Die Aktienperformance des internet-basierten Karriere-Netzwerks Xing kann sich sehen lassen. Seit dem Börsengang im Dezember 2006 kletterte der Titel von 30 auf aktuell fast 160 Euro und hat sich damit mehr als verfünffacht. Technikvorstand Jens Pape nahm dies zum Anlass und verkaufte im April Xing-Aktien. An fünf Handelstagen verkaufte er aus einem Aktienoptionsplan 11.702 Aktien.
Das Ausmaß des Insiderverkaufs relativiert sich aber bei genauerem Hinsehen deutlich, schließlich sind die realisierten Kursgewinne gedeckelt worden. Da die Optionen bei circa 40 Euro bezogen und mögliche Ausübungsgewinne des Optionsberechtigten auf 35 Euro pro Aktie begrenzt wurden, bestand bereits ab einem Aktienkurs von circa 75 Euro kein wirtschaftliches Interesse mehr, die Optionen zu halten. Im April strich Technikvorstand Pape daher keinen Gewinn in Millionenhöhe ein, sondern erzielte ein Plus von über 400.000 Euro. Die ganz große Aufregung scheint daher nicht angebracht zu sein, zumal Ausübungen grundsätzlich nur im Rahmen einer limitierten Anzahl von Ausübungsfenstern im Zeitraum Ende März 2015 bis Ende März 2016 möglich waren.
Auf der Website des Unternehmens wurde vor den Pape-Transaktionen Ende September 2014 letztmals über eine meldepflichtige Insidertransaktion berichtet. Damals kaufte Johannes Meier, Mitglied des Xing-Aufsichtsrats, für 85.348 Euro 1.000 Aktien des von ihm überwachten Unternehmens und bewies dadurch ein erstaunlich "gutes Näschen". Sein Aktienpaket hat sich in etwas mehr als sechs Monaten somit fast verdoppelt.
Für ganz normale Börsianer sind solche "Glücksgriffe" eher selten. Die Handelsaktivitäten der Führungskräfte eines Unternehmens sollten sie bei Ihren eigenen Entscheidungen zum Kauf oder Verkauf aber stets gebührend berücksichtigen.
Auf Seite 2: Analysten überwiegend bullish
Ohne den tiefen Einblick eines Insiders greifen Anleger, bei der Bewertung einer Aktie meist auf zwei Analysemethoden zu - fundamentale oder charttechnische. Analysten sind hinsichtlich Xing nach der Kursrally voll des Lobs. Seit dem Jahreswechsel dominierten eindeutig die positiven Kommentare. Aktuell raten sechs Analysten zum Kauf und zwei zum Halten des TecDAX-Werts. Der Konsens der Aktienexperten weist einen Anstieg des Gewinns pro Aktie von 2,45 Euro (2014) über 3,26 Euro für das laufende Geschäftsjahr bis hin zu 4,28 Euro (2016) bzw. 5,79 Euro (2017) aus.
Zahlreiche Kursziele sind mittlerweile von der Realität allerdings überholt worden. Über dem aktuellen Aktienkursniveau sind derzeit lediglich die Kursziele von Hauck & Aufhäuser (160 Euro), Jefferies & Company (170 Euro) und Commerzbank (160 Euro) angesiedelt, während der Durchschnittswert mit 143 Euro deutlich niedriger ausfällt.
Aus charttechnischer Sicht kann man der Xing-Aktie zwar weiterhin einen intakten Aufwärtstrend attestieren, einige Aspekte mahnen jedoch zur Vorsicht. 100- und 200-Tage-Linie tendieren unverändert bergauf, wobei der Abstand zwischen Aktienkurs und Durchschnittslinien mittlerweile als exorbitant hoch beschrieben werden kann. Seit dem Börsengang erwies sich eine solche Beobachtung stets von temporärer Natur. Unter Timingaspekten lieferte im April zudem der Timingindikator Relative-Stärke-Index mit dem Unterschreiten der Marke von 70 Prozent ein klares Verkaufssignal. Wer jetzt noch einsteigt, braucht vor allem eines: eine gehörige Portion Mut.
Zum Autor:
Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.