Wirecard wies die in der "Financial Times" (FT) am Vortag erhobenen Vorwürfe künstlich aufgeblähter Umsätze bei Auslandstöchtern am Mittwoch in einem ausführlichen Statement zurück. Nach einer Achterbahnfahrt zum Handelsstart erholte sich die Aktie des Zahlungsdienstleisters vorübergehend und kletterte auf bis zu 125 Euro. Am Vortag war sie zeitweise um bis zu 23 Prozent auf 107,80 Euro eingebrochen.
Der Fall Wirecard beschäftigt unterdessen weiter die Behörden. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München sagte gegenüber boerse-online.de, die Ermittlungen in dieser Angelegenheit dauerten an. "Wir ermitteln gegen Unbekannt wegen des Verdachts auf Marktmanipulation", sagte die Sprecherin. Die Ermittlungen richteten sich nicht gegen Wirecard. Das Unternehmen sei der Geschädigte, ergänzte die Sprecherin. Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen im Frühjahr nach mehreren Anzeigen aufgenommen, nachdem es als Folge von Betrugsvorwürfen zu Kurseinbrüchen bei Wirecard gekommen war.
Zum Stand der Ermittlungen oder wann diese zu einem Ergebnis führen könnten, wollte die Sprecherin keine Angaben machen. Auch die Finanzaufsicht Bafin hatte am Dienstag erklärt, sie werde den neuerlichen Vorfall in die noch laufende Untersuchung wegen Verdachts auf Marktmanipulation einfließen lassen.
Die FT hatte am Dienstag Dokumente vorgelegt, die zeigen sollen, dass Umsätze von Tochterfirmen im Ausland manipuliert worden seien. Bereits im Frühjahr hatte die FT über Bilanzunregelmäßigkeiten bei einer Wirecard-Tochter in Singapur berichtet. Daraufhin war der Kurs ebenfalls abgestürzt.
Das Unternehmen Wirecard wirft der FT im Gegenzug vor, mit sogenannten Leerverkäufern zusammenzuarbeiten, die auf fallende Kurse setzen. Die britische Zeitung hatte dies zurückgewiesen. Nach den Kursturbulenzen im Frühjahr hatte die Finanzaufsicht Bafin die Wirecard-Aktie mit einem zweimonatigen Leerverkaufsverbot belegt.
Dieses erstmals bei einem DAX-Wert verhängte Leerverkaufsverbot stellt einen massiven Eingriff in den Börsenhandel dar. Die Bafin bezeichnete die Kursturbulenzen damals als "ernstzunehmende Bedrohung für das Marktvertrauen in Deutschland". Es bestehe das Risiko, dass die Verunsicherung zunehme und sich zu einer generellen Marktverunsicherung ausweite, hieß es in der Begründung der Bafin. Für ein erneutes Verbot von Leerverkäufen sieht die Bafin derzeit nach eigenen Angaben keinen Grund.
Analysten zeigten sich am Mittwoch nach der jüngsten Eskalation uneins. DZ Bank und Warburg Research bezeichneten die erneuten Vorwürfe als "aufgewärmt". Das Analysehaus Independent Research senkte das Kursziel, beließ aber die Einstufung für die Wirecard-Aktie auf "Halten". Selbst wenn sich die Aktie auch dieses Mal von den Angriffen erholen sollte, dürfte dieses Wechselspiel aus Vorwürfen, Kurseinbruch und Wirecard-Dementis kein Ende finden, schrieb Analyst Markus Jost. Das Unternehmen habe es trotz mehrerer Bekundungen offenbar noch immer nicht geschafft, Zweifel bei den Anlegern auszuräumen.