Selbst Putzlappen und Klopapier: Im Internet gibt es fast nichts, was sich nicht verkauft. Allein mit Haushaltsartikeln setzten deutsche Onlinehändler im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro um. Insgesamt wuchs das hiesige E-Commerce-Volumen 2017 um 10,6 Prozent auf 48,9 Milliarden Euro.
Es soll laut dem Deutschen Handelsverband HDE dieses Jahr um weitere zehn Prozent zulegen. Selbst dann wird der Online-Anteil am gesamten Einzelhandel erst bei 10,2 Prozent liegen. Eine Sättigung, so der HDE, ist nicht in Sicht. Unterdessen macht die disruptive Macht des Internets vor keinem Geschäftsmodell halt. Aktuell digitalisieren der Lieferdienst Delivery Hero und der Kochboxanbieter Hello Fresh Teile der Restaurant- und Supermarktbranche.
Der Löwenanteil im Onlinegeschäft dürfte hierzulande erneut auf Amazon entfallen. Bereits 2017 wurde im Netz fast jeder zweite Euro bei dem Internetgiganten ausgegeben. Trotzdem ist für Ralf Kleber "immer noch Tag eins: Wir stehen am Anfang der Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung eröffnet", so der Deutschland-Chef von Amazon.
Internethändlern geht es daher aktuell meist nur um eins: Marktanteile erobern. Denn nur wer die Kundenzahl steigert, kann seine Kosten auf immer mehr Nutzer verteilen. Erst dann skaliert das Geschäft. Wer heute wächst, erzielt morgen Gewinn, so das Credo der Branche.
Diese Überzeugung teilt Zalando, Europas größter Online-Modehändler. "Wachstum ist für Zalando wichtiger als Profitabilität", sagt Co-Chef Rubin Ritter. Das beweisen die jüngsten Quartalszahlen. Der Umsatz kletterte auf 1,2 Milliarden Euro. Das Einnahmeplus von 22 Prozent war mehr, als Analysten erwartet hatten. Gleichzeitig fiel die Gewinnmarge auf null. Doch Ritter hat andere Maßstäbe. Laut Zalando werden im europäischen Modemarkt jährlich 420 Milliarden Euro umgesetzt. Der Marktanteil von Zalando daran betrage etwas mehr als ein Prozent. "Das ist nicht der Punkt, wo man sagt, dass dies ausreicht", erklärt Ritter.
Eine ähnliche Strategie verfolgt Zooplus. Der auf Heimtierbedarf spezialisierte Onlinehändler kämpft mit starkem Wettbewerbs- sowie Preis- und Margendruck. Daher wird auf kurzfristige Gewinne verzichtet. Bisher mit Erfolg. Im ersten Quartal kletterte der Umsatz um über ein Viertel auf 323 Millionen Euro. Dem steht ein Vorsteuerverlust von 5,5 Millionen Euro gegenüber. Wegen der hohen Bewertungen beider Konzerne warten langfristige Investoren Rücksetzer ab, bevor sie einsteigen.
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Heiße Turnaround-Wetten
Anders sieht es bei den Turnaround-Fällen der deutschen E-Commerce-Branche aus. Noch warten die angeschlagenen Unternehmen darauf, an die Kursentwicklung ihrer Kollegen anzuknüpfen, so etwa Holidaycheck. Seit Jahren verkauft das Internetportal Pauschalurlaube, doch die Reisen sind komplex, der Beratungsbedarf hoch und der Wettbewerb hart. Holidaycheck steckt daher viel Geld in Marketing. Doch von denen, die auf die kostspieligen Anzeigen bei Google klickten, buchten anschließend zu wenige ihre Reise bei den Münchnern. Ergebnis: Verlust in den vergangenen beiden Jahren.
Doch seit 2016 der ehemalige Amazon-Manager Georg Hesse die Führung übernommen hat, werden Angebot und Service ausgebaut, etwa mit einem Callcenter. Die Maßnahmen brachten im ersten Quartal 24 Prozent mehr Umsatz und ein um 40 Prozent verbessertes Betriebsergebnis. Mit den deutlich steigenden Einnahmen bietet das Unternehmen die im Internetgeschäft erwarteten Wachstumsraten. Noch wichtiger ist der überproportional hohe Renditesprung. Die Verbesserung zeigt, dass sich die Werbung bei Google und Co langsam auszahlt. Das dürfte den Kurs weiterhin treiben.
Auch bei Windeln.de soll es seit diesem Jahr ein Ex-Amazon-Mann richten. Die Münchner bauen unter Matthias Peuckert Stellen ab und geben ganze Märkte auf. Produkte wie Windeln oder Milchpulver zählen zu den Bestsellern der Firma, doch in Europa lässt sich mit diesen Verbrauchsartikeln kaum Geld verdienen. Peuckert will daher das Sortiment umbauen.
"Ich habe in der Vergangenheit bereits Erfahrung im Bereich Baby- und Kinderartikel gesammelt und kann aus dieser Erfahrung sagen, dass mit dem richtigen Produktmix ein profitables Business möglich ist", sagt der Manager. Weil das wichtige Asien-Geschäft zuletzt jedoch schwächelte und die Aktie unter unseren Stoppkurs gefallen ist, warten Anleger noch ab.
Mit der Restrukturierung weiter ist Elumeo. Die Firma verkauft Edelsteinschmuck, unter anderem im Fernsehen und im Internet. Als Rohedelsteine ab 2015 im Einkauf teurer wurden, blieb beim Geschäft mit den Schmuckstücken nichts mehr hängen. Es folgten rote Zahlen und Kostensenkungen. Nun zeigen die Sparmaßnahmen Wirkung. Während der Umsatz im ersten Quartal um 13 Prozent auf 16,6 Millionen Euro zulegte, wurde der Verlust um ein Viertel auf eine knappe Million Euro reduziert. Wegen der sehr geringen Handelsumsätze der Aktie sollten Anleger ihre Orders limitieren.
Von steigenden Einnahmen ist der Matratzenverkäufer Sleepz noch weit entfernt. Im ersten Quartal sanken die Umsätze weiter, der operative Verlust vergrößerte sich. Die Margen im umkämpften Matratzenmarkt stehen wegen des teuren Onlinemarketings und fallender Preise unter Druck. Das 2017 eingestiegene Beteiligungsunternehmen Heliad verfolgt bei Sleepz einen Buy-and-Build-Ansatz: Zukäufe sollen Synergien bringen und das Angebot verbreitern. Ein Einstieg empfiehlt sich jedoch erst, wenn sich weitere Fortschritte abzeichnen.