder. Indem China eine Lücke füllt, die von einem isolationistischen US-Kurs hinterlassen würde, bietet es einen alternativen di­plomatischen Weg und erhöht gleichzeitig seine Präsenz und seinen geo­politischen Status.

Nach einer anhaltenden Phase der Globalisierung versuchen die beiden größten Volkswirtschaften der Welt derzeit, mehr von ihrem Wirtschaftswachstum zu internalisieren und andere Länder wirtschaftlich und politisch stärker anzubinden. Dies kann multinationale Unternehmen, die von der langen Phase relativer internationaler Harmonie stark profitierten, empfindlich stören.

Bei Investitionsentscheidungen spielt die Geopolitik damit künftig eine größere Rolle, zumal die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China deutliche Unterschiede in deren Politik gegenüber Ländern wie dem Iran, Taiwan und Venezuela aufzeigen. In ­einer wachsenden, globalisierten Welt waren solche Unterschiede auszuhalten. In einem wettbewerbsintensiver werdenden und polarisierten Umfeld werden sie aber problematischer.

Wichtige Handelsplätze und Finanzzentren wie Hongkong und Singapur könnten feststellen, dass sie nicht mehr in der Lage sind, beide Seiten zu beruhigen. In Anbetracht der weitreichenden Auswirkungen eines Handelskriegs bleibt nur zu hoffen, dass die jüngste Vereinbarung zur Wiederaufnahme von Gesprächen Ausfluss echter Kooperationsbereitschaft ist.

Kurzvita

Neil Dwane
Global Strategist bei Allianz Global Investors
Dwane verantwortet die "Hausmeinung" von ­AllianzGI sowie die Erstellung von Research- Publikationen. Er ist Mitglied im European Executive Committee sowie in der Global Investment Management Group und leitet das ­Economics-and- Strategy-Team. Allianz Global Investors ist weltweit einer der führenden aktiven ­Investmentmanager und die Vermögens­verwaltung des Mutterkonzerns Allianz SE.