Von den lichtdurchfluteten Büros
des Onlinekunsthändlers Artnet im
26. Stock des Woolworth-Gebäudes
in Manhattan blickt man auf New York aus
der Vogelperspektive. Das berühmte neugotische
Gebäude ist mit prächtigen steinernen
Wasserspeiern verziert. Eine Augenweide.
Rund 120 Mitarbeiter sind bei
der Internethandelsplattform beschäftigt,
um den globalen Kunstmarkt aufzurollen.
Immerhin ist es unter anderem Artnet zu
verdanken, dass Kauf und Verkauf von
Kunstobjekten heute weitaus transparenter
sind als noch vor 25 Jahren. In Zukunft
will Artnet-Vorstandschef Jacob Pabst den
Kunsthandel auch elektronisch organisieren
- mit Onlineauktionen für Kunst.
Vor zwölf Jahren wurden
am Kunstmarkt 850 Millionen Dollar umgesetzt,
nun sind es sechs Milliarden. Hat sich
da nicht längst eine Preisblase entwickelt?
Nein, das kann man so nicht
sagen. Der Kunstmarkt besteht aus vielen
Teilmärkten. Und nicht überall läuft es so gut
wie im Teilmarkt für zeitgenössische Kunst.
Dort gibt es einige sehr populäre Topkünstler,
die immer wieder Schlagzeilen machen -
nicht immer unbedingt wegen ihrer Kunst,
sondern wegen der erzielten Preise. Aber das
ist nur die Spitze des Kunstmarktes.
Liegt es an der mangelnden Kunstkenntnis
der Leute, dass sage und schreibe 142 Millionen
Dollar für einen Francis Bacon auf den
Tisch gelegt werden?
Nein, nicht unbedingt. Ich will mir nicht
anmaßen
zu behaupten, dass dafür zu viel
Geld ausgegeben wird und es an Kunstsachverstand
mangelt. Aber es geht oft natürlich
nicht nur um die Kunstbegeisterung
an sich, sondern um gesellschaftliche Motive,
um Status. Das war schon immer so. Da will
man die populären, teuren Künstler
besitzen.
Warum braucht es Firmen wie Artnet?
Der Markt ist ineffizient. Die traditionellen
Auktionshäuser organisieren in der Regel nur
zweimal im Jahr Auktionen. Sie haben eine
sehr aufwendige Struktur. Ihre Margen sind
so gering, dass sie nur Waren annehmen können,
die sich zu 100 Prozent verkaufen lassen.
Wir aber können Kunstwerke jederzeit innerhalb
von drei Wochen verkaufen. Wir haben
nicht die gleiche Kostenstruktur, weil wir die
Auktionsgegenstände nicht in Besitz nehmen
und sie daher nicht versichern müssen. Wir
veranstalten keine Ausstellungen und drucken
keine Kataloge - deshalb bieten wir
unsere Dienstleistung günstiger an.
Der Aktienkurs von Artnet schwankt seit gefühlt
ewigen Zeiten um die drei Euro. Warum
bewegt sich da nichts?
Das frage ich mich auch (lacht). Wer nur den
Kurs anschaut, könnte denken, wir treten auf
der Stelle. Doch wir denken nicht in Quartalen,
sondern wollen langfristig eine große
Rolle im Markt spielen. Würden wir nicht in
den Onlineauktionsbereich und in die Weiterentwicklung
des Produkts investieren,
dann wären wir hochprofitabel. Wir finanzieren
uns vollständig aus Eigenmitteln.
Artnet gilt als Übernahmekandidat.
Wir sind völlig unterbewertet. Die Deutsche
Börse kann nicht nachvollziehen, dass es uns
seit 25 Jahren gibt und wir dennoch nur gerade
mal Profit machen. Viele Anleger können
den Umbruch im Kunstmarkt vielleicht nicht
so gut einschätzen.
Warum ist Artnet in den USA angesiedelt und
nicht in Deutschland?
Mein Vater hat 1989 das Geschäft hier in New
York gegründet. Die USA sind das Zentrum
des Kunstmarkts, hier werden die meisten
Umsätze erzielt. New York hat außerdem den
netten Nebeneffekt, dass es hier Zugang zu
sehr vielen talentierten Menschen gibt. Zum
Beispiel sind die Leute, die unsere Preisdatenbank
führen, bestausgebildete Kunsthistoriker,
die mehrere Sprachen sprechen.
Ihrem Vater, dem Artnet-Gründer Hans Neuendorf,
gehören immer noch 1,5 Millionen
Aktien. Tritt er Ihnen manchmal wegen des
Aktienkurses auf die Füße?
Na klar, die ganze Zeit (lacht). Ihm gehören
27 Prozent. Alle Aktionäre wollen, dass der
Kurs hochgeht, ich auch. Nur ist es mir noch
wichtiger, dass Artnet die Marktführerschaft
behält und langfristig eine tragende Rolle im
Kunstmarkt spielt. Deshalb ist es in unserem
Interesse, Geld in Artnet-News, in die Internetseite
und in die Onlineauktionen zu investieren.
Das sind alles wichtige Bausteine.
Auf Seite 2: Investor-Info