Für eine Provision von 17,5 Prozent auf den Erstattungsbetrag hilft das Portal Divizend Anlegern, zu viel gezahlte Quellensteuern von ausländischen Finanzbehörden zurückzuholen – ohne den üblicherweise damit verbundenen Papierkrieg.
Andere Länder, andere Sitten. Andere Behörden, andere Formulare. Vor allem für Anleger, die ausländische Dividendenaktien im Depot haben, sind Quellensteuern ein Dauerärgernis. Da es zwischen Deutschland und zahlreichen anderen Staaten Doppelbesteuerungsabkommen gibt, steht Bundesbürgern vielfach zumindest eine teilweise Rückerstattung zu — auf dem Papier jedenfalls.
Doch in der Praxis sind die Verfahren oft so aufwendig und teuer, dass Anleger lieber darauf verzichten. Ein Start-up-Unternehmen aus München will damit Schluss machen. Auf der Internetseite www.divizend.com können sich Anleger kostenfrei registrieren und bei Bedarf ihre zu viel bezahlten Quellensteuern mit relativ wenigen Mausklicks zurückholen. Erst wenn der Antrag an die Finanzbehörde des jeweiligen Landes abgeschickt ist, wird eine Gebühr fällig. 17,5 Prozent der Erstattungssumme stellt Divizend für den Service in Rechnung.
Das ist Divizend
Zu den Mitgründern des neuen Portals zählt BÖRSE-ONLINE-Kolumnist Thomas Rappold. Dem Börsen- und Technologieexperten war es ein Dorn im Auge, dass sich der Papierkrieg vielfach nur für die Inhaber sehr großer Wertpapierdepots lohnte. „Bisher war das ein Thema für die Upper Class“, sagt er. „Jetzt hat jedermann die Chance, zu seinem Recht zu kommen.“ Das Portal macht es auch Normalanlegern einfach, ihre Erstattungsansprüche fehlerfrei an ausländische Finanzbehörden zu übermitteln. Durch Kooperationen mit zahlreichen Banken und Brokern können Depots oft sogar automatisch eingelesen werden. Die erforderlichen Angaben können ohne weitere Fachkenntnisse in der Muttersprache (nicht wie häufig gefordert in der jeweiligen Landessprache) eingegeben werden, die Übermittlung der Daten erfolgt auf Knopfdruck. Sogar die häufig geforderte Wohnsitzbescheinigung wird automatisch generiert.
„Die Schweiz hat eigens eine Schnittstelle geschaffen, die wir nutzen“, erklärt Rappold. Damit sind die Erstattungen in einem der wichtigsten Dividendenländer aus Sicht deutscher Anleger zum Kinderspiel geworden. So kommen wenigstens 75 Prozent der Bruttodividenden von Roche, Novartis und Co bei den Anlegern an. Zusätzlich verkürzt sich die durchschnittliche Wartezeit von drei Monaten auf etwa drei Wochen.
Den Unterschied für Langfristanleger verdeutlicht Rappold gern am Beispiel Nestlé: Wer 1960 für 10 000 Schweizer Franken Anteilscheine des Nahrunsgmittelklassikers kaufte und die Nettodividende jedes Jahr in Aktienzukäufe investierte, hätte mit vollem Quellensteuerabzug heute eine Nestlé-Position von 2,52 Millionen Franken im Depot. Inklusive der jährlichen Steuerrückerstattung wären es bei gleicher Vorgehensweise 3,41 Millionen.
Für wen lohnen sich Dividendenerstattungen?
Große Beträge und sehr lange Zeiträume — gewiss. Doch im Prinzip lohnt sich der Divizend-Service schon ab dem ersten Euro, denn die Minimumgebühr liegt gerade mal bei 50 Cent. Hinzu kommt, dass man sogar die zu viel bezahlten Quellensteuern für vier Jahre auf einen Schlag zurückfordern kann. Auch wenn es nur um 50 Euro pro Jahr ginge, wären das schon 200 Euro. Heißt: Nach Abzug der Divizend-Provision bleiben 165 Euro netto auf der Habenseite.
Das System funktioniert übrigens in beide Richtungen: Auch wer seinen Wohn- und Steuersitz im Ausland hat, kann sich über Divizend deutsche Quellensteuern zurückholen. Mehr noch: Es erleichtert Dividendenjägern sogar die Aktienauswahl, denn durch einen Dividenden-kalender (kalender.divizend.com) sind Ausschüttungshöhen, Ex-Tage und die Dividendenhistorie der gängigsten Aktiengesellschaften ersichtlich.
Bislang sind über Divizend Erstattungen in zehn europäischen Ländern und Australien möglich. Großbritannien (keine Quellensteuer) und die USA (wegen des Doppelbesteuerungsabkommens werden automatisch nur 15 statt der üblichen 30 Prozent abgezogen) fehlen, weil es hier keine Notwendigkeit gibt, aktiv zu werden. Aber vor allem zwei weiße Flecken auf der Landkarte, die aus Sicht deutscher Anleger relevant sind, sollen bald eliminiert werden. Bei Aktien aus Italien zerren vor allem die langen Wartezeiten (bis zu zehn Jahre) an den Nerven. Und in Frankreich werden zum Teil Zusatzbelege gefordert, die bestenfalls bei Verwahrstellen wie Clearstream zu bekommen sind — gegen eine saftige Gebühr von 75 Euro.
Auch damit wollen Rappold und sein für die Technik verantwortlicher Divizend-Mitgründer Julian Nalenz aufräumen. Die bisherigen Gespräche mit EU-Mandatsträgern bezeichnet das Duo als „Sechser im Lotto“. Die EU stehe einem einheitlich barrierefreien Zugang zu Erstattungsansprüchen ebenso aufgeschlossen gegenüber wie der Verpflichtung der Staaten zur pünktlichen Rückzahlung.
Möglicherweise wird schon im Sommer eine entsprechende Richtlinie auf den Weg gebracht. Andere Länder, gleiches Recht.
Elf Länder sind erst der Anfang
Für nahezu jedes Land gelten unterschiedliche Regeln. Die einen erheben Quellensteuern nur auf Zinsen, die anderen nur auf Dividenden, wieder andere auf alle Einkunftsarten, aber mit unterschiedlichen Sätzen. Zudem wird in vielen Staaten unterschieden, ob die Dividende aus dem Cash- flow oder aus Rücklagen bezahlt wird. Auch hier können die Steuersätze variieren. Alle diese Daten hat Divizend für elf Länder gesammelt, um fehlerfreie Erstattungsanträge zu ermöglichen. Fortsetzung folgt ...
Bisher lohnte sich der Aufwand der Rückforderung oft nur für Anleger mit großen Depotvolumina. Da die Idee „gleiches Recht für alle“ zur Demokratisierung und Förderung der Aktienkultur beiträgt, kooperiert unter anderem die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) mit Divizend. Auch institutionelle Investoren wie Fondsgesellschaften, Vermögensverwalter und Pensionskassen nutzen das Portal bereits, Banken zum Teil für ihre Kunden, zum Teil aber auch für den Eigenhandel.
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