Der Zahlungsabwickler Wirecard will seine mehrfach verschobenen Jahreszahlen am kommenden Donnerstag (18. Juni) vorlegen. Das Unternehmen bekräftigte vor Kurzem, dass es gegenüber den vorab veröffentlichten Zahlen "keine wesentlichen Abweichungen" ge- be. So soll der operative Gewinn (Ebitda) zwischen 1,0 Milliarden und 1,12 Milliarden Euro liegen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Marktmanipulation hätten "keine Auswirkungen auf das operative Geschäft", erklärte das Unternehmen.
Nach einer Anzeige der Finanzaufsicht Bafin gegen den kompletten Vorstand hatte die Staatsanwaltschaft München am vergangenen Freitag (5.6.) die Firmenzentrale durchsucht. Dem Unternehmen wird Marktmanipulation im Zusammenhang mit der Vorlage eines Sonderprüf-Berichts der Wirtschaftsprüfer KPMG vorgeworfen. Wirecard soll dabei irreführende Signale an den Kapitalmarkt gegeben haben.
Diese jüngste Zuspitzung hat keinen direkten Zusammenhang mit möglichen Problemen, die der KPMG-Bericht selbst aufgedeckt hat oder noch aufdecken könnte. KPMG hatte seit Herbst 2019 die Jahresabschlüsse von Wirecard im Auftrag des Aufsichtsrats geprüft. Dem Unternehmen war zuvor immer wieder Bilanzmanipulation vorgeworfen worden. In dem Ende April 2020 veröffentlichten KPMG-Gutachten wird festgestellt, das sich viele Transaktionen nicht nachvollziehen ließen, weil Unterlagen fehlten. Die Prüfer beschweren sich, dass sie keinen Zugang zu entscheidenden Unterlagen bekommen hätten. Die Veröffentlichung hatte zu einem drastischen Kurssturz der Wireard-Aktie geführt. Die Beschwerden der Prüfer lassen nichts Gutes ahnen, auch wenn Wirecard bislang keine Falschdarstellung nachgewiesen wurde.
Banklizenz gefährdet
Ob nach der jüngsten Zuspitzung der Ereignisse die Jahreszahlen tatsächlich am 18. Juni kommen, erscheint allerdings fraglich. Die entscheidende Frage aber ist: Wird der Abschluss auch ein vollständiges Testat haben - oder nur ein eingeschränktes oder gar keins? Der KPMG-Bericht deutet darauf hin, dass die Prüfer es schwer hatten, das Geschäft nachzuvollziehen. Dass die Schwierigkeiten um die Abschlussprüfung mittlerweile öffentlich sind, macht es für die Prüfer nicht gerade leichter.
Ein fehlendes oder eingeschränktes Testat könnte für Wirecard und sein Bankgeschäft weitreichende Folgen haben. Fehlt ein Testat, könnte beispielsweise die Finanzaufsicht Bafin noch härter auftreten und insbesondere prüfen, ob angesichts nicht dokumentierbarer Zahlungsströme Wirecard die Banklizenz zu entziehen ist. Ohne Banklizenz könnte der Konzern seine Dienstleistungen kaum noch wie gewohnt anbieten.
Ohne uneingeschränktes Testat könnte es auch Firmenchef Markus Braun eng werden. Denn der Aufsichtsrat hätte dann einen triftigen Grund, ihn zu entlassen. Das Argument, dass alles nicht so schlimm ist, gilt spätestens dann nicht mehr.
Wegen der mehrfach verschobenen 2019er-Zahlen hat Wirecard darüberhinaus die Zulassungsvoraussetzungen für das Börsensegment Prime Standard verletzt. Die Zahlen hätten bereits Ende April vorliegen müssen. Die Deutsche Börse prüft derzeit Sanktionen, wie ein Sprecher gegenüber BÖRSE ONLINE bestätigte. Neben einer Geldstrafe bis zu einer Million Euro droht nach Angaben des Sprechers im Wiederholungsfall auch der Ausschluss aus dem Prime Standard - und damit auch aus dem DAX. Auch wenn im nachgereichten Abschluss ein Testat fehlt, könnte es für die Börsenzulassung eng werden.