^ DGAP-WpÜG: Prof. Dipl. Ing. Georg Nemetschek / Befreiung Befreiung / Zielgesellschaft: Nemetschek SE; Bieter: Prof. Dipl. Ing. Georg Nemetschek

10.11.2021 / 18:01 CET/CEST Veröffentlichung einer WpÜG-Mitteilung, übermittelt durch DGAP - ein Service der EQS Group AG. Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.

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Veröffentlichung des Bescheids der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 9. Juli 2021 über die Befreiung gemäß § 37 Abs. 1, 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-Angebotsverordnung von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Bezug auf die Nemetschek SE, München (ISIN DE0006452907)

Mit Bescheid vom 9. Juli 2021 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (folgend auch "BaFin") auf entsprechenden Antrag der Nemetschek Familienstiftung (folgend "Antragstellerin"), Hirtenweg 14, 82031 Grünwald, diese von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG befreit, die bevorstehende Kontrollerlangung zu veröffentlichen. Weiter wurde die Antragstellerin von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG befreit, der BaFin eine Angebotsunterlage für ein Pflichtangebot an die Aktionäre der Nemetschek SE, München, zu übermitteln und eine solche Angebotsunterlage zu veröffentlichen. Der Tenor und die wesentlichen Gründe des Befreiungsbescheids werden nachfolgend wiedergegeben.

Der Tenor des Bescheids lautet wie folgt:

1. Die Antragstellerin wird für den Fall, dass sie durch die in Abschnitt F der Urkunde Nummer 345/2021 des Notars Dr. Thomas Wachter vom 18.02.2021 vorgesehene unentgeltliche Zuwendung des Geschäftsanteils Nummer 1 der aus dem Formwechsel der Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 101113, entstehenden N-Integral GmbH durch Herrn Professor Dipl.-Ing. Georg Heinz Nemetschek die Kontrolle im Sinne des § 29 Abs. 2 WpÜG über die Nemetschek SE, München, erlangt, gemäß § 37 Abs. 1, 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜGAngebotsverordnung von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Kontrollerlangung an der Nemetschek SE, München, zu veröffentlichen sowie von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.

2. Die Antragstellerin hat den Umstand, dass

a) aus dem Formwechsel der Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 101113, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit der Firma N-Integral GmbH, die über ein Stammkapital in Höhe von EUR 100.000,00 verfügt, deren Geschäftsanteil mit der laufenden Nummer 1 1.000.000 Stimmen in der Gesellschafterversammlung der N-Integral gewährt und deren übrige Geschäftsanteile für jeden Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme gewähren, hervorgegangen ist und

b) Professor Dipl.-Ing. Georg Heinz Nemetschek den vorgenannten Geschäftsanteil Nr. 1 unentgeltlich auf die Antragstellerin übertragen hat

unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von vier Wochen nach Eintritt des jeweiligen vorgenannten Umstandes, durch Vorlage geeigneter Unterlagen (Handelsregisterauszüge, Gesellschafterliste, Satzung) gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nachzuweisen.

3. Für die positive Entscheidung über den Befreiungsantrag ist von der Antragstellerin eine Gebühr zu entrichten.

Gründe:

I. Sachverhalt

1. Zielgesellschaft

Die Nemetschek SE, München, ist im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 224638 eingetragen (folgend "Zielgesellschaft"). Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 115.500.000,00 und ist in 115.500000 Stückaktien eingeteilt (folgend "NSE-Aktien"). Die NSE-Aktien sind unter der WKN 645290 zum Handel im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse zugelassen.

2. Aktionärsstruktur der Zielgesellschaft

Die Nemetschek Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRA 101113 (folgend "Nemetschek KG") hält unmittelbar 55.868.784 NSE-Aktien (entspricht rund 48,37 % der bei der Zielgesellschaft insgesamt vorhandenen Stimmrechte). Einzige Komplementärin der Nemetschek KG ist die Nemetschek Verwaltungs GmbH, Grünwald, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 205971 (folgend "Nemetschek GmbH").

Kommanditisten der Nemetschek KG sind Alexander Nemetschek (folgend "AN") und Dr. Ralf Nemetschek (folgend "RN") mit einer Beteiligung in Höhe von jeweils 49,998 % der Kommanditanteile und Professor Dipl.-Ing. Georg Heinz Nemetschek (folgend "GN") mit einer Beteiligung in Höhe von 0,004% der Kommanditanteile. Die einzigen Gesellschafter der Nemetschek GmbH sind wiederum GN, AN und RN.

Zwischen der Nemetschek KG und GN besteht eine Stimmbindungsvereinbarung (in der Fassung vom 20.03.2017 folgend "Poolvereinbarung I"). Den Bestimmungen der Poolvereinbarung I unterliegen jeweils sämtliche NSE-Aktien, die ein Poolmitglied unmittelbar selbst hält (§ 1 Abs. 2 des Poolvertrags I).

GN hält derzeit unmittelbar 3.700.000 NSE-Aktien (entspricht rund 3,2 % der Stimmrechte in der Zielgesellschaft). Dem Poolvertrag I unterliegen daher insgesamt 59.568,784 NSE-Aktien (entspricht rund 51,57 % der Stimmrechte in der Zielgesellschaft).

3. Geplante Umstrukturierung

Zur Regelung der Unternehmensnachfolge soll die in der Nemetschek KG gebündelte Beteiligung von GN, RN und AN an der Zielgesellschaft entflochten werden (folgend "Umstrukturierung"). In diesem Zusammenhang soll die mittelbare Kontrolle über die Zielgesellschaft von GN auf die Antragstellerin übertragen werden. Die Antragstellerin erklärt, dass die Umstrukturierung das Ziel habe, das gemeinnützige Engagement der Familie Nemetschek zu stärken.

Zu diesem Zweck haben die Beteiligten am 18. Februar 2021 vor dem Notar Dr. Thomas Wachter eine Vereinbarung (UR-Nr. 345/2021) abgeschlossen, in der die einzelnen Schritte der geplanten Entflechtung geregelt sind (folgend "Rahmenurkunde").

Im Hinblick auf die Antragstellerin sind folgende Aspekte der Umstrukturierung relevant:

- Die Nemetschek KG wird durch einen Formwechsel nach dem UmwG in eine GmbH mit der Firma N-Integral-GmbH (folgend "N-Integral") umgewandelt.

- Nach § 4 Abs. 1 der in der Rahmenurkunde vorgesehenen Satzung der N-Integral (folgend "N-Integral-Satzung") beträgt das Stammkapital der N-Integral EUR 100.000,00. Nach § 8 Abs. 4 der N-Integral-Satzung gewährt der Geschäftsanteil mit der laufenden Nummer 1 1.000.000 Stimmen in der Gesellschafterversammlung der N-Integral (folgend "Geschäftsanteil Nr. 1"). Im Übrigen gewährt jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme. Nach § 8 Abs. 3 der N-Integral-Satzung werden Gesellschafterbeschlüsse mit einer Mehrheit von 90 % der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit nicht die N-Integral-Satzung oder das Gesetz eine höhere Mehrheit vorschreiben.

- Die Antragstellerin erhält nacheinander Geschäftsanteile, die insgesamt 75,524 % des Stammkapitals der N-Integral repräsentieren, zuerst den Geschäftsanteil Nr. 1. Dieser wird ihr durch GN unentgeltlich übertragen.

- Die N-Integral wird zum Zeitpunkt, zu dem der Geschäftsanteil Nr. 1 auf die Antragstellerin übertragen werden soll, noch 44.943.675 NSE-Aktien (entsprechen 38,91 % der Stimmrechte) halten.

- Die Nemetschek-Stiftung (folgend "N-Stiftung"), Konrad-Zuse-Platz 1, 81829 München, wird zu dem Zeitpunkt, zu dem der Geschäftsanteil Nr. 1 auf die Antragstellerin übertragen werden soll, 4.637.109 NSE-Aktien (entsprechen 4,01 % der Stimmrechte) halten.

- Zum Zeitpunkt der geplanten Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 auf die Antragstellerin besteht die Poolvereinbarung I fort. Zudem besteht zu diesem Zeitpunkt gemäß der Rahmenurkunde eine Poolvereinbarung mit der N-Stiftung (folgend "Poolvereinbarung II"). Nach § 3 Abs. 2 der Poolvereinbarung II ist die N-Stiftung verpflichtet, das Stimmrecht aus den von ihr unmittelbar gehaltenen NSE-Aktien stets nach Weisung der N-Integral auszuüben. Die Poolvereinbarung II soll erstmals zum 31. Dezember 2049 ordentlich kündbar sein.

- Aufschiebend bedingt auf die Erlangung der Stellung als Gesellschafterin der N-Integral tritt die Antragstellerin zudem der zuvor von GN, RN und AN gemäß der Rahmenurkunde als Gesellschafter der N-Integral abgeschlossenen Vereinbarung zur einheitlichen Ausübung der Stimmrechte in der N-Integral (folgend "Poolvereinbarung III") bei (§ 1 Abs. 2 der Poolvereinbarung III). Gemäß § 4 Abs. 3 der Poolvereinbarung III entfallen auf jedes Poolmitglied in der Gesellschafterversammlung der durch die Poolvereinbarung III begründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts so viele Stimmen, wie auf die von dem jeweiligen Poolmitglied gehaltenen Geschäftsanteile in der Gesellschafterversammlung der N -Integral entfallen. Insbesondere verfügt der Inhaber des Geschäftsanteils Nr. 1 über ein entsprechendes Mehrstimmrecht auch in der Poolversammlung,

4. Antragstellerin

Die Antragstellerin ist eine private, rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie wurde von GN als Stifter errichtet, Gemäß § 2 der Stiftungssatzung besteht der Zweck der Stiftung in der lebenslangen Versorgung des Stifters und von Personen, die im Verhältnis zum Stifter der Steuerklasse I im Sinne des § 15 Abs. 1 Erbschaftssteuer Gesetz in der Fassung vom 8. Dezember 2010 angehören. Nach Abs. 3 der Präambel der Satzung der Antragstellerin soll gewährleistet werden, dass die Zielgesellschaft als operatives Unternehmen erhalten bleibt und umfangreiche Dividendenausschüttungen auf die der Antragstellerin übertragenen NSE-Aktien erfolgen, mittels derer sodann die Erfüllung des Stiftungszwecks dauerhaft sichergestellt wird.

II. Rechtliche Erwägungen

Dem Antrag war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist.

1. Zulässigkeit

Der Antrag ist zulässig.

Er wurde insbesondere fristgemäß (§ 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung) vor der erst nach Wirksamkeit dieses Bescheides zu erwartenden Kontrollerlangung (vgl. hierzu nachstehend Ziff. 2,1) gestellt.

Über den Antrag konnte auch vor dem Kontrollerwerb der Antragstellerin entscheiden werden. Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Kontrollerlangung als vorhersehbar (BT-Drs. 14/7034 v. 5. Oktober 2001, S. 81) und aus Gründen der Sicherstellung der ernsthaften Bereitschaft zum Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich (vgl. Krause/Pötzsch/Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 3. Aufl. 2020, § 8 WpÜG- Angebotsverordnung, Rn. 8 f.) darstellt. Dies ist vorliegend gegeben. Die zum Kontrollerwerb führenden Handlungen hängen lediglich vom Willen der Parteien der Rahmenurkunde ab. Wegen des mit der Vorbereitung der Umstrukturierung verbundenen Aufwands ist auch davon auszugehen, dass diese die geplanten Handlungen vornehmen werden.

2. Begründetheit des Antrags

2.1 Kontrollerwerb der Antragstellerin

Kontrolle ist gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG das Halten von mindestens 30 % der Stimmechte an einer Zielgesellschaft.

Gegenwärtig hält die Antragstellerin keine NSE-Aktien. Ebenso wenig sind ihr Stimmrechte aus NSE-Aktien gemäß § 30 WpÜG zuzurechnen. Mit Erhalt des Geschäftsanteils Nr. 1 von GN verfügt die Antragstellerin bei Vollzug der in der Rahmenurkunde niedergelegen Transaktionsschritte jedoch über die Mehrheit der in der Gesellschafterversammlung der künftigen N-Integral vorhandenen Stimmrechte (siehe vorstehend Ziffer I. 3). Nach der Vermutung gem. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 290 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 HGB wird die N-Integral damit zu einem Tochterunternehmen der Antragstellerin. Da die vorgenannte Vermutung unwiderleglich ist (... "besteht stets" ..., vgl. zu § 35 Abs. 1 Nr. 1 WpHG: Emittentenleitfaden der BaFin Modul B Stand 30. Oktober 2018 Ziffer1.2.5.1.1) kommt es insoweit auch nicht auf das Stimmgewicht der Antragstellerin im Rahmen der Poolvereinbarung III an. Gemäß § 30 Abs. 1 1, Satz 3 WpÜG sind der Antragstellerin daher mit Wirksamkeit der Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 sämtliche Stimmrechte aus NSE-Aktien, welche die N-Integral selbst unmittelbar hält, in voller Höhe zuzurechnen. Demzufolge sind der Antragstellerin die Stimmrechte aus den von der N-Integral unmittelbar gehaltenen 44,943.675 NSE-Aktien gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3, 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 290 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 HGB (damit rund 38,91 % der in der Zielgesellschaft insgesamt vorhandenen Stimmrechte) zuzurechnen.

Daneben sind der Antragstellerin nach Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 auch diejenigen Stimmrechte zuzurechnen, welche der N-Integral ihrerseits zuzurechnen sind, weil diese sich mit einem Dritten im Sinne von § 30 Abs. 2 WpÜG über die Ausübung der Stimmrechte aus diesen Aktien abstimmt. Eine Stimmrechtszurechnung nach § 30 Abs. 2 WpüG erfolgt auch, wenn sich ein Dritter nicht mit dem Bieter selbst, sondern mit seinem Tochterunternehmen (hier der N-Integral) abstimmt. Ein abgestimmtes Verhalten setzt nach § 30 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. WpÜG voraus, dass sich der Bieter bzw. sein Tochterunternehmen und der Dritte über die Ausübung von Stimmrechten verständigen. So liegt der Fall hier. Sowohl die bei der beabsichtigten Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 planmäßig fortbestehende Poolvereinbarung I als auch die zu diesem Zeitpunkt planmäßig abgeschlossene und wirksame Poolvereinbarung II sehen vor, dass sich die Parteien der jeweiligen Poolvereinbarung (Poolvereinbarung I: N-Integral/GN, Poolvereinbarung II: N-Integral/N-Stiftung) über die Ausübung der Stimmrechte aus den von ihnen jeweils in der Zielgesellschaft gehaltenen Aktien abstimmen. Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Einzelfallausnahme in Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 WpÜG bietet der von der Antragstellerin mitgeteilte Sachverhalt nicht. Im Gegenteil, sowohl die Poolvereinbarung I als auch die Poolvereinbarung II sind für einen längeren Zeitraum und ohne jegliche inhaltliche Einschränkung abgeschlossen. Aufgrund dieser Abstimmung sind der N-Integral auf Grundlage der Poolvereinbarung I die Stimmrechte aus den 3.700.000 unmittelbar von GN gehaltenen NSE-Aktien und auf Grundlage der Poolvereinbarung II die Stimmrechte aus den 4,637.109 unmittelbar von der N-Stiftung gehaltenen NSE-Aktien gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnen. Demzufolge sind der Antragstellerin insgesamt Stimmrechte aus 8.337.109 NSE-Aktien gemäß §§ 30 Abs. 2, 2 Abs. 6 WpÜG zuzurechnen. Zusammen mit den der Antragstellerin gemäß §§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr, 1, Satz 3, 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 290 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 HGB zuzurechnenden Stimmrechten aus 44.943.675 NSE-Aktien, werden der Antragstellerin damit mit der Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 Stimmrechte aus insgesamt 53.280.784 NSE-Aktien und damit rund 46,13 % der bei der Zielgesellschaft insgesamt vorhanden Stimmrechte zugerechnet.

Mit der Wirksamkeit der Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 erlangt die Antragstellerin somit Kontrolle im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG über die Zielgesellschaft.

2.2 Befreiungsgrund

Die Voraussetzungen einer Befreiung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG i.V.m. § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-Angebotsverordnung liegen vor.

Die geplante unentgeltliche Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 an die Antragstellerin im Rahmen der Umstrukturierung rechtfertigt es unter Berücksichtigung der Interessen der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft, eine Befreiung von den Pflichten gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 WpÜG auszusprechen.

Die den Kontrollerwerb vermittelnde, geplante Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 soll unentgeltlich und demzufolge als Schenkung im Sinne von § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG-Angebotsverordnung (vgl. Hippeli/Schmiady, ZIP 2015, 705, 710) erfolgen. Ein Verwandtschaftsverhältnis im Sinne von § 36 Nr. 1 WpÜG zwischen dem Schenker und dem jeweiligen Antragsteller ist nicht erforderlich. Der Befreiungstatbestand des § 9 Satz 1 Nr. 2 Wp0G-Angebotsverordnung ist selbst dann einschlägig, wenn zwischen Schenker und Bieter gar kein Verwandtschaftsverhältnis besteht etwa, weil - wie im vorliegenden Fall - die unentgeltliche Zuwendung an eine Stiftung erfolgt (vgl. BaFin, Jahresbericht 2008, S. 186; Hippeli/Schmiady, a.a.0. S. 709). Voraussetzung ist dann jedoch, dass die nicht nur kurzfristige Fortführung familiär geprägter Unternehmen ungeachtet ihrer Größe oder Bedeutung beispielsweise durch Geschwister, verdiente Mitarbeiter oder - wie vorliegend - durch der Familie nahestehende oder zugeordnete Rechtssubjekte vorgesehen ist (vgl. BaFin, Jahresbericht 2008 a.a.O.). Insoweit ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen, dass durch § 9 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpÜG-Angebotsverordnung "... insbesondere die Nachfolge bei kleinen und mittleren Unternehmen ohne Pflichtangebot ermöglicht werden bei denen eine Nachfolgelösung in der Familie nicht in Betracht kommt, beispielsweise aber geeignete Mitarbeiter zur Verfügung stehen" (BTDs. 14/7034, S. 81). Die geplante Übertragung des Geschäftsanteils Nr. 1 trägt diesem Erfordernis Rechnung. Die Mitglieder der Familie Nemetschek verfügen derzeit vermittelt über die Nemetschek KG über eine kontrollrelevante Beteiligung in der Zielgesellschaft. Die Zielgesellschaft ist daher familiär geprägt im vorgenannten Sinn. Die Antragstellerin stellt ein der Familie des GN nahestehendes Rechtssubjekt dar, da sie gemäß § 2 ihrer Satzung der lebenslangen Versorgung des Stifters und von Personen, die im Verhältnis zum Stifter der Steuerklasse l im Sinne des § 15 Abs. 1 Erbschaftssteuer Gesetz in der Fassung vom 8. Dezember 2010 angehören, dienen soll. Die in der Rahmenurkunde bestimmte Umstrukturierung der (mittelbaren) Beteiligungen von GN, RN und AN belegt zudem, dass die Zielgesellschaft durch die Umstrukturierung gerade nicht zerschlagen, sondern fortgeführt und die mittelbare Kontrolle über die Zielgesellschaft bei der Antragstellerin gebündelt werden soll. Nach Abs. 3 der Präambel der Satzung der Antragstellerin soll gewährleistet werden, dass die Zielgesellschaft als operatives Unternehmen erhalten bleibt und umfangreiche Dividendenausschüttungen auf die der Antragstellerin übertragenen NSE-Aktien erfolgen, mittels derer sodann die Erfüllung des Stiftungszwecks dauerhaft sichergestellt wird.

2.3 Interessenabwägung

Bei Abwägung der Interessen der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft an einem Pflichtangebot mit dem Interesse der Antragstellerin an einer Befreiung von den Pflichten gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG überwiegen die Interessen der Antragstellerin.

Die Umstrukturierung erfolgt erkennbar zu dem Zweck, den Bestand an Aktien der Zielgesellschaft möglichst zusammenzuhalten bzw. so zu bündeln, dass der nachhaltige Einfluss durch einen der Familie Nemetschek nahestehenden Rechtsträger auch in Zukunft sichergestellt wird. Dies liefert den außenstehenden Aktionären der Zielgesellschaft keinen schützenswerten Anlass, eine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung im Rahmen eines Pflichtangebots treffen zu können. Einerseits steht eine die einschneidenden Pflichten gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG rechtfertigende materielle Veränderung der Kontrollsituation vorliegend gerade nicht im Raum. Andererseits ist mit Blick auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Satz 1 Nr. 2 WpÜG Angebotsverordnung ein besonderes Gewicht der Interessen der Antragstellerin anzunehmen, denn der Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber hat insoweit die Interessenabwägung in Teilen antizipiert. Gründe, die vorliegend eine dieser Antizipation entgegengesetzte Entscheidung zu Lasten der Antragstellerin gebieten würden, sind nicht ersichtlich.

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10.11.2021 CET/CEST Die DGAP Distributionsservices umfassen gesetzliche Meldepflichten, Corporate News/Finanznachrichten und Pressemitteilungen. Medienarchiv unter http://www.dgap.de

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Sprache: Deutsch Börsen: Zielgesellschaft: Regulierter Markt in Berlin, Frankfurt (Prime Standard); Freiverkehr in Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München, Stuttgart, Tradegate Exchange

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Quelle: dpa-Afx