Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise. Wir haben unseren Blick einmal auf eine Stärke des Landes gelenkt: Unternehmen, die in ihrem Bereich global führend sind.

Es läuft wirtschaftlich nicht rund in Deutschland. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland haben ihre gemeinsame Prognose für die deutsche Konjunktur gesenkt: Im laufenden Jahr dürfte die Wirtschaft hierzulande um 0,1 Prozent schrumpfen, statt wie noch im Frühjahr prognostiziert um 0,1 Prozent zuzulegen. Damit bliebe Deutschland in der Rezession. Schon 2023 ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent zurückgegangen. Bereits im Frühjahr 2024 war die Prognose für das laufende Jahr von 1,3 Prozent aus dem Herbst 2023 drastisch nach unten geschraubt worden.

Auch den Ausblick für das kommende Jahr haben die Forscher nach unten korrigiert: Für 2025 senkte die Gruppe der fünf Institute —Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ifo-Institut, Kiel Institut für Weltwirtschaft, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, RWI — Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen — ihre Prognose von 1,4 Prozent auf 0,8 Prozent. 2026 soll die Wirtschaft hierzulande dann um 1,3 Prozent wachsen. Für die kommenden beiden Jahre rechnen die Institute also mit einer schwachen Erholung.

Die Zukunftsaussichten für die Wirtschaft der Bundesrepublik sind generell nicht unbedingt rosig. Produkte aus China machen zum Beispiel deutschen Produkten auf dem Weltmarkt Konkurrenz, die Bedingungen für Unternehmen hierzulande sind durch hohe Energiekosten oder überbordende Bürokratie getrübt, die Bevölkerung altert.

Führende Firmen mit Potenzial. Die schlechte Stimmung war für die €uro- Redaktion ein Grund, auf Positives zu blicken. Schließlich sitzen in Deutschland, das immerhin vergangenes Jahr wieder zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen ist, auch zahlreiche Unternehmen, die in ihrem Bereich Weltmarktführer sind oder in den Kreis der Weltspitze gehören. Von Software über Versicherungswirtschaft bis Maschinenbau hat die Redaktion sechs deutsche Unternehmen aus DAX und MDAX ausgesucht, die eine starke Position auf dem Weltmarkt haben und deren Aktien aus Sicht der Redaktion gute Chancen bieten sollten.

Munich Re

In den vergangenen Jahren haben die Preise für Rückversicherungen deutlich zugelegt. Gründe hierfür waren etwa zunehmende Naturkatastrophen und die hohe Inflation, die die Schadensummen steigen lässt. Rückversicherer profitierten von den steigenden Preisen. Ihre Kunden sind Versicherungskonzerne wie Allianz, AXA oder Generali. Diese übertragen Risiken auf die Rückversicherer. Rückversicherungsunternehmen versichern Erstversicherer beispielsweise gegen Naturkatastrophen wie Hurrikans, Waldbrände, Erdbeben oder Überschwemmungen, gegen Schäden bei Kraftfahrzeugen oder Cyberrisiken und übernehmen Risiken aus Lebensversicherungen. Cyberversicherungen gelten als Wachstumsmarkt in der Rückversicherungsbranche. Mit Munich Re kommt der größte Rückversicherer der Welt aus Deutschland. Die Nummer 3 der Branche ist mit der Hannover Rück übrigens ebenfalls ein deutsches Unternehmen – hinter der Nummer 2 im Weltmarkt, dem Schweizer Rückversicherungskonzern Swiss Re.

Hinsichtlich der Rückversicherungspreise könnte sich jetzt etwas tun: Die zuletzt ordentlichen Preissteigerungen könnten vorerst ein Ende erreichen. Anlässlich des diesjährigen „Rendez-Vous de Septembre“ in Monaco, des alljährlichen Branchentreffens der Rückversicherer, teilte Munich Re mit, man erwarte für die Branche für 2024 bis 2026 in der Schaden- und Unfall-Rückversicherung im Schnitt zwei bis drei Prozent inflationsbereinigtes Prämienwachstum pro Jahr. Laut dem Konzern lag das Wachstum in den drei Jahren zuvor im Schnitt bei vier Prozent. Das Umfeld für Munich Re könnte aber auch bei etwas weniger steigenden oder etwas sinkenden Preisen attraktiv bleiben.

Was die Munich-Re-Aktie Anlegern über die vergangenen zehn Jahre lieferte, kann sich sehen lassen. Die Gesamtrendite lag im Schnitt pro Jahr bei gut 17 Prozent, die des DAX zum Vergleich bei 7,7 Prozent. Munich Re erfreut Aktionäre mit Dividenden und Aktienrückkäufen. Die aktuelle Dividendenpolitik, die noch die beiden Dividenden für die Geschäftsjahre 2024 und 2025 betrifft: In „normalen“ Jahren soll die Dividende pro Aktie in Anlehnung an den Gewinn je Aktie im Schnitt um oder um mehr als fünf Prozent steigen. Zumindest nicht sinken soll sie in Jahren mit besonderer Schadenbelastung. Großschäden können bei Munich Re schon mal ins Kontor schlagen. Im ersten Halbjahr 2024 erzielte der Konzern ein Rekordergebnis in einem ersten Halbjahr von knapp 3,8 Milliarden Euro. Das Gesamtjahresziel liegt bei fünf Milliarden Euro Gewinn (2023: 4,6 Milliarden Euro). Die Wahrscheinlichkeit, dieses Ziel zu erreichen oder sogar zu übertreffen, sei mit dem starken Halbjahresergebnis weiter gestiegen, hieß es vom Konzern bei Bekanntgabe der Zahlen. Zu Munich Re gehört auch die Erstversicherungstochter Ergo. Während die Rückversicherung im ersten Halbjahr 2024 gut 3,2 Milliarden Euro Gewinn erzielte (Vorjahr: knapp zwei Milliarden Euro), steuerte Ergo 535 Millionen Euro (2023: 470 Millionen Euro) zum Konzerngewinn bei.

Rational

In Landsberg am Lech sitzt Weltmarktführer Rational, der Lösungen für die thermische Speisezubereitung in Profiküchen herstellt. Die Geräte sind unter anderem in Großküchen von Krankenhäusern, Kantinen, Seniorenheimen, Stadien, Restaurants oder Hotels zu finden. 170 Millionen Speisen werden heute täglich weltweit in Rational-Geräten zubereitet, heißt es vom MDAX-Konzern. Seit gut 50 Jahren gibt es das Unternehmen, seit 2000 ist Rational an der Börse. Gut die Hälfte der Aktien ist im Festbesitz, etwa von Angehörigen des 2017 verstorbenen Rational-Gründers Siegfried Meister. Doch können sich auch Kleinaktionäre am Unternehmen beteiligen. In den vergangenen zehn Jahren legte die Aktie inklusive Dividende um rund 366 Prozent zu. Dieses Jahr hat der Konzern den iHexagon eingeführt, mit dem Rational zum dritten Mal in seiner Geschichte eine neue Produktkategorie schuf. Das Gerät arbeitet mit einer Kombination aus Dampf, Heißluft und Mikrowelle. Auch bei Umsatz und Gewinn geht es voran: Im ersten Halbjahr 2024 stieg der Umsatz zum Vorjahr um rund vier Prozent auf 581,2 Millionen Euro, im zweiten Quartal gelang ein neuer Quartalsrekordumsatz. Stark wuchs Rational zum Beispiel in Asien (plus 13 Prozent) und Nord- und Lateinamerika (sechs und sieben Prozent). Die größten Märkte sind Europa und Nordamerika. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte um rund zehn Prozent auf 149 Millionen Euro, was die Marge von 24,3 auf 25,6 Prozent steigen ließ. Im Gesamtjahr 2024 sollen die Erlöse im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich wachsen, die Ebit-Marge leicht über Vorjahr liegen. Die Aktie ist nicht gerade günstig bewertet, das ist bei Rational aber die Regel.

Siemens

Weltmarktführer bei Handys wurde Siemens nie. Anfang der 2000er-Jahre hatte der damalige Mischkonzern auch im wachsenden Telekommunikationsmarkt noch eifrig mitgemischt. Über 20 Jahre und mehrere Restrukturierungen und Abspaltungen später ist das DAX-Unternehmen auf Industriedigitalisierung und Infrastruktur fokussiert. Und ist Weltspitze in der Digitalisierung industrieller Prozesse: Die Technologie der Münchner zur Erzeugung digitaler Zwillinge gilt als Maß der Dinge. Ingenieure rund um den Globus modellieren damit per Computer Produkte und simulieren ganze Fertigungen, noch bevor Produktionslinien errichtet wurden. Zunehmend setzt der Konzern dafür KI ein, um die Modelle noch besser an Kundenbedürfnisse anzupassen. Industriekunden von der Automobil- über die Luftfahrtbranche bis hin zur Pharma- oder Lebens-

Stichtag Daten: 07.10.2024; gebrochenes Geschäftsjahr, endet zum 30.09.; Quelle: BO Data mittelindustrie optimieren so ihre Prozesse. Der Umsatz mit Software verdoppelte sich zuletzt. Schwächer fiel dagegen das Geschäft mit klassischer Automatisierungstechnik aus, hier kämpft Siemens mit hohen Lagerbeständen und mit der schwachen Konjunktur in China.

Stark ist der Konzern auch bei Ausrüstungen für Rechenzentren, das Geschäft wächst wegen des KI-Booms kräftig. Siemens ist zugleich einer der weltgrößten Hersteller von Zügen und digitaler Leittechnik. Am Medizintechnik-Konzern Siemens Healthineers, weltweit führend etwa bei Computertomografen, hält der Konzern 75 Prozent der Anteile. Siemens ist schon lange ein verlässlicher Dividendenzahler. Die Aktie ist günstig bewertet.

SAP

Die Aktie des Softwarekonzerns SAP mit Sitz im baden-württembergischen Walldorf hat in den vergangenen zwei Jahren einen beeindruckenden Lauf gehabt. Gut 130 Prozent gewann der Kurs der Aktie. Rechnet man die Dividenden mit ein, lag die Wertentwicklung bei fast 140 Prozent. Der derzeit wertvollste DAX-Konzern ist eines der größten Softwareunternehmen der Welt und das größte Europas. Das Kerngeschäft von SAP ist ERP-Software. Das Kürzel ERP steht für Enterprise Resource Planning, Software zur Steuerung von Geschäftsprozessen.

Im Mai gab SAP-Mitgründer Hasso Plattner seinen Posten als Aufsichtsratschef ab, damit endete eine Ära bei SAP. Im Unternehmen läuft zudem die Umstellung vom Lizenz- auf Abomodelle aus der Cloud, wo die Umsätze besser planbar sind. Bei der Cloud lief es zuletzt sehr gut, im ersten Halbjahr 2024 stiegen die Umsätze hier um rund 24 Prozent. Fürs Gesamtjahr 2024 erwartet SAP für den Bereich währungsbereinigt ein Wachstum zwischen 24 und 27 Prozent.

Anfang des Jahres haben die Walldorfer einen Konzernumbau angekündigt. Die Zahl der betroffenen Stellen wurde im Sommer auf voraussichtlich 9000 bis 10 000 ausgeweitet. Der Umbau kostet, doch SAP will unter anderem den Fokus auf künstliche Intelligenz für Unternehmen stärken. 2025 soll das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) 10,2 Milliarden Euro erreichen. Bis 2027 will man das Umsatzwachstum beschleunigen. Ein Risiko: Das US-Justizministerium untersucht SAP und den IT-Wiederverkäufer Carahsoft wegen möglicher Preisabsprachen.

Krones

Schokomilch, Softdrinks, Wasser, Bier oder Säfte – die Anlagen von Krones sorgen dafür, dass Getränke verpackt werden. Krones ist Weltmarktführer bei Abfüll- und Verpackungstechnologie – das ist auch das Kerngeschäft des MDAX-Konzerns mit Sitz im bayerischen Neutraubling. Krones ist zudem in den Bereichen Prozesstechnik und Intralogistik tätig, so ist man laut Konzern auch der weltweit zweitgrößte

Anbieter von Brautechnik. Zu den Krones-Kunden gehören unter anderem die Getränkeriesen Coca-Cola und PepsiCo sowie die Brauereigrößen AB Inbev und Heineken. Die Bayern sind weltweit tätig, machen den meisten Umsatz in Europa (Anteil 2023: 32,5 Prozent), Nord- und Mittelamerika sowie Asien/Pazifik. Die Familie Kronseder Konsortium Gbr hält knapp 52 Prozent der Aktien. Megatrends wie zunehmende Weltbevölkerung, Urbanisierung oder Nachhaltigkeit stützen laut Konzern das Wachstum der Märkte von Krones. Die Mittelfristziele, die der Vorstand bei einem Kapitalmarkttag im Juli präsentierte, stellen weiteres Wachstum in Aussicht: Bis 2028 soll der Umsatz auf sieben Milliarden Euro steigen (2023: 4,7 Milliarden Euro), die Ebitda-Marge dann bei elf bis 13 Prozent liegen (2023: 9,7 Prozent).

Nemetschek

Nemetschek ist einer der weltweit führenden Anbieter von Software für die Baubranche. Mit den Lösungen der Münchner können Kunden laut Konzern Gebäude und Infrastrukturprojekte effizienter und nachhaltiger planen, bauen und verwalten. So können durch den Einsatz digitaler Lösungen beim Bauen Ressourcen eingespart werden. Nemetschek arbeitet auch daran, den Einsatz von digitalen Zwillingen weiter zu beschleunigen. Ein digitaler Zwilling, also ein digitales Abbild etwa eines Gebäudes, kann zum Beispiel beim effizienten und nachhaltigen Management oder Umbau eines Gebäudes helfen. Die Softwarelösungen von Nemetschek, einer der größten Konkurrenten ist der deutlich größere US-Konzern Autodesk, decken laut Konzern den gesamten Lebenszyklus von Bau-und Infrastrukturprojekten ab. Man liefert Software von der Architekturbranche übers Ingenieurwesen bis hin zu Anwendungen für Bauwesen und Betrieb. Lösungen können zum Beispiel für Brücken, Sportstätten, Wohnungsbau, Flughäfen, Bahnhöfe, Büros, Hotels, Krankenhäuser oder Schulen, aber auch für Innenarchitektur, Landschaftsplanung oder Kulturstätten eingesetzt werden.

Dazu kommt die Mediensparte, deren Produkte etwa für Filme, Werbung, Videospiele und Virtual Reality genutzt werden; hier könnte das Metaverse beflügeln. Die Sparte wächst schnell und stand 2023 ungefähr für 13 Prozent des Umsatzes. Nemetschek wächst auch durch Übernahmen. Gerade haben die Münchner für circa 770 Millionen Dollar die US-Firma Gocanvas gekauft, einen Anbieter von Bausoftware für Facharbeiter. Der währungsbereinigte Umsatz von Nemetschek soll dadurch 2024 rund drei Prozentpunkte mehr wachsen, insgesamt damit um 13 bis 14 Prozent. Die Spanne der Ebitda-Marge soll dagegen etwa einen Prozentpunkt niedriger rangieren, bei 29 bis 30 Prozent. Die Profitabilität von Gocanvas liege noch unter dem Konzerndurchschnitt, heißt es von Nemetschek. Dazu drückt der Kauf Umsatz und Ebitda (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) 2024 noch etwas. Die operative Gocanvas-Marge soll unter anderem durch eine höhere operative Effizienz und Synergien wachsen. Bei der Umstellung von Lizenzen auf Abomodelle scheint der MDAX-Konzern gut voranzukommen. Durch sie steigt der Anteil wiederkehrender Umsätze, 2024 soll er auf 85 Prozent zulegen. Solche Erlöse sind besser planbar. Auch die Internationalisierung will man weiter vorantreiben. Nemetschek wurde 1963 von Georg Nemetschek gegründet und ging 1999 an die Börse. Seit März 2022 ist der Franzose Yves Padrines Chef. Die Nemetschek-Familie hält mittel- oder unmittelbar knapp 51 Prozent der Aktien.

Übrigens: Dieser Artikel erschien zuerst in der Print-Ausgabe 11 von €uro. Diese finden Sie hier

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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstand und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Munich Re.