Rekorde machen offenbar Angst. Anders ist kaum zu erklären, warum
Privatanleger trotz immer neuer
Höchststände des DAX der Börse
konsequent fernbleiben. Erst vergangene
Woche markierte der deutsche Leitindex
mit 11 013 Punkten einen neuen Bestwert.
Allein in diesem Jahr beträgt die Rendite
bereits mehr als elf Prozent. Selbst wer
2008 - noch vor der Finanzkrise -zu denkbar
ungünstigen Kursen in der Nähe von
8000 Punkten begann, Wertpapiere zu
kaufen, hat bis zum heutigen Tag über 30
Prozent Gewinn gemacht.
Dennoch besitzen hierzulande nur
13 Prozent der Bevölkerung Aktien oder
Fonds. Unverändert scheuen sich neun von
zehn Deutschen, für eine höhere Renditechance
mehr Risiko einzugehen. Sparbuch,
Tages- und Festgeldkonten bleiben die Favoriten.
Selbst zehnjährige Bundesanleihen
bringen nur noch 0,3 Prozent Zinsen.
Und schon bei minimaler Inflation greifen
die Niedrigzinsen die Substanz an.
Wer der Börse fernbleibt, riskiert damit
also vor allem eines: die schleichende Entwertung
seines Vermögens. Allein schon
wenn es um den Werterhalt geht, führt kein Weg am Aktienmarkt vorbei. Nicht zuletzt
diese Tatsache treibt aktuell die Kurse.
Natürlich hat die Börse ihre Fallstricke -
es gibt jedoch keinen Grund, Angst vor
ihnen zu haben. Schon mit einfachsten Verhaltensweisen
lässt sich die Mehrheit der
Klippen umschiffen. Dafür hat BÖRSE ONLINE
die zehn wichtigsten Regeln der Aktienanlage
zusammengestellt. Sie erleichtern
den Einstieg an der Börse, verbessern die
Gewinnchancen und helfen, beim langfristigen
Vermögensaufbau gelassen zu bleiben.
Und erfahrenen Investoren rufen sie
die Basics in Erinnerung.
Auf Seite 2-11: Die Regeln im Überblick
Regel 1: Realistische Ziele setzen
Eines dürfen Privatanleger an der
Börse nicht erwarten: das schnelle
Geld. Zwar gibt es Aktien, die binnen
Wochen oder Monaten um 100 Prozent und
mehr steigen, doch das ist die Ausnahme
und stets mit hohem Risiko verbunden. An
der Börse sollte daher stets mit realistischen
Zielen investiert werden. Denn wer
keine Kursraketen jagt, begrenzt sein Verlustrisiko
und ist nicht enttäuscht, wenn
Investments einen kleineren, dafür aber
stabilen Wertzuwachs liefern. Und selbst
ohne Kursverdoppler im Depot sind Aktien
alles andere als ein Renditefriedhof. So
stieg der DAX seit seinem Start im Dezember
1987 bis jetzt im Schnitt um acht Prozent
pro Jahr. Das macht Aktien zur attraktivsten
aller Anlageklassen und bietet eine
gute Orientierungsmarke für die eigenen
Erwartungen.
Zwei Drittel des Wertzuwachses
entfallen dabei auf Kurssteigerungen,
ein Drittel auf die Dividende, die Gewinnausschüttung
der Konzerne. Wird diese wieder reinvestiert, erhöht das nochmals
die Rendite. So stieg die Aktie des
Lebensmittelherstellers Nestlé von 1990
bis heute um 730 Prozent. Pro Jahr macht
das ein Plus von 8,8 Prozent. Hätten Anleger
die ausgeschüttete Dividende regelmäßig
wieder in die Aktie investiert, läge die
Rendite im Schnitt bei 11,4 Prozent.
Dafür müssen Anleger jedoch kurzfristig
mit teils deutlich fallenden Kursen zurechtkommen.
So erlebte der DAX im Sommer 2008 seinen bislang schlimmsten
Rücksetzer mit einem Minus von 40 Prozent.
Mehr als zwei Jahre in Folge ging das
Kursbarometer jedoch nur einmal zurück:
von 2000 bis 2002. Um von solchen Ereignissen
nicht kalt erwischt zu werden, sollte
das angelegte Geld für mindestens drei,
besser noch fünf Jahre entbehrlich sein
und nicht für nahende Anschaffungen
oder den Urlaub gebraucht werden.
Auf keinen Fall sollten Aktien auf Kredit
gekauft werden. Geht die Spekulation
schief, ist das Geld weg, die Schulden aber
bleiben, und die Aktien sind als
Gegenwert für den Kredit nicht
mehr zu gebrauchen.
Regel 2: Kaufe nur, was du verstehst
Was der Bauer nicht kennt, das
frisst er nicht, lautet ein sprichwörtliches
Vorurteil. Wer im Klischee
beleibter Landwirte bleibt, könnte
entgegnen, dass ihnen dieses Verhalten
gut bekommt. Kulinarisch müssen Anleger
diesem Wahlspruch zwar nicht folgen,
aber bei Aktieninvestments lohnt es sich
durchaus, das Sprichwort auf seine Anlageentscheidungen
zu übertragen. Oder wie
es Börsen-Altmeister Warren Buffett ausdrückt:
"Kaufe nur, was du verstehst." Wer
sich daran hält, erhöht die Chancen auf ein
wohlgenährtes Depot.
Paradebeispiel für den profitablen Purismus
ist dabei Buffetts Beteiligungsholding.
Der Kurs von Berkshire Hathaway stieg in
den vergangenen zehn Jahren um 178 Prozent,
was einem jährlichen Plus von etwa elf
Prozent entspricht. Der S & P 500, jener
Aktienindex, der die Entwicklung der 500
größten amerikanischen Aktien abbildet,
legte im Schnitt hingegen nur um 7,28 Prozent
pro Jahr zu.
Die Wirksamkeit dieser Anlegerregel hat
zwei Gründe. Wer in Aktien investiert,
muss in der Lage sein, die Erfolgsaussichten
eines Unternehmens zu bewerten. Eine
Aufgabe, die bei einfachen
und damit verständlichen Geschäftsmodellen wie beispielsweise
dem von Volkswagen oder
Adidas leichter fällt als etwa bei dem von
Biotechunternehmen.
Gleichzeitig bedeutet ein einfaches Geschäftsmodell
eine gewisse Krisensicherheit.
Auch hier taugt der Lebensmittelgigant
Nestlé wieder als Beispiel. Solange
die Weltbevölkerung wächst und damit ihr
Appetit steigt, stehen dem Schweizer Konzern
grundsätzlich keine größeren Probleme
ins Haus.
Warren Buffett formuliert den Vorteil
eines im Kern so schlichten Geschäftsprinzips
ungleich pointierter: Er investiere nur
in Unternehmen, die auch ein Idiot führen
könne, da es früher oder später so komme,
begründet der 84-Jährige seine Vorliebe
für simple Geschäftsideen. Aber natürlich
kann es sich für Anleger auch lohnen, in
Spezialsektoren wie Biotech zu investieren.
Da hier aber selbst erfahrene Anleger
an ihre Grenzen stoßen, empfiehlt es sich,
etwa via Fonds die Auswahl der Investments
erfahrenen Profis zu überlassen.
Regel 3: Die eigenen Grenzen kennen
Wie viel Angst können Sie aushalten?
Diese Frage sollten sich
Anleger zwingend beantworten,
bevor sie an der Börse investieren. Und
zwar mit einem absoluten Eurobetrag und
nicht einem abstrakten Prozentwert. Zwar
steigen die Börsen langfristig (siehe Regel 1),
aber zwischenzeitlich werden Verluste zu
verkraften sein. Da diese nach Ergebnissen der Verhaltensökonomie emotional dreimal
mehr wehtun, als Gewinne Freude bereiten,
ist es wichtig, seine Schmerzgrenze
zu kennen. Dann wird die Aktienanlage
nicht zur Nervenprobe, wenn das Depot
einmal rote Zahlen zeigt. Zudem hilft die
Verhaltensweise von vornherein, das Risiko
zu begrenzen.
Wer weiß, wie hoch der eigene Verlust
maximal sein darf, wird Investments, die
diese Grenze übersteigen, eher meiden.
Auch das Verhältnis der verschiedenen Anlageklassen
im Depot zueinander hat einen
großen Einfluss auf das Risiko. So schwankt
der Wert von Aktien stärker als der von Anleihen
und hat damit mehr Einfluss auf
Gewinn oder Verlust des Portfolios. Vorsichtige
Einsteiger sollten daher prinzipiell
mit einer niedrigen Aktienquote von 20
Prozent der Gesamtanlage starten. Aktien
sind im Übrigen Anteilscheine an Unternehmen
und damit eine Investition in
Sachwerte, das schützt vor Inflation.
Im aktuellen Börsenumfeld darf die Aktienquote
allerdings höher sein. Je nach
Risikoneigung
rät etwa der Chefanlagestratege
der Commerzbank, Chris Oliver Schickentanz,
zu einer Aktienquote von bis zu
74 Prozent. Als weitere Faustregel bei der
Bestimmung des Aktienanteils im Depot
gilt die Formel 100 minus Lebensalter.
Denn wer jünger ist, hat mehr Zeit, Kursrückschläge
wieder auszugleichen. Rückt
der Lebensabend näher, sollte die Aktienquote
schrittweise reduziert werden, um
die erreichten Gewinne abzusichern. Um
das Risiko ausreichend auf verschiedene
Aktien verteilen zu können (siehe Regel 4),
sollte das Depot jedoch eine Mindestgröße
von 3000 bis 5000 Euro haben.
Regel 4: Risiko streuen
Die Erkenntnis klingt banal, doch sie
brachte Harry Markowitz 1990 den
Wirtschaftsnobelpreis ein. Der Wissenschaftler
hatte gezeigt, dass es bei der
Aktienanlage tatsächlich mehr bringt,
nicht alle Eier in einen Korb zu legen, und
dazu eine Formel entwickelt, wie das am
besten geht. Heißt: Anlageklassen weltweit
entwickeln sich unterschiedlich voneinander,
deshalb ist es sinnvoll, seine Anlagen
auf verschiedene Branchen, Volkswirtschaften,
dazu Rohstoffe und Währungen
zu verteilen. Sinkt zum Beispiel der Ölpreis,
machen Ölgesellschaften Verluste.
Dafür ist Benzin günstiger, Verbraucher
können mehr ausgeben - gut für die Hersteller
von Konsumartikeln.
Wer sein Verlustrisiko auf diese Weise
streut, kann Rückschläge der einen Aktie
durch Gewinne der anderen kompensieren.
Gleichzeitig beeinflusst ein sinkender
Kurs das Depot weit weniger, wenn es sich
um eine Position von vielen und nicht um
ein Viertel des Portfolios handelt. Um die
passende Mischung zu finden, genügt es, sein Geld gleichmäßig über die verschiedenen
Anlageklassen zu verteilen.
Eine gute Streuung ist bereits mit zehn
bis 15 Investments erreicht. Mehr Positionen
bringen nicht zwingend mehr Sicherheit,
sondern beeinträchtigen eher die Rendite und Übersichtlichkeit. Ein bewährtes
Mittel zur Risikostreuung sind
internationale
und viele Unternehmen umfassende
Aktienindizes. Damit lässt sich
auch der Drang, vor allem heimische
Papiere
zu kaufen, korrigieren. Für Investments
in Indizes sind ETFs (siehe Tabelle)
eine kostengünstige Lösung. Daneben bieten
weltweit anlegende Mischfonds den
Vorteil, dass neben Aktien auch in Anleihen
oder Rohstoffe investiert wird. Besonders
defensiv ist der Skalis-Mischfonds.
Zur Absicherung des Depots wird vielfach
auch Gold verwendet. Es gilt als Krisenwährung,
der Kurs steigt in der Regel,
wenn an den Märkten die Unsicherheit zunimmt.
Vermögensverwalter halten gern
zwischen zehn und 20 Prozent in Gold.
Regel 5: Börsianisch für Einsteiger
In der Börsensprache wimmelt es von
Fachbegriffen.
Alle müssen Anleger nicht
kennen, doch die wichtigsten sollten ihnen
vertraut sein, um die wirtschaftliche Lage
eines Unternehmens beurteilen zu können.
Die Citigroup hat nachgerechnet, welche
Kennzahl die wichtigste ist: das Kurs-
Gewinn-Verhältnis, kurz KGV. Anleger, die
von 1995 bis 2007 stets die Aktien mit dem
niedrigsten KGV kauften, erzielten die
beste Rendite. Das KGV erhält man, indem
man den aktuellen Kurs durch den Gewinn
je Aktie teilt. Steht eine Aktie bei zehn Euro
und entfällt ein Euro Gewinn auf jeden Anteilschein,
ergibt das ein KGV von zehn.
Das gilt als günstig, besonders für Unternehmen,
die den Gewinn von Jahr zu Jahr
steigern können. Als Faustregel gilt: Ist das
Gewinnwachstum größer als das KGV, ist
die Aktie unterbewertet.
Eine weitere entscheidende Kennziffer
ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Es
setzt die Vermögenswerte einer Firma -
von den Markenrechten bis zu Produkten
im Lager - ins Verhältnis zur Börsenkapitalisierung.
Liegt dieser Wert unter eins,
ist der Besitz der Firma mehr wert, als das
Unternehmen an der Börse kostet. Auch
das deutet auf eine Unterbewertung hin.
Wichtig ist zudem die Ebit-Marge. Das
Ebit ist der Gewinn vor Steuern und Zinsen, also der Ertrag eines Unternehmens,
nachdem alle Herstellungskosten abgezogen
sind. Das Ebit im Verhältnis zum Umsatz
ist die Ebit-Marge. Diese zeigt in Prozent
an, wie viel an den Produkten verdient
wird. Ist die Marge hoch, wovon ab Werten
von 15 Prozent gesprochen wird, ist das ein
gutes Zeichen. Zum einen arbeitet die
Firma sehr profitabel, zum anderen bedeutet
dies, dass bei fallenden Preisen für die
Produkte nicht gleich Verluste entstehen.
Besonders interessant für Anleger ist die
Dividende - die Gewinnausschüttung an
die Aktionäre, über die sie direkt am Unternehmenserfolg
beteiligt werden. Eine
hohe Dividendenrendite - Dividende im
Verhältnis zum Aktienkurs - erscheint also
wünschenswert. Wichtig ist jedoch, dass
die Dividende nicht durch Kredite finanziert
wird oder die Gewinnrücklage auffrisst.
Dann fehlt Geld für Investitionen.
Entscheidender ist, ob ein Unternehmen in
der Vergangenheit durchgängig Dividende
gezahlt und regelmäßig gesteigert hat. Das
schaffen nur Firmen, die den langfristigen
Unternehmenserfolg im Blick haben.
Regel 6: Die Wirtschaft im Blick haben
An der Börse regieren Zahlen.
Quartalszahlen,
Halbjahreszahlen,
Wachstumsraten
- alles fundamentale
Daten der Unternehmen selbst, die
Aufschluss über deren wirtschaftlichen Erfolg
geben. Doch an den Finanzmärkten
werden Erwartungen gehandelt, und zwar
jene über die zukünftigen Gewinne der
Konzerne. Weil sich die Aussicht auf steigende
Profite in einem boomenden Umfeld
erheblich verbessert, sind auch Konjunktur-
oder Verbraucherstimmung für die Laune der Finanzmärkte entscheidend.
Manchmal sind solche Makrofaktoren, die
mit dem einzelnen Unternehmen direkt
nichts zu tun haben, sogar der viel stärkere
Stimmungsaufheller als gute Bilanzzahlen.
Zum Beispiel hat die Europäische Zentralbank
mit der Ankündigung ihres Anleihekaufprogramms
eine Extradosis Glückseligkeit
spendiert.
Um die Einflüsse solcher Ereignisse auf
die Konjunktur zu messen, haben Wirtschaftsexperten
Frühindikatoren entwickelt.
Für Deutschland gilt der Geschäftsklimaindex
des Ifo-Instituts als am aussagekräftigsten.
Für den Index werden 7000 Entscheidungsträger in Unternehmen zu
ihren wirtschaftlichen Zukunftserwartungen
befragt, womit der Indikator deutlich
näher an der Realwirtschaft ist als die
meisten Analysten der Banken. Ein starkes
Signal sind Wendepunkte in der Indexentwicklung.
So stieg die Kurve des Ifo-Index
im Januar zum dritten Mal in Folge und
drückt damit eine deutlich steigende Zuversicht,
was gute Geschäfte betrifft, an.
Regel 7: Zeit nehmen
Warren Buffett ist ein Paradebeispiel
für Geduld. Nicht nur, weil
der Investor durch clevere Aktienanlagen
zum drittreichsten Mann der
Erde aufstieg, sondern auch, weil sich der
84-Jährige Zeit nimmt. Das "Orakel von
Omaha", wie er auch genannt wird, zeigt
eindrucksvoll, welche Wertzuwächse Aktien
langfristig ermöglichen. Doch um ihre
volle Renditekraft zu entfalten, brauchen
die Papiere Zeit. Sie sind ein langfristiges
Investment. "Eine Aktie, die man nicht
zehn Jahre zu halten bereit ist, darf man
auch nicht zehn Minuten besitzen", sagt
Buffet. Sein Kompagnon Charles Munger
ergänzt: "Das große Geld machen wir nicht
beim Kauf oder Verkauf, sondern beim Warten."
Der Geduldsfaden eines Anlegers
sollte daher mindestens zehn Jahre nicht
reißen. Oft werden Aktienkäufer erst nach
dieser Frist mit einer deutlichen Rendite
für das eingegangene Risiko belohnt. Der
Grund: Aktienmärkte schwanken, und
auch Börsencrashs kommen immer wieder
vor. Die dabei entstehenden Verluste auszugleichen
braucht Zeit, denn Rekordjahre
kommen noch seltener vor als Crashs. Erst
zweimal, 1993 und 1997, stieg der DAX um
mehr als 40 Prozent in einem Jahr.
Das vergangene Jahr war mit einem Plus
von 2,7 Prozent durchwachsen bis ordentlich.
2013 hingegen hatte der deutsche Leitindex
um rund 25 Prozent zugelegt. Gleichzeitig
arbeitet der Zinseszinseffekt mit
jedem Jahr, das weiter investiert wird, stärker
für den Anleger. Bei einer Rendite von
im Schnitt acht Prozent pro Jahr hätte sich
ein Kapital von 10 000 Euro innerhalb von
zehn Jahren auf 21 589 Euro mehr als verdoppelt.
Nach 20 Jahren läge das Plus bei
über 400 Prozent.
Regel 8: Gewinne laufen lassen, Verluste begrenzen
Manchmal haben Aktiendepots etwas
sehr Morbides. Wie in einem Leichenschauhaus
liegen darin Portfolio-
Zombies aus uralten, besseren Zeiten
- Air Berlin etwa, Commerzbank oder Singulus.
Statt sich von diesen Werten rechtzeitig
zu trennen, werden die Papiere in
der Hoffnung auf den Turnaround ewig gehalten.
Schließlich ist der schmerzhafte
Verlust (siehe Regel 3) erst dann realisiert,
wenn die Aktie tatsächlich verkauft wird.
Davor lebt die Hoffnung auf bessere Zeiten weiter. Verluste werden so laufen gelassen,
Aktien mit ersten Gewinnen hingegen zu
früh verkauft werden - aus Angst, auch
diese könnten zu Scheintoten werden.
Gegen diese Aktiennekrophilie helfen
Stoppkurse. Dabei handelt es sich um Kursgrenzen,
bei deren Erreichen die Aktie sofort
verkauft wird. Wie wichtig die konsequente
Begrenzung von Verlusten ist, zeigt
die Grafik. Halbiert sich ein Kurs von 100
auf 50 Euro, reicht dem Titel kein Plus von
50 Prozent, um den Rückgang auszugleichen.
Der Wert muss sich stattdessen verdoppeln:
von 50 auf 100 Euro. Bei einem
Verlust von zehn Prozent reicht hingegen
ein Plus von elf Prozent, um die Scharte
im Depot auszuwetzen. Stoppkurse sollten
daher bereits beim Kauf gesetzt werden.
Wie weit diese unter dem Einstiegspreis
liegen dürfen, ist jedoch keine exakte Wissenschaft.
Um den richtigen Stopp zu finden,
kann die Chartanalyse genutzt werden.
Dabei wird im bisherigen Kursverlauf
nach Widerständen gesucht. Das sind
Preisniveaus, bei denen die Aktie regelmäßig
haltmachte, die Schwelle also erst nach
mehrmaligen Anläufen über- oder unterschritt.
Eine andere Möglichkeit ist, den
Stoppkurs pauschal 15 oder 20 Prozent
unter dem Kaufkurs zu platzieren. Dabei
kann auch die eigene maximale Verlustgrenze
(siehe Regel 2) berücksichtigt werden.
BÖRSE ONLINE setzt Stoppkurse aktuell immer mindestens 15 Prozent unter
dem Kurs einer Kaufempfehlung.
Stoppkurse helfen aber nicht nur, Verluste
zu begrenzen, mit ihnen können Anleger
auch Gewinne systematisch absichern.
Dafür bietet sich der Trailing Stop
an. Dabei wird entweder ein absoluter oder
ein prozentualer Betrag festgelegt, um den
die Aktie vor ihrem Verkauf maximal sinken
darf. Steigt die Aktie, läuft der Stoppkurs
im vorher gesetzten Abstand nach.
Fällt der Kurs anschließend, bleibt der
Stoppkurs auf dem zuletzt erreichten
Grenzwert erhalten. Ein Trailing Stop passt
sich immer nur nach oben an. So können
auch Gewinne systematisch abgesichert
werden.
Regel 9: Gefühle im Zaum halten
Die Börse verursacht ein Wechselbad
der Gefühle - einmal himmelhoch
jauchzend, einmal zu Tode betrübt:
Mehr als Angst und Gier steht laut Verhaltensökonomen
an den Finanzmärkten
nicht zur Verfügung. Auch wühlen diese
Gefühle die Investoren nicht laufend auf.
Sie markieren die beiden Extremzustände,
zwischen denen die Aktienmärkte in Wertmehr
oder weniger langen Zeiträumen hin
und her pendeln. Treibt Gier die Aktien,
steigt mit den Kursen auch die Erwartung
auf immer neue Gewinne. Ein Anspruch,
der mit jedem neuen Höchststand schwerer
zu erfüllen ist. Erwartung und Realität
entwickeln sich auseinander, das
Enttäuschungspotenzial wächst. Schlägt
die Stimmung um, fällt der Kurs umso
stärker, je größer das Wunschdenken der
Investoren war. Und so wie bei der Gier
steigende Kurse allein Grund genug
waren, höhere Notierungen zu erwarten,
reicht im Fall von Angst eine sinkender
Kurs für weitere Rücksetzer. Beide Situationen sind Übertreibungen ohne rationale
Grundlage.
Dass Angst und Gier dennoch eine solche
Kursdynamik entfachen können, liegt
am Herdentrieb. Zu tun, was alle tun, fühlt
sich schließlich weitaus sicherer an, als
sich gegen die Meinung der Masse zu stemmen.
Beispiel K + S: Im Sommer 2013 löste
sich ein Förderkartell für Kalisalz auf, und
der Markt befürchtete einen massiven
Preiseinbruch.
Weil das Kassler Unternehmen
die höchsten Förderkosten für das
Düngemittel hat, stellten die Marktteilnehmer
die Wettbewerbsfähigkeit von
K + S infrage,
ließen den Börsenwert über
45 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro absacken.
Auch der Start eines 500 Millionen
Euro schweren Sparprogramms half
wenig. Zwei Jahre später ist klar, dass die
Kalipreise zwar gesunken sind, aber nicht
so tief wie befürchtet. Hartgesottene machen
sich diesen Mechanismus zunutze
und kaufen, wenn eine Aktie unpopulär
ist. Wenn die Pessimisten verstummt sind,
fahren sie den Gewinn ein.
Regel 10: Teure Gebühren vermeiden
Aktien sind günstig oder teuer - je
nach Kurs. Auch der Kauf von Aktien
kann günstig oder teuer sein,
wobei der Kurs dafür jedoch egal ist. Entscheidend
sind die Gebühren. Weil selbst
beim günstigsten Onlinebroker zehn bis 15
Euro je Kauf- oder Verkaufsauftrag fällig
werden, mutieren die Auftragskosten
schnell zu Renditekillern. Die Ordergebühren
fallen besonders bei kleineren Beträgen
stark ins Gewicht. Wer Aktien für 500
Euro ordert, zahlt 15 Euro für die Ausführung
oder drei Prozent der Ordersumme.
Wird das Papier wieder verkauft, ist der
Betrag erneut zu entrichten. Die Kosten,
bezogen auf den Einstiegskurs, belaufen
sich so auf sechs Prozent. Allein um die Gebühren
zu finanzieren, muss der gekaufte
Wert also bereits sechs Prozent steigen.
Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) empfiehlt
daher 2000 Euro als Mindestgröße für eine Order. Unserer Meinung nach reichen
bei einem günstigen Broker auch
1000 Euro. Ein Portfolio mit zehn Aktien
aufzubauen kostet so zwischen 10 000
und 20 000 Euro.
Wem das zu viel ist, der kann auf Fonds
setzen. In diese kann meist, wie bei einem
Sparplan, mit einer monatlichen Rate investiert
werden. Ein weiterer Vorteil dieser
Methode: Der Einstiegszeitpunkt ist relativ
egal. Da gleichmäßig stets dieselbe Summe
fließt, wird nie alles zum höchsten, aber
auch nicht zum niedrigsten Kurs investiert.
Allerdings werden auch bei Fonds Gebühren
fällig: zunächst der beim Kauf zu zahlende
Ausgabeaufschlag von meist fünf
Prozent, gefolgt von der jährlichen Managementgebühr
von 0,5 bis 1,5 Prozent.
Zudem können erfolgsabhängige Gebühren
hinzukommen.
Wer Fonds online kauft, zahlt weniger
oder gar keinen Ausgabeaufschlag. Alternativ
können Fondsanteile auch über die
Börsen erworben werden. Dann fallen jedoch
wie bei Aktien Ordergebühren an.
Als günstige Alternative bieten sich daher
ETFs an. Diese Indexfonds bilden die Wertentwicklung
eines Index wie des DAX
eins zu eins ab. ETFs werden nur über die
Börse verkauft, womit der Ausgabeaufschlag
entfällt. Auch die laufenden Kosten
sind mit durchschnittlich 0,45 Prozent
deutlich niedriger.