Mehr Anleger vertrauen Robo-Advisors ihr Geld an. Ihr Wunsch: ohne Angst oder Gier investieren, mit der Rationalität der Datenhirne gewinnen. Doch für wen lohnt sich das und für wen nicht? Von Gregor Dolak
Als die Elektropop-Pioniere der Band Kraftwerk Anfang der 1980er-Jahre den Song „Die Roboter“ aufnahmen, klang das ein bisschen piepsig und sehr modern nach Zukunft: „Wir sind alle programmiert/was du willst, wird ausgeführt.“ Musikalisch hat Techno das Erbe der Musiker aus Düsseldorf angetreten. Am Finanzmarkt versprechen heute sogenannte Robo-Advisors auszuführen, was Anleger wollen: Investments, die scheinbar ohne menschliches Zutun Gewinne generieren. Im Jahr 2022, genau 40 Jahre nach dem Kraftwerk-Album „Die Mensch-Maschine“, delegieren immer mehr Menschen ihre Geldanlagen an solche Maschinen.
Bei den mittlerweile breit vertretenen Onlinebrokern müssen sie noch selbst auswählen, welche Aktien oder ETFs sie kaufen. Die Robo-Advisors nehmen ihnen solche Entscheidungen mit Datenwissen und angeblich reiner Rationalität ab. Die Kunden müssen den Programmen ihre Risikobereitschaft mitteilen, von defensiv über ausgewogen bis zu offensiv, und die Anlagesumme einzahlen.
Dann rechnet, kauft und verkauft so ein Robo. Hoffentlich mit Gewinn. „Viele Menschen geben in Gelddingen gern die Verantwortung ab“, beobachtet Finanzexperte David Wagner vom Analyse-Institut Fondsconsult, „früher an ihren Bankberater, heute an einen Robo.“
Die passive Rolle scheint das sichere Gefühl zu vermitteln, die Software investiere das Kapital ohne Angst, aber auch ohne zu große Gier in die richtige Richtung. Die Emotionen vom Anlageprozess abzutrennen, ist hilfreich. Doch am Ende sollten sich die Nutzer keinen Illusionen hingeben, gibt Wagner zu bedenken. Niemand außer ihnen selbst verbucht etwaige Gewinne — aber auch Verluste.
Robo Advisor: Aus der Nische in die Höhe
Der deutsche Markt wächst schnell. Von 2021 auf 2022 hat sich die Gesamtsumme des von Robos verwalteten Vermögens auf 11,5 Milliarden Euro verdoppelt — motiviert von den guten Renditen, die seit dem Corona-Einbruch bis zum letzten Jahreswechsel möglich waren. Allerdings fällt das Vertrauen in die Robo- Advisors ausgerechnet in eine Phase, in der die Börsen eher abwärts, in jedem Fall aber sehr schwankend tendieren.
Hexen können auch Algorithmen nicht. So ergeben die Daten von Fondsconsult für das laufende Jahr für alle analysierten Robo-Advisors negative Renditen, ob nun mit ausgewogenen oder offensiven Anlagestrategien. Die Genialität ihrer Funktionsweise liegt derzeit in der Vermeidung von Verlusten.
So hat der Wettbewerber Cominvest seit Jahresanfang 2022 mit eher konservativ motivierten Anlagen nur 1,5 Prozent verloren, während Warburg mehr als 13 Prozent einbüßte. Im offensiven Segment verlor Minveo 3,6 Prozent, Warburg dagegen 13,9 Prozent.
Ausgeglichener und deshalb auf- schlussreich für eine längerfristige Beurteilung ist daher die Zwei-Jahres-Analyse von Fondsconsult. Der rechnerisch beste Robo Solidvest spielte mit ausgewogenem Ansatz von Januar 2021 bis Ende Oktober 2022 immerhin 10,8 Prozent Ertrag ein, während Raisin vier Prozent Verlust einfuhr. Mit offensiver Strategie blieben bei Quirion 18, bei Warburg nur 0,6 Prozent hängen.
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Unterschiede im Ansatz
Viele Anbieter greifen zum klassischen Robo-Ansatz, sie investieren eher in passive Instrumente wie marktbreit aufgestellte ETFs. Einige der Programme, die in der Tabelle mit eher geringen Erträgen auffallen, zählen dazu. Andere bedienen sich zunehmend auch des Kaufs von Einzelaktien oder aktiv gemanagten Fonds, die bei höherem Risiko unter dem Strich höhere Renditen einbrachten.
Allerdings sind die Erträge in der Tabelle vor Abzug der Kaufkosten für die Kunden gerechnet, sodass teure Investmentinstrumente den realen Gewinn erheblich stärker schmälern als günstige. Am geringsten fallen die Kosten laut Fondsconsult bei Raisin aus, am höchsten bei Vividam.
Das Wachstum der Robo-Adivisors hängt in näherer Zukunft am Vergleich mit den Onlinebrokern, bei denen die Anleger selbst kaufen und verkaufen. „Die Herausforderung für die Zukunft liegt für die Anbieter darin, sich klarer von den Brokern abzugrenzen“, meint Analyst Wagner. Diese seien gebührenseitig noch immer günstiger als Robos.
Viel größer ist denn auch deren Markt. Der Neobroker Scalable Capital verwaltet allein schon ein Vermögen von mehr als zehn Milliarden Euro. Das ist annähernd die Größenordnung des gesamten Robo-Markts, auf dem Scalable überdies auch noch agiert. Wagner liest aus den Fondsconsult-Daten eine Entwicklung, die den Anlagemaschinen weiteres Wachstum verheißt: „Da gibt es Traditionalisten, die bislang noch zur Anlageberatung in ihre Bankfiliale gehen. Manche von ihnen überspringen den Schritt zum Broker und gehen gleich zum Robo.“ Weil sie dort nicht auf Unterstützung verzichten müssen.
Robo Advisor: Kundschaft im Wandel
Abzulesen ist die Entwicklung laut Wagner am durchschnittlichen Anlagevermögen der Kunden. Dieses sei von 35.000 Euro im Jahr 2020 auf fast 80.000 Euro im Jahr darauf gestiegen. „Anfangs haben sich junge, digital affine Nutzer der Generation Z für Robo-Advisors begeistert. Die verfügen noch nicht über großes Kapital zur Anlage.“ An den höheren Einlagen seien die älteren, vermögenderen Kunden zu erkennen.
Eine der traditionsreichsten deutschen Banken, die Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe mit Wurzeln bis ins Jahr 1796, ist vor einigen Jahren in das Zukunftsbusiness eingestiegen. Kerstin Jungmann, Chefin der digitalen Vermögensverwaltung Zeedin, bestätigt den Wandel in der Kundschaft: „Unsere Zielgruppe war anfangs etwas jünger.“ Mittlerweile liegt das Alter der Nutzer im Schnitt zwischen 40 und 50 Jahren. Am wichtigsten schätzt Jungmann dabei den Trend zur Individualisierung und Personalisierung ein. Sein Anlage- kapital einem anonymen Großrechner auf investivem Autopilot anzuvertrauen, betrachten viele Kunden noch immer skeptisch.
Deshalb entwickelt sie mit Zeedin — wie auch andere Anbieter — die Robo-Idee weiter. Den klassischen Ansatz ergänzt sie um eine „menschliche Komponente“: Bei der Digi-Tochter der Traditionsbank überwachen und korrigieren Assetmanager, die mit dem Private Banking des Hauses kooperieren, die Gewichtung der Wertpapiere, die die Algorithmen handeln. Das Rebalancing, das manche Robo-Advisors automatisiert durchführen, läuft durch ihre Hirne. „Anfangs dachten wir, man brauche nicht viele Menschen dahinter. Dieses Geschäftsmodell hat sich zu einer hybriden Strategie entwickelt“, sagt die Zeedin-Macherin. Die vergleichsweise guten Erträge auch in schwankenden Börsenzeiten sprechen dafür. So finden Mensch und Maschine am Finanzmarkt in eine neue Balance. Rechenpower plus klassisch- analoge Expertise.