Im Februar 2020 habe ich ein Wirecard-Zertifikat gekauft, das nach der Pleite des Zahlungsdienstleisters wertlos ist. Lohnt es sich, auf Schadenersatz zu klagen, wenn ich keine Rechtsschutzversicherung habe?
Euro am Sonntag: Die rechtlichen Ansprüche von Wirecard-Anlegern sind stark umstritten. Im Kern geht es um die Frage, in welcher Reihenfolge Anspruchsteller entschädigt werden. Im Normalfall müssen Privatanleger hinter anderen Fremdkapitalgebern - etwa Banken - zurücktreten. Im Fall von Wirecard ist aber nichts normal. Für Fachanwälte wie Klaus Nieding ergeben sich Schadenersatzansprüche aus der Falschinformation des Kapitalmarkts: Bei richtiger Information über die Finanzlage des Konzerns hätten Anleger vermutlich nicht investiert, so seine Argumentation.
Bei Zertifikatebesitzern sei die Rechtslage noch komplizierter: Hier komme es darauf an, wie das Produkt strukturiert ist. Hat ein bestimmtes Zertifikat beispielsweise die Wirecard-Aktie als Basiswert, greife bei der Klärung von Schadenersatzansprüchen grundsätzlich die gleiche Argumentation wie bei Aktien. In solchen Fällen rät Nieding geschädigten Anlegern, im Insolvenzverfahren gegen Wirecard Forderungen anzumelden. Dann könnten Geschädigte mit einer Rückzahlungsquote von etwa zehn Prozent rechnen.
Ob Niedings Rechtsauffassung zutrifft, müssen Gerichte entscheiden. Eine Studie der Uni Köln kam zu dem Ergebnis, dass sich Wirecard-Aktionäre - trotz der Falschinformationen des Konzerns - keine Hoffnungen auf eine Beteiligung an der Insolvenzmasse machen sollten.
Ohne eine Rechtsschutzversicherung bleibt eine Klage daher ein finanzielles Risiko, das einzugehen nur jeder Betroffene selbst entscheiden kann. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die Höhe der Schadensumme.