Der Online-Modehändler Zalando kappt wegen der Kaufzurückhaltung angesichts der hohen Inflation seine Erwartungen für das Gesamtjahr. Im schlechtesten Fall werde der Umsatz bei rund 10,4 Milliarden Euro stagnieren, teilte der Berliner DAX-Konzern mit. Maximal rechnet Zalando noch mit einem Umsatzplus von drei Prozent auf 10,7 Milliarden Euro. Bisher hat Europas Branchenprimus einen Zuwachs am unteren Ende einer Spanne von 12 bis 19 Prozent in Aussicht gestellt.
Im vergangenen Jahr hatte Zalando dank des Online-Booms erstmals die 10-Milliarden-Marke beim Umsatz überschritten. Auch die Jahre zuvor verwöhnte das Unternehmen die Anleger regelmäßig mit einem robusten zweistelligen prozentualen Wachstum. Für das Bruttowarenvolumen (GMV) erwartet das Management 2022 jetzt ein Plus von drei bis sieben Prozent auf 14,8 Milliarden bis 15,3 Milliarden Euro.
Zalando mit größeren Problemen als gedacht
Das aktuelle Umfeld beeinflusse die finanzielle Entwicklung negativ, kommentierte Co-Chef Robert Gentz die Lage. Zalando geht demnach inzwischen von "makroökonomischen Herausforderungen aus, die länger anhalten und intensiver sein werden, als zunächst angenommen". So dürfte bereits das auslaufende zweite Quartal ersten Schätzungen zufolge schwächer ausfallen als erwartet und "deutlich" unter den Analysten-Erwartungen bleiben. Es sei nicht mehr davon auszugehen, dass sich die Verbraucherstimmung kurzfristig erhole, begründete Zalando die Senkung der Prognose.
Zalando war nach einem schwachen Jahresauftakt bereits im Mai pessimistischer geworden und hatte angekündigt, lediglich das untere Ende der bisherigen Prognosespannen erreichen zu können. Ursprünglich hatte das Management ein Wachstum des GMV von 16 bis 23 Prozent und ein Umsatzplus von 12 bis 19 Prozent auf dem Zettel.
Gewinn schrumpft deutlich
Auch die Ergebnisprognose strich Zalando massiv zusammen. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) dürfte in diesem Jahr deutlich sinken, teilte Zalando weiter mit. Und zwar von 468,4 Millionen Euro im Vorjahr auf 180 Millionen bis 260 Millionen Euro. Bislang hatte das Management für 2022 ein Ziel am unteren Ende der Spanne von 430 Millionen bis 510 Millionen Euro ausgegeben.
Nicht die Senkung der Jahresziele überrasche, sondern das Ausmaß, schrieb Analystin Sherri Malek von kanadischen Bank RBC in einer ersten Reaktion am Donnerstag-Abend. Insgesamt müsse die Branche nach der Pandemie ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Wachstum und Profitabilität finden. Daher müsse Zalando wohl die Wachstumsambitionen zurückschrauben. Dank der führenden Rolle in Europa und der Plattformstrategie habe der Konzern aber weiterhin das Zeug, schneller zu wachsen als der Sektor.
Für Analystin Georgina Johanan von der US-Bank JPMorgan ist ebenfalls lediglich das Ausmaß der Zielsenkung überraschend. Sie sieht sogar das Risiko, dass Zalando im Jahresverlauf womöglich noch weiter zurückrudern muss, da die Prognose von einer Verbesserung der Entwicklung im zweiten Halbjahr ausgehe. Volker Bosse von der Baader Bank kommentierte am Freitag, dass die nach unten geschraubten Erwartungen auch die mittelfristigen Ziele gefährden könnten.
Einschätzungen zur Zalando-Aktie
Die Zalando-Aktie bricht am Freitagmorgen ein notiert zeitweise 18 Prozent tiefer bei 20,94 Euro. Damit rutschte die Aktie auch unter ihren Ausgabepreis zum Börsengang im Jahr 2014 zu 21,50 Euro. Am Mittag notiert der Wert noch etwa sieben Prozent im Minus bei 24 Euro.
Damit setzt sich der steile Abwärtstrend der Zalando-Aktie fort. Während der Hochphase der Pandemie hatte Zalando lange Zeit vom florierenden Online-Handel profitiert. Im Sommer vergangenen Jahres hatte der Kurs mit 105,90 Euro ein Rekordhoch erreicht, womit das Unternehmen damals fast 28 Milliarden Euro wert war. Inzwischen sind es nur noch rund sechs Milliarden Euro.
Die US-Investmentbank Bank of America (BofA) senkt nach der Gewinnwarnung ihr Kursziel für Zalando deutlich. Analyst Geoffroy de Mendez überarbeitete in einer am Freitag vorliegenden Studie seine Schätzungen und setzte das Kursziel der Aktie von zuvor 28 Euro auf nun 18 Euro herab. Damit sieht er trotz des aktuellen Kursrutsches noch weiteres Abwärtspotenzial von knapp 25 Prozent. Sein Anlageurteil "Underperform" bekräftigte er.
Auch BÖRSE ONLINE rät von einem Kauf der Zalando-Aktie ab, da noch weitere Prognosesenkungen folgen können. Lediglich kurzfristige Trading-Chancen könnten sich ergeben.
mmr mit dpa und rtr