Ein iPhone unter dem Weihnachtsbaum – für viele Menschen wird der Wunsch in diesem Jahr nicht in Erfüllung geben. Apple hat massive Nachschubprobleme. Mehrere Millionen iPhones werden wegen Produktionsausfällen in China nicht rechtzeitig zum Fest fertig. Aus Sicht der Börse nicht das einzige Ärgernis. Seit dem Rekordhoch zu Jahresbeginn ist der Wert der Aktie um rund ein Viertel eingebrochen. Ist 2022 nur ein Ausrutscher? Oder der Beginn einer längeren Problemphase? Eine Analyse. Von Sven Parplies
Die Finanzen: Apple bleibt eine Gewinnmaschine. In dem zum September beendeten Geschäftsjahr erwirtschafteten die Kalifornier einen Nettogewinn von 99,8 Milliarden Dollar und damit so viel wie nie zuvor in der Konzerngeschichte. Die Wachstumsdynamik aber lässt nach. Für das zum Oktober gestartete Geschäftsjahr kalkulieren Analysten laut Bloomberg-Konsens sogar mit einem leichten Gewinnrückgang, in den Jahren danach mit leichten Steigerungen von rund fünf Prozent. Das ist für einen Wachstumswert nicht besonders beeindruckend.
Das nächste "Big Thing" von Apple
Apple ist vor allem das iPhone. Mehr als die Hälfte des Jahresumsatzes von zuletzt 394 Milliarden Dollar stammt von diesem einen Produkt. Dank Preiserhöhungen und einer breiteren Auswahl hat der Konzern den Umsatz des Smartphones immer weiter steigern können. Mit der Uhr und dem iPad wurde die Produktpalette erweitert. Das iPad setzte im vergangenen Geschäftsjahr 29 Milliarden Dollar um. Was bei anderen Unternehmen ein riesiger Erfolg wäre, entspricht bei Apple weniger als zehn Prozent des Gesamtumsatzes. Auf lange Sicht könnte die Welt der virtuellen Realität dem Geschäft Schwung verleihen. Im neuen Jahr wird die erste VR-Brille von Apple erwartet. Diese dürfte zunächst ein Nebengeschäft sein, könnte aber großes Potenzial entfalten, je weiter das Metaverse in die Realität der Menschen vordringt. Dann sind da die Pläne für ein Apple-Auto. Nach jüngsten Gerüchten könnte es 2026 tatsächlich vom Band rollen. Die Investmentfirma Loup kalkuliert, dass Apple bei einem Marktanteil von zwei Prozent und einem Stückpreis von 100.000 Dollar bis 2030 mit seinem Auto auf einen Umsatz von 150 Milliarden kommen könnte. Das wäre eine wirklich große Nummer auch für Apple. Nach den vielen Problemen und Verzögerungen bleiben beim „Projekt Titan“ aber viele Fragezeichen.
Der heimliche Held der Apple-Aktie
Weltweit sind rund 1,8 Milliarden Geräte mit Apples Betriebssystem im Einsatz. Das ist ein gigantisch großer Kundenkreis, denen der Konzern zusätzlich Dienste verkaufen kann. Eine wichtige Geldquelle ist der App Store, bei dem Apple Provisionen kassiert. Auch Abo-Angebote für Musik oder auch Filme und Speicherplatz in der Cloud sollen regelmäßige Einnahmen bringen. Das Service-Geschäft macht inzwischen 20 Prozent des Konzernumsatzes aus und ist zudem überdurchschnittlich profitabel. Sobald die Kosten eines Dienstes gedeckt sind, steigt der Gewinn mit jedem zusätzlichen Kunden überproportional an. Laut Bloomberg-Schätzung ist die Marge im Service-Geschäft doppelt so hoch wie bei den Geräten.
Das China-Dilemma:
Auch für Apple ist der Großraum China ein wichtiger Markt. Knapp 20 Prozent des Konzernumsatzes kamen zuletzt von dort. Noch wichtiger ist die Region als Produktionsstandort. Mehr als 90 Prozent aller iPhones werden laut Bloomberg Intelligence in China produziert. Somit sind die Covid-Beschränkungen der Regierung für Apple doppelt problematisch – sie drücken den Absatz der Produkte in dem Land und behindern die Produktion. Auch die politischen Spannungen sind gefährlich. Eine Eskalation der Krise um Taiwan würde das Geschäft westlicher Firmen in China belasten. Apple dürfte die Produktion stärker in andere Länder - vor allem nach Vietnam und Indien – verlagern. Das aber ist ein langwieriger Prozess.
Juristischer Gegenwind für Apple
Big Tech hat sich Feinde gemacht. Die Marktdominanz und der Umgang mit den persönlichen Daten der Nutzer alarmiert Wettbewerbsbehörden. Bei Apple steht vor allem der App Store im Brennpunkt: Der Konzern kassiert bei allen Verkäufen dort bis zu 30 Prozent Provision. Die Anbieter der Apps sind unzufrieden und auch die Wettbewerbshüter wollen Änderungen. In der Europäischen Union und später wohl auch im Rest der Welt dürfte Apple sein Universum für Shops der Konkurrenz öffnen. Wie schmerzhaft das für Apple wird, lässt sich schwer voraussagen. Analysten gehen davon aus, dass die Masse der Nutzer allein schon aus Sicherheitsgründen weiterhin Apples App Store bevorzugen werden.
Die wichtigste Frage: Was ist die Apple-Aktie wirklich wert?
Apple ist das wertvollste Unternehmen der westlichen Welt, man könnte auch sagen das teuerste. Die Marktkapitalisierung liegt trotz der jüngsten Kursverluste bei mehr als zwei Billionen Dollar. Auffallend: Das Kurs/Gewinnverhältnis ist über die vergangenen zehn Jahre deutlich gestiegen. Von weniger als zehn auf in der Spitze mehr als 30. Zuletzt lag der Multiplikator auf Basis der für die kommenden zwölf Monate erwarteten Konzerngewinne bei 21. Die Apple-Aktie ist also teurer geworden, Welches KGV-Niveau ist gerechtfertigt? Schaut man auf das Gewinnwachstum von rund fünf Prozent, dann wirkt die Aktie überteuert. Angesichts der Stärke seiner Marke und seiner Finanzkraft kann man Apple alternativ mit einem Konsumgüterriesen wie Nestlé oder einem Luxusgüterkonzern wie LVMH vergleichen. Dann wäre ein KGV im höheren 20er-Bereich gerechtfertigt. Analysten glauben weiter an die Aktie: 80 Prozent der Empfehlungen sind laut Datenbank des Finanzdienstes Bloomberg Kaufempfehlungen, nur vier Prozent negativ. Das durchschnittliche Kursziel liegt umgerechnet bei 174 Euro. Auch wenn das Umfeld für Techaktien derzeit schwierig ist, bleibt Apple auf längere Sicht ein gutes Investment.
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Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Apple