Angesichts wachsender Spekulationen auf eine bald nahende Zinserhöhung in den USA haben Europas Aktienanleger am Donnerstag wieder den Rückwärtsgang eingelegt. Allerdings machte einigen der Rückgang des Euro auf ein Sieben-Wochen-Tief von 1,1181 Dollar Mut, da dadurch europäische Waren auf dem Weltmarkt wieder günstiger werden. Der Dax halbierte bis zum Nachmittag seine Verluste und notierte mit 9870 Punkten noch 0,8 Prozent im Minus. Dabei drückte vor allem der Kurssturz beim Schwergewicht Bayer. Anleger fürchten den Leverkusener könnte die geplante Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto teuer zu stehen kommen. Der EuroStoxx50 verlor 0,6 Prozent.

Für die Wall Street signalisierten die US-Futures zur Eröffnung ebenfalls niedrigere Kurse. Dazu trugen auch enttäuschende neue US-Konjunkturdaten bei. So waren der Wochenbericht vom Arbeitsmarkt und der Konjunkturindex der Fed von Philadelphia schwächer als gedacht ausgefallen.

Laut dem am Mittwochabend veröffentlichten Protokoll der April-Sitzung der US-Notenbank hielten die meisten Währungshüter eine Zinserhöhung am 15. Juni für angebracht - sollte die Konjunktur weiter anziehen. Daher gilt das Hauptaugenmerk der Anleger nun den Daten. Für Verunsicherung sorgt auch der Termin der nächsten Fed-Sitzung am 15. Juni - etwa eine Woche vor der Abstimmung der Briten über einen EU-Verbleib am 23. Juni. "Das Timing ist schon irre, das wird der Fed sicher nicht schmecken", sagte ein Händler. Und an den Märkten sorge das für hohe Volatilität.

Die Zinsspekulationen schoben den Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen wie Euro oder Yen widerspiegelt, um 0,4 Prozent in die Höhe. Einige Börsianer sprachen von einem Comeback des Dollar, der in den vergangenen sieben Wochen unter den Spekulationen gelitten hatte, dass die Fed allenfalls Ende des Jahres wieder an der Zinsschraube drehen könnte.

TOURISTIK-AKTIEN UNTER DRUCK



Gesprächsthema Nummer eins war die mögliche Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto durch Bayer. Einzelheiten zu den vorläufige Übernahmegespräche gaben beide Unternehmen nicht preis. Monsanto wird an der Börse derzeit mit gut 42 Milliarden Dollar bewertet, Bayer bringt das Doppelte auf die Waage. Doch viele Anleger fürchten, dass Bayer neues Kapital aufnehmen muss, um sich den Hersteller des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat einzuverleiben. Die Bayer-Aktien sackten um 8,6 Prozent auf ein Zweieinhalb-Jahres-Tief von 88,18 Euro ab. Lachende Gesichter dagegen bei Monsanto-Aktionären: Die Titel sprangen im vorbörslichen US-Handel um über sieben Prozent in die Höhe. BASF verloren rund ein Prozent. Dem Chemiekonzern wird ebenfalls Interesse an Monsanto nachgesagt.

Größter Gewinner im Dax waren die Titel von Merck mit einem Plus von bis zu 4,3 Prozent nach einem überraschend starken Jahresauftakt. Die DZ Bank bestätigte ihre Kaufempfehlung, die Zahlen hätten die Erwartungen übertroffen.

Die Aussicht auf steigende US-Zinsen schob auch viele Finanzwerte wieder an. Deutsche Bank stiegen am Tag der Hauptversammlung um drei Prozent. Commerzbank legten zwei Prozent zu.

Ein enttäuschender Ausblick brockte Thomas Cook dagegen einen Kurssturz von 19 Prozent ein. Die ebenfalls in London gelisteten Aktien des Rivalen TUI verloren 2,3 Prozent. Auf die Stimmung in der Branche drückte auch der Absturz eines ägyptischen Passagierflugzeuges über dem Mittelmeer.

Reuters