HEIDELBERG (dpa-AFX) - Der Baustoffkonzern Heidelbergcement profitiert derzeit von der starken Nachfrage aus dem Wohnungsbau und weltweiten Infrastrukturprogrammen der Regierungen. 2021 konnten die Heidelberger Umsatz und operatives Ergebnis im Vergleich zum Vorjahr zum Teil deutlich steigern. Dabei lief es besser als zuletzt vom Unternehmen und von Analysten erwartet. Allerdings machen Heidelbergcement wie auch vielen anderen Unternehmen die steigenden Energiekosten zu schaffen. Deshalb hat das Unternehmen erst jüngst ein neues Sparprogramm aufgelegt. Was im Unternehmen los ist, was die Aktie macht und was Experten dazu sagen.

DAS IST LOS BEI HEIDELBERGCEMENT:

Die Geschäfte für Heidelbergcement laufen wieder gut. Der Umsatz legte 2021 auf vergleichbarer Basis im Vorjahresvergleich um etwa acht Prozent auf voraussichtlich 18,7 Milliarden Euro zu, wie Heidelbergcement Ende Januar bereits mitteilte. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) - das sogenannte RCOBD - stieg den vorläufigen Angaben zufolge auf fast 3,9 Milliarden Euro. Dies bedeute ein Plus von etwa sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf vergleichbarer Basis.

Gründe für den insgesamt überraschend guten Geschäftsverlauf nannte Heidelbergcement nicht. Allerdings hatte Unternehmenschef Dominik von Achten bereits Preiserhöhungen angekündigt und wegen der signifikanten Energiekostensteigerungen ein neues Sparprogramm aufgelegt. Mit Einsparungen will der Konzern die Kosten bis Ende 2022 um mindestens 500 Millionen Euro senken. Im dritten Quartal hatten hohe Energiepreise auf die Ergebnisse gedrückt. Deshalb legte der Heidelbergcement-Chef jüngst ein neues Sparprogramm auf.

Um gut durch die Corona-Krise zu kommen, hatte Heidelbergcement bereits vor fast zwei Jahren ein Sparprogramm aufgesetzt. Der Konzern drückte die Kosten allein 2020 um rund 1,3 Milliarden Euro und damit stärker als zunächst geplant.

Zudem verkauft Unternehmenschef von Achten weniger rentable Konzernteile, um den Baustoffkonzern wieder profitabler zu machen. Erst jüngst gab das Unternehmen die Veräußerung von weiteren Vermögenswerten in Spanien und den Verkauf des Geschäfts in Sierra Leone bekannt. 2021 verkaufte das Unternehmen unter anderem auch sein Geschäft im Westen der USA für 2,3 Milliarden US-Dollar (damals 1,9 Mrd Euro). Gleichzeitig baut der Konzern mit dem Zukauf von Corliss Resources sein Geschäft mit Zuschlagstoffen und Transportbeton im Nordwesten der USA und mit der Akquisition von Tanga Cement sein Geschäft in Tansania aus.

Für das laufende Jahr hatte sich von Achten zuletzt zuversichtlich gezeigt. So sollten die weltweiten Infrastruktur-Maßnahmen ab 2022 sukzessive zum Wachstum beitragen. Auch die Dynamik im privaten Wohnungsbau bleibe weiterhin hoch, sagte der Unternehmenschef Anfang November. Die vollständigen Zahlen zum Jahr 2021 sollen am 24. Februar veröffentlicht werden.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den von dpa-AFX seit der Vorlage der vorläufigen Zahlen erfassten zehn Experten empfehlen sechs die Aktie zum Kauf. Jeweils zwei sprechen sich für das Halten und für den Verkauf des Papiers aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 73 Euro - aktuell kostet das Papier knapp 63 Euro.

Analyst Gregor Kuglitsch von der schweizerischen Großbank UBS zufolge haben die vorläufigen Zahlen des Zementkonzerns dank eines überraschend guten vierten Quartals die Erwartungen übertroffen. Positive Signale habe es auch mit Blick auf die Profitabilität gegeben, die sich im Schlussquartal mit einem im Vorjahresvergleich nur noch leichten Rückgang deutlich verbessert habe. Für Analystin Glynis Johnson vom Analysehaus Jefferies ist im Schlussquartal das operative Ergebnis (Ebit) des Baustoffkonzerns auf vergleichbarer Basis unerwartet gestiegen. Wesentlich für die Kursentwicklung bleibe aber der Ausblick auf das laufende Jahr.

Nach Ansicht von Analyst Tobias Wörner vom Investmenthaus Stifel sind die vom Zementkonzern vorgelegten Eckdaten ermutigend. Sie seien ein Indiz dafür, dass das schwierigere dritte Geschäftsquartal gut verdaut worden sei. Allerdings könnten erst mit der Veröffentlichung der Jahreszahlen Aussagen zu den Treibern der Resultate wie die Entwicklung der Preise und Regionen sowie den erwarteten Kostensteigerungen getroffen werden. Laut dem Unternehmen habe es keine Einmaleffekte bei den Ergebnissen gegeben, was zudem positiv überrascht habe. Das Jahr 2022 beginne unter diesen Voraussetzungen mit einer positiven Note. Die Papiere seien im historischen Vergleich extrem attraktiv bewertet.

Die besser als erwarteten Eckdaten führte Analyst Xavier Marchand von der französischen Großbank Societe Generale (SocGen) darauf zurück, dass Heidelbergcement die höhere Energiekosteninflation durch eine bessere Preisgestaltung in wichtigen Ländern, vor allem Großbritannien und Indonesien, mehr als ausgleichen konnte. Im laufenden Jahr sollte nach seiner Ansicht nach der Anstieg der Energiekosten im ersten Halbjahr ihren Höhepunkt erreichen. Deshalb rechnet der Experte in den ersten sechs Monaten mit einem deutlichen Rückgang des operativen Ergebnisses (Ebitda). Im zweiten Halbjahr dürfte es dann auch dank einer starken Preisentwicklung zu einem starken Aufschwung kommen. Für das Gesamtjahr geht er von einem Anstieg des operativen Gewinns um drei Prozent aus.

Analyst Harry Goad von der Privatbank Berenberg betonte in einer Vergleichsstudie die deutlichen Unterschiede zwischen den strategischen Ausrichtungen der beiden Baustoffkonzerne Holcim und Heidelbergcement. Im Gegensatz zu Holcim bleibe letzterer seinem Kerngeschäft treu, straffe weiter sein globales Portfolio und optimiere die Eigenkapitalrendite (ROCE).

Für den Zementsektor insgesamt erwartet der Berenberg-Analyst für 2022 ein bescheidenes organisches Volumenwachstum und ein Preiswachstum, die überwiegend die Kosteninflation abdecken sollte. Dabei geht er von negativen Trends im ersten Halbjahr und positiven Trends im zweiten Halbjahr aus. Heidelbergcement dürfte in diesem Jahr besser abschneiden als Holcim, so Goad. Dies beruhe mehr auf den strategischen Aspekten und weniger auf einer wesentlichen Veränderung der Handelsaussichten.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die im Dax notierte Heidelbergcment-Aktie hat seit ihrem Mehrjahrestief im Frühjahr 2020, als die Corona-Pandemie die Finanzmärkte voll erwischt hatte, eine eindrucksvolle Erholung hingelegt. Der Kurs hat sich seitdem mehr als verdoppelt.

Mit einer Marktkapitalisierung von rund zwölf Milliarden Euro zählt der Konzern aber immer noch zu den Leichtgewichten im Dax und hinkt auch der europäischen Konkurrenz hinter. Zum Vergleich: Der französische Baustoffhersteller Saint-Gobain kommt auf einen Börsenwert von knapp 32 Milliarden Euro, der irische Baustoffkonzern CRH auf umgerechnet 33 Milliarden Euro und Holcim aus der Schweiz auf umgerechnet 29 Milliarden Euro.

Seit Anfang des Jahres beläuft sich das Kursplus für Heidelbergcement auf gut sechs Prozent. Damit zählt die Aktie zu den Gewinnern im Leitindex Dax, der in diesem Zeitraum rund sieben Prozent eingebüßt hat. Nur die Titel der Deutschen Bank, des Triebwerksbauers MTU sowie von Bayer, Porsche, Mercedes und Volkswagen haben noch deutlicher zugelegt.

Seit dem Kurseinbruch im ersten Corona-Jahr 2020 auf 29 Euro erklomm die Heidelbergcement-Aktie gut ein Jahr später mit gut 81 Euro den höchsten Stand seit fast drei Jahren. Bis Ende 2021 bröckelte der Kurs wieder ab und schloss das Jahr mit einem Kurs von knapp 60 Euro ab. Seit Anfang des neuen Jahres erholte sich das Papier wieder auf zuletzt rund 63 Euro. Damit ist weiterhin viel Luft vorhanden bis zum Rekordhoch von rund 112 Euro aus dem Jahr 2007. Im Jahr darauf hatte die Weltfinanzkrise dann für einen beispiellosen Kurseinbruch auf weniger als 20 Euro gesorgt./mne/nas/he

Quelle: dpa-Afx