"Die Märkte haben Angst, dass bei einer Eskalation und Sanktionen die türkischen Unternehmen und Banken schlimmstenfalls nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Schulden zu refinanzieren", erklärt Jakob Christensen, Anlagestratege für Schwellenländer bei der Danske Bank.

Der Streit um US-Pastor Andrew Brunson hat sich zuletzt zugespitzt. Auch bei Gesprächen hochrangiger Regierungsdelegationen in Washington gab es keinen Durchbruch. Die türkische Justiz wirft ihm vor, Kontakte zu dem ebenfalls in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen unterhalten zu haben, den die Regierung in Ankara als Drahtzieher für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht. Brunson hat dies zurückgewiesen. Die USA und die Türkei haben inzwischen Sanktionen gegen Minister des jeweils anderen Landes verhängt.

Die Regierung in Washington stellt auch den teilweise zollfreien Zugang der Türkei zum amerikanischen Markt auf den Prüfstand. Betroffen sind türkische Importe im Volumen von 1,66 Milliarden Dollar mit Produkten wie Autos, Schmuck oder Edelmetallen. Hintergrund dafür sind offenbar Vergeltungsmaßnahmen der Regierung in Ankara, die als Reaktion auf die US-Sonderzölle auf Stahl und Aluminium erlassen wurden.

ZWEIFEL AN UNABHÄNGIGKEIT DER TÜRKISCHEN ZENTRALBANK



Aber es gibt auch hausgemachte Probleme. Der wachsende Einfluss von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf die eigentlich unabhängige Zentralbank macht internationale Investoren nervös. Die Inflation in der Türkei ist auf mehr als 15 Prozent gestiegen, das Leistungsbilanzdefizit vergleichsweise hoch. "Für die Türkei mit ihrem sehr hohen ausländischen Liquiditätsbedarf dürften sich die jüngsten politischen Weichenstellungen sowie die beginnende weltweite Normalisierung der Geldpolitik zu einer erheblichen Herausforderung entwickeln", sagt Lucas Irisik vom Vermögensverwalter Nikko Asset Management. "Denn steigende Finanzierungskosten könnten in naher Zukunft mit einer deutlichen Verlangsamung der heimischen Wirtschaft zusammenfallen."

Währungseffekte verhageln etlichen türkischen Unternehmen mittlerweile die Bilanz. Einige bekamen zuletzt auch deutlich schlechtere Bonitätsnoten. "Wenn sich die Lira nicht erholt, dann wird das zu Restrukturierungen führen. Für die Unternehmen ist es schmerzhaft, weil es sie so viel kostet, ihre Schulden zu bedienen", so Ökonom Wladimir Miklaschewski von der Danske Bank.

Darunter leiden auch die türkischen Banken: Seit Jahresbeginn hat der Sektor an der Börse rund 33 Prozent an Wert verloren. Nach Meinung der Analysten der US-Investmentbank Goldman Sachs könnte der Lira-Verfall die Kapitalpuffer der türkischen Banken sogar aufzehren. Sollte der Dollar auf 7,10 Lira steigen, hätten die Institute keinerlei Sicherheitspolster mehr. Seit Jahresbeginn wertete der Dollar um rund 40 Prozent auf und kostete zuletzt 5,35 Lira. Am wackligsten steht Goldman zufolge Yapi Kredi Bankasi auf den Beinen, die Konkurrenten Garanti Bankasi und Akbank stünden im Vergleich besser da.

An den immer weiter steigenden Kapitalmarktzinsen lässt sich ablesen, wie unwohl sich Anleger mit Türkei-Investments fühlen. Für einige Banken werde es angesichts einer Verzinsung fünfjähriger nachrangiger Anleihen von 15 bis 25 Prozent zunehmend schwer, sich zu refinanzieren. "Wenn das ein weiteres Jahr anhält, könnte es bei einigen nicht systemrelevanten Banken zu Problemen führen", sagt Zinsexperte Uday Patnaik vom Vermögensverwalter Legal & General Investment Management. Der Bankensektor habe zwar noch eine starke Kapitalbasis, jedoch schlummerten in vielen Portfolios erhebliche Kreditrisiken. "Zuletzt gab es eine etwas unbekümmerte Darlehensvergabe und einige Leichen in den Büchern fangen an, sich zu regen."

rtr