Im Verlauf der Börsen-Dauerhausse werden Erbschaften und Schenkungen von Depots größer. Aber auch die Fallen für Geber und Empfänger. Von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Die Generation Erbe ist in Feierlaune. Die deutschen Finanzämter veranlagten vergangenes Jahr Erbschaften und Schenkungen im Gesamtwert von 84,4 Milliarden Euro. Das steuerlich berücksichtigte Vermögen stieg gegenüber 2019 um 5,9 Prozent, die festgesetzte Erbschaft- und Schenkungsteuer erhöhte sich sogar um 19,4 Prozent auf insgesamt 8,5 Milliarden Euro. Vererbt und verschenkt wurde aber noch weitaus mehr. Das Statistische Bundesamt berücksichtigt die meisten Erbschaften und Schenkungen nicht, da sie unterhalb der hohen Freibeträge liegen.

Da hierzulande mittlerweile 13 Millionen Anleger Aktien, Fonds und ETFs besitzen, dürfte das Aufkommen aus der Abgabe im Zuge der Börsen-Dauerhausse weiter steigen. Geber und Empfänger sollten daher auch bei Depot- übertragungen die rechtlichen und steuerlichen Feinheiten genau kennen:

Irrtümer über Meldepflichten

¦ Vererbte Depots können dem Fiskus nicht verheimlicht werden. Banken, Bausparkassen, Fondsgesellschaften und Versicherer unterliegen bei vererbten Anlegervermögen ab 5.000 Euro einer eigenen Mitteilungspflicht. Sie müssen in der Regel spätestens einen Monat nachdem sie vom Todesfall eines Kunden erfahren, sämtliche Kontenguthaben, Einlagen, Wertpapiere und Forderungen des Erblassers sowie andere Vermögensgegenstände, die sie für den Erblasser verwahren, dem zuständigen Finanzamt melden. Erben werden in der Regel nicht über die Datenweitergabe informiert. Die Geldinstitute sind gesetzlich auch nicht dazu verpflichtet, ihnen eine Abschrift der Meldung zukommen zu lassen.

¦ Die Meldepflicht der Finanzdienstleister erstreckt sich auch auf ihre Niederlassungen im Ausland. So erfährt der Fiskus zum Beispiel automatisch von Depots und Konten des Erblassers in Luxemburg. Wer Vermögenswerte im Ausland erbt oder geschenkt bekommt, muss stets das Finanzamt informieren.

¦ Hatte der Erblasser bei einer Bank oder Sparkasse ein Schließfach, melden Geldinstitute gegenüber dem Finanzamt nur, dass ein solches vorhanden war - über den Inhalt wissen sie in der Regel nichts. Erben sind aber verpflichtet, die dort verwahrten Wertgegenstände wie etwa Goldmünzen, Bargeld, sogenannte effektive Stücke (Wertpapiere in Papierform) und Schmuck in der Steuererklärung anzugeben.

¦ Banken melden die Vermögenswerte der Anlagen zum Sterbetag eines Kunden. Für die Berechnung der möglicherweise fälligen Erbschaftsteuer ist der Kurswert der Wertpapiere am Todestag des Erblassers maßgeblich. Erben können sich auf den niedrigsten an einer deutschen Börse notierten Tageskurs berufen. Auch die Preisspanne zwischen Geld- und Briefkurs dürfen sie in ihrer Steuererklärung nutzen - und den billigeren Geldkurs ansetzen.

¦ Können Geldinstitute für Konten und Depots nach dem Erbfall keinen neuen Inhaber ermitteln, verfallen die Guthaben nicht. Auch Jahre nach der letzten Kontenbewegung existiert ein Auszahlungsanspruch der Erben. Nach Ablauf von 30 Jahren müssen Banken Guthaben ausbuchen und die in der Zeit aufgelaufenen Kapitalerträge versteuern. Melden sich Erben erst nach Ablauf dieser langen Frist, haben sie dennoch weiter Zugriff auf das Geldvermögen.

Aufgepasst bei Kontovollmachten

¦ Erben müssen sich gegenüber Banken legitimieren, wenn sie als Rechtsnachfolger über Guthaben verfügen möchten. Sollen Konten und Depots des Erblassers aufgelöst werden, verlangen Geldinstitute regelmäßig die Vorlage eines Erbscheins. Damit können Begünstigte im Geschäftsverkehr mit Geldinstituten und Grundbuchämtern nachweisen, dass sie die rechtmäßigen Erben sind. Erbscheine sind unter Vorlage von Nachweisen, beispielsweise eines Testaments oder eines Erbvertrags, beim zuständigen Nachlassgericht zu beantragen. Dieses ist beim Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, angesiedelt.

Die Gebühren für einen Erbschein richten sich nach dem Verkehrswert des Nachlasses: Bei 250.000 Euro müssen Erben mit Kosten von etwa 1.000 Euro rechnen. Geldinstitute dürfen in den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Erben aber nicht zwangsweise dessen Vorlage fordern, sondern müssen auch ein notarielles Testament als Erbnachweis akzeptieren. Zudem sind Banken bei "klaren Erbfolgefällen" verpflichtet, auch ein privates Testament als Nachweis anzuerkennen, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. XI ZR 440/15).

¦ Haben verstorbene Depotinhaber zu Lebzeiten ihre Erben mit Konten- und Depotvollmachten ausgestattet, ist ein Erbschein ebenfalls entbehrlich. Eine Kontovollmacht, die ein Erbe nach dem Ableben des Erblassers gegenüber der Bank nutzen kann, ist formlos erteilbar. Banken halten dafür die entsprechenden Formulare bereit.

¦ Kümmert sich ein Kind um die Bankangelegenheiten seiner Eltern, ist es nach deren Tod gegenüber den miterbenden Geschwistern nicht in jedem Fall zur Rechnungslegung über die vorgenommenen Geschäfte verpflichtet, entschied das Oberlandesgericht Braunschweig (Az. 9 U 24/20). Eine Erblasserin hatte ihrem Sohn neben einer Bank- auch eine Vorsorgevollmacht für den Fall ihrer Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit erteilt. Voraussetzung für einen Anspruch auf Rechnungslegung sei, dass die Mutter ihn rechtsverbindlich mit der Vornahme der Bankgeschäfte beauftragt habe, befanden die Richter.

Fallstricke bei der Erbschaftsteuer

¦ Erben übernehmen als Rechtsnachfolger des verstorbenen Depotinhabers auch dessen ursprüngliche Einstandskurse. Beispiel: Der Erblasser hat Aktie A im März 2017 für 100 Euro gekauft, der Erbe verkauft sie im März 2021 für 150 Euro. Die Depotbank muss dann auf 50 Euro Kursgewinn Abgeltungsteuer zuzüglich Soli-Zuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer (zusammen maximal 27,99 Prozent) abführen. Werden Depots innerhalb von fünf Jahren nach dem Erbfall aufgelöst, kann Paragraf 35b Einkommensteuergesetz grundsätzlich eine Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuern verhindern. Diese Vorschrift gilt aber nicht für die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge, urteilte kürzlich das Finanzgericht Münster (Az. 7 K 3409/20 AO). Die Steuerermäßigung ist demnach nur möglich, wenn nach Günstigerprüfung (Anlage KAP, Zeile 4) mit dem persönlichen Einkommensteuersatz veranlagt wird.

¦ Sind im geerbten Aktiendepot noch Titel, die vor Einführung der Abgeltungsteuer 2009 gekauft und seitdem ununterbrochen gehalten wurden, können Erben Kursgewinne steuerfrei realisieren. Umgekehrt können sie erlittene Verluste mit geerbten Aktien, die vor dem Jahr 2009 gekauft wurden, nicht geltend machen - die dafür maßgebliche einjährige Spekulationsfrist war spätestens Ende 2009 abgelaufen. Diese wird ab dem Anschaffungszeitpunkt des Aktienvorbesitzers berechnet.

¦ Eine Besonderheit gilt es bei offenen Verlustvorträgen aus Aktiengeschäften ("Verlustverrechnungstopf I"), die der Erblasser zu seinen Lebzeiten nicht mehr verrechnen konnte, zu beachten. Der Bundesfinanzhof kippte vor sechs Jahren seine seit dem Jahr 1970 geltende Rechtsprechung und entschied, dass Erben diese Miesen ab 2015 nicht länger steuermindernd verrechnen dürfen (Az. GrS 2/04).

Wahlprogramme zu Erbschaft & Vermögen


CDU/CSU: Die Union schließt eine Erhöhung der Erbschaftsteuer aus. Die bei Erbschaften und Schenkungen hohen Steuerfreibeträge für Ehepartner (500.000 Euro) und Kinder (400.000 Euro) sollen bleiben, allenfalls Steuerprivilegien bei Unternehmensübergaben überprüft werden. Eine Vermögensteuer soll nicht kommen.

SPD: Firmenerben und Familienstiftungen sollen bei großen Betriebsvermögen eine "Mindeststeuer" zahlen. Eine Vermögensteuer von einem Prozent pro Jahr soll es geben. Durch hohe persönliche Steuerfreibeträge will die SPD diese Abgabe "auf die besonders vermögenden Teile der Bevölkerung" konzentrieren.

Bündnis 90/Die Grünen: Bei der Erbschaftsteuer sollen "Gestaltungsmöglichkeiten abgebaut und große Vermögen wieder stärker besteuert werden". Eine Vermögensteuer von einem Prozent im Jahr soll es ab zwei Millionen Euro geben. Begünstigungen sind in diesem Zusammenhang lediglich für mittelständische und Familienunternehmen vorgesehen.

Freie Demokraten: Eine Verschärfung der Erbschaftsteuer und die Wiedereinführung einer Vermögensteuer werden kategorisch abgelehnt. Die den Ländern zufließende Erbschaftsteuer soll "auf ihre Administrierbarkeit und das Verhältnis von Kosten und Nutzen" überprüft werden.

Die Linke: Die Erbschaftsteuer soll erhöht und Privilegien für Betriebsvermögen sollen abgeschafft werden. "Normales" selbstgenutztes Wohneigentum soll steuerfrei vererbbar bleiben. Zusätzlich soll es eine "Vermögensabgabe mit progressivem Tarif" geben: Der Eingangssteuersatz soll bei einem Prozent ab einer Million Euro Privatvermögen (ohne Schulden) liegen, der Höchststeuersatz bei fünf Prozent ab 50 Millionen Euro. Die Altersvorsorge soll ausgenommen bleiben. Für Betriebsvermögen gibt es fünf Millionen Euro als Steuerfreibetrag.

AfD: Die derzeit erhobenen Erbschaft- und Schenkungsteuern sollen als sogenannte Substanzabgaben abgeschafft werden. Eine Vermögensteuer soll aus dem gleichen Grund nicht eingeführt werden.