MOUNTAIN VIEW (dpa-AFX) - An der Börse präsentiert sich Alphabet derzeit in Topform - außerhalb der Aktienmärkte aber leidet der Google-Mutterkonzern unter Liebesentzug. Im Streit um das inzwischen beschlossene australische Mediengesetz hat das Unternehmen augenscheinlich klein beigegeben und sich unter anderem mit Rupert Murdochs News Corp auf Zahlungen geeinigt. Zuvor hatte Google noch gedroht, seine Suchmaschine in Australien abzuschalten, sollte das Gesetz verabschiedet werden. Wie es sonst so um das Unternehmen steht, was die Aktie bewegt und die Analysten dazu sagen:

DAS IST LOS BEI ALPHABET:

Zweifelsohne, das neue australische Mediengesetz ist ein Novum: Es verpflichtet Plattformbetreiber, Verlage an Werbeeinnahmen zu beteiligen, die sie in Verbindung mit der Verbreitung journalistischer Verlagsinhalte generieren.

Auch in Europa verfolgt man die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Konzernen aufmerksam: Unter dem Eindruck des Streits in Australien schlossen europäische Verleger eine ungewöhnliche Allianz mit Google-Konkurrent Microsoft . Sie wollen dafür kämpfen, dass sich Europa und Deutschland ein Beispiel an Australien nehmen. Es geht um einen Schiedsgericht-Mechanismus zwischen Verlagen und Plattformen bei strittigen Zahlungen für Verlagsinhalte im Netz. Dieser soll langwierige Prozesse und Hängepartie vermeiden.

In der EU war Alphabet in der Vergangenheit vor allem wegen Wettbewerbsverstößen von der zuständigen EU-Kommissarin Margarete Vestager kritisiert und mit Strafen belegt worden, doch auch im Heimatland USA wird der Ton schärfer. Insgesamt 38 Bundesstaaten hatten Mitte Dezember eine Klage wegen einer angeblichen illegalen Monopolstellung des Unternehmens in New York eingereicht. Google wird vorgeworfen, den Wettbewerb bei der Websuche und im Geschäft mit digitaler Werbung zu behindern.

Dies war bereits die dritte US-Kartellrechtsklage gegen die Tochter des Alphabet -Konzerns innerhalb weniger Monate. Auch der hausinterne Widerstand dürfte dem Vorstand wenig gefallen: Mitarbeiter von Google und Alphabet schlossen sich Anfang Januar zu einer Gewerkschaft zusammen. Die Alphabet Workers Union vertrete über 200 Beschäftigte in den USA, teilte die Organisation mit. Dies ist zwar nur ein Bruchteil der 130 000 Beschäftigten von Alphabet, jedoch ist die Existenz einer Gewerkschaft in der gewerkschaftsfernen US-Tech-Branche überhaupt schon ein Kuriosum.

Trotz all dieser Nachrichten: Die Zahlen stimmen. Auch in der Corona-Pandemie blieb das Werbegeschäft bei der Google-Suchmaschine und der Videoplattform Youtube ein lukratives Geschäft für die Konzernmutter. Der Alphabet-Umsatz stieg im vergangenen Quartal um fast ein Viertel auf knapp 57 Milliarden Dollar (rund 47,6 Mrd Euro). Beim Gewinn gab es einen Sprung von fast 43 Prozent auf gut 15,2 Milliarden Dollar.

Youtube wird dabei zunehmend zu einem wichtigen Geschäft. Die Werbeerlöse auf der Plattform stiegen im Jahresvergleich fast um die Hälfte. Allerdings sind Anzeigen im Umfeld der Internet-Suche nach wie vor die zentrale Geldquelle von Google und Alphabet. Das Cloud-Geschäft glänzte hingegen wenig mit einem operativen Quartalsverlust von rund einer Milliarde Dollar.

Unter dem großen Dach des Alphabet-Konzerns finden sich noch zahlreiche weitere, (noch) nicht profitable Firmen. Einigen davon zog der Mutterkonzern in den ersten Monaten des Jahres 2021 den Stecker. Neben dem Projekt Loon, das entlegene Regionen per Ballon mit Internet versorgen wollte, wurde auch das Vorhaben gestoppt, für den eigenen Spielestreaming-Dienst Stadia selbst Spiele zu entwickeln.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Alphabet hat die Analysten im Schlussquartal 2020 überrascht. Viele hatten mit weniger Umsatz und Ergebnis gerechnet. Doch die Erholung im zunächst von der Pandemie gehemmten Werbegeschäft schreitet offenbar schneller voran als bisher von den Beobachtern erwartet. Viele Experten hoben daher ihre Kursziele an. Bis zu 3000 Dollar werden inzwischen für das Papier als fairer Wert aufgerufen.

Auch Analyst Ross Sandler von der britischen Investmentbank Barclays zeigte sich beeindruckt. Er setzte das Kursziel um satte 600 Dollar auf 2500 US-Dollar nach oben und bekräftigte seine Einstufung "Overweight". Der Umsatz und mehr noch das Ergebnis (EPS) hätten die Konsensschätzungen übertroffen, schrieb der Experte. Als Wermutstropfen machte er zwar die deutlich negativen Margen im Cloud-Geschäft aus. Allerdings sei der Auftragsbestand zum Vorquartal um fast die Hälfte gestiegen, was eine weite starke Umsatzentwicklung in diesem Bereich erwarten lasse. Dass die Aktie sich auch bislang in diesem Jahr stark entwickelt hat, hält Christophe Cherblanc von der französischen Bank Societe Generale (SocGen) für gerechtfertigt. Die Google-Muttergesellschaft ernte die Früchte einer breiten Produktpalette, schrieb er jüngst.

Auch das Urteil vieler anderer Analysten ist klar positiv: Fast alle Experten, die sich seit den Quartalszahlen Anfang Februar zu Alphabet geäußert haben, sprechen sich für einen Kauf der Aktie aus und bescheinigen dem Papier noch reichlich Potenzial. Als einer der wenigen Vorsichtigen bleibt Scott Devitt von Stifel Europe lieber an der Seitenlinie. Zu seinem neutralen Votum hat er ein Kursziel von lediglich 2025 Dollar gesetzt, was ein leichtes Rückschlagpotenzial für die Aktie bedeuten würde.

Von den 41 von der Nachrichtenagentur Bloomberg erfassten Analysten raten 39 zum Kauf und zwei zum Halten, keiner sagt "Verkaufen". Das durchschnittliche Kursziel liegt etwas über 2400 US-Dollar.

DAS MACHT DIE AKTIE: (Schlusskurs 11. März 2021)

Anfang Februar sprang die stimmberechtigte Alphabet-A-Aktie erstmals über die Marke von 2000 Dollar, die als stark interpretierten Quartalszahlen der Google-Mutter hatten zuvor den Weg dahin frei gemacht. Nur zwei Wochen später erreichte das Papier sein bisheriges Rekordhoch bei 2145 Dollar.

Zuletzt hob sich das Papier auch deutlich vom Gesamtmarkt ab. Aktuell notiert die A-Aktie nur rund 45 Dollar unter ihrer Höchstmarke, was einem Minus von rund zwei Prozent entspricht. Der technologielastige Nasdaq 100 , in dem das Papier und die nicht stimmberechtigte C-Aktie gelistet sind, kommt in dieser Zeit auf ein Minus von rund 5 Prozent. Der Kursgewinn seit Jahresbeginn summiert sich für Alphabet auf fast ein Fünftel gegenüber einem Plus von rund einem Prozent für den Tech-Index.

Dass die Aktie mittlerweile solche Höhenluft schnuppert, ist auch dem Technologiehype an der Wall Street im vergangenen Jahr zu verdanken. Im Zuge der großen Börsenerholung vom Corona-Crash waren namhafte Zugpferde der Branche wie Microsoft, Alphabet, Amazon und Facebook bei den Anlegern besonders gefragt. Gleichzeitig honorierten die Investoren, dass die Werbeerlöse von Google langsam wieder in Schwung kamen. Denn diese waren durch den pandemiebedingten Einbruch der Konjunktur zunächst getroffenen worden.

Im vergangenen Frühjahr war aber auch die Alphabet-Aktie zunächst mit voller Wucht von dem Corona-Einbruch an den Börsen erfasst worden. Binnen vier Wochen verlor das Papier rund ein Drittel seines Wertes bis auf das Corona-Crashtief von rund 1000 Dollar. Anleger, die damals die Gunst der Stunde nutzten, haben ihren Einsatz bis heute mehr als verdoppelt. Für 2020 ergab sich damit insgesamt ein Kursplus von 30 Prozent.

Langfristig kennt die A-Aktie bislang auch nur einen Weg: den nach oben. Seit Ende 2014 hat sich ihr Wert fast vervierfacht, seit der Weltfinanzkrise 2008 ist der Kurs auf mehr als das 16-Fache gestiegen.

Insgesamt ist Alphabet an der Börse mittlerweile 1,4 Billionen Dollar wert und damit hinter Apple (2 Billionen), Microsoft (1,8 Billionen) und Amazon (1,6 Billionen) einer der nach Marktkapitalisierung größten Konzerne der Welt./ssc/tav/mis

Quelle: dpa-Afx