FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Der Bringdienst Delivery Hero
Nach dem Ausverkauf der Aktien sieht er im aktuellen Kurs die Risiken wieder ausreichend reflektiert. Gründe für den drastischen Absturz der Aktie sieht er zum einen in den Zahlen, aber vor allem im Ausblick. So habe Delivery Hero im Schlussquartal vor allem bei den Aufträgen enttäuscht: "Die Anzahl der Bestellungen wuchs zwar um 28 Prozent, verfehlte aber mit 755 Millionen den Konsens von 850 Millionen deutlich", urteilte Mühl.
Andere Werte wie der Bruttowarenwert oder auch der Umsatz hätten sich hingegen im Rahmen des Erwarteten bewegt. Für großen Frust sorgte dagegen der Ausblick auf das laufende Jahr. Hier liegt das Ziel für den Bruttowarenwert unter dem, was Branchenexperten für möglich halten. Zudem bemängelte der DZ-Bank-Experte, dass der Zukauf des spanischen Lieferdienstes Glovo das operative Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) mit 330 Millionen Euro belasten soll.
Erschwerend hinzu kämen die Geschäfte rund um Expresslieferungen (Quick Commerce), die mit bis zu 550 Millionen Euro negativ zu Buche schlagen sollen - und das, obwohl das Plattform-Geschäft der anderen vier Regionen 2022 den Break-Even erreichen soll. Daraus leite sich ein weiteres Jahr mit operativem Verlust: dieses Mal in Höhe von rund 800 Millionen Euro, während Analysten davor im Schnitt nur ein Minus von rund einer halben Milliarde auf dem Zettel hatten.
Die ohnehin schwierige Ausgangsposition könnte in Zukunft zudem belastet werden, wenn immer mehr Restaurants, Gaststätten und Lokale wieder öffnen. Und auch die Debatte, ob Fahrer angestellt werden sollten oder als selbstständig agieren dürfen, könnte die Entwicklung von Delivery Hero bremsen. Allerdings verwies Mühl auch auf das Wachstum in Schwellenländern, besonders in Asien und im Nahen Osten.
Ein weiteres Problem könnten die Wandelanleihen im Volumen von 1,8 Milliarden Euro sein, die 2024 und 2027 fällig sind. Weil deren Ausübungspreis weit über dem aktuellen Kurs von nur noch knapp über 40 Euro liege, müssten die Anleihen gegebenenfalls teurer refinanziert werden. "Weitere Akquisitionen könnten außerdem erneut zu verwässernden Kapitalerhöhungen führen."
Die Aktie des weltweit agierenden Lieferdienstes hatte am Donnerstag im Tagesverlauf mehr als 30 Prozent an Wert eingebüßt und war mit 46,49 Euro aus dem Handel gegangen. Das war einer der größten prozentualen Tagesverluste einer Aktie in der Geschichte des Dax. Der Börsenwert fiel damit um rund fünf Milliarden Euro. Am Freitag ging der Aktienkurs weiter steil bergab: Ein Delivery-Hero-Papier kostete gegen Mittag knapp 42 Euro und damit zehn Prozent weniger. Seit Jahresanfang summiert sich das Minus auf fast 60 Prozent.
Der Kurseinbruch ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker des Konzerns und des Aufstiegs in den deutschen Leitindex im Sommer 2020. Damals folgte Delivery Hero auf den insolventen Zahlungsabwickler Wirecard
Mit der inzwischen wieder stark gesunkenen Marktkapitalisierung von nur noch zehn Milliarden Euro, nachdem sie zeitweise mehr als 36 Milliarden betragen hatte, wackelt auch wieder die Mitgliedschaft im Dax. Für ein Dax-Unternehmen hat Delivery Hero nach Einschätzung des DZ-Bank-Experten ohnehin eine unzureichende Transparenz. So habe Delivery Hero neben den Angaben zum Wachstum und operativen Gewinn erneut keinerlei weitere Kennziffern (Bilanz, Cashflow, Jahres- oder Quartalsüberschuss) veröffentlicht./ngu/zb/jha/ Mit "Halten" stuft die DZ Bank eine Aktie ein, wenn die Analysten innerhalb der nächsten zwölf Monate mit einer Kursveränderung innerhalb einer Bandbreite von plus/minus fünf Prozent rechnen.
Analysierendes Institut DZ Bank.
Veröffentlichung der Original-Studie: 11.02.2022 / 10:21 / MEZ Erstmalige Weitergabe der Original-Studie: 11.02.2022 / 10:34 / MEZ
Quelle: dpa-Afx