(neu: Details zur Managementstraffung)
LEVERKUSEN (dpa-AFX) - Bayer
Angesichts der aktuellen Marktdynamik und erster Annahmen für 2024 blieben die Wachstumsaussichten eher schwach und es bestünden weiter Herausforderungen für die Profitabilität, hieß es.
Im Fokus steht aber vor allem die künftige Konzernstruktur. Was es nicht geben werde, sei eine gleichzeitige Aufspaltung in drei Teile, sagte Anderson laut Mitteilung. Eine Dreiteilung würde einen zweistufigen Prozess erfordern. Eine komplette Zerlegung ist also nicht vom Tisch.
Ein solches Vorgehen würde sich mit der Erwartung des Analysten Peter Spengler von der DZ Bank decken. Als Vorbild nannte der Experte in einer Studie Mitte Oktober den Dax-Konzern Siemens
Einige Investoren fordern schon länger eine Aufspaltung Bayers, da sie die US-Rechtsprobleme rund um den Unkrautvernichter Glyphosat als Belastung sehen und die Bayer-Einzelteile für wertvoller halten als den Konzern als Ganzes. Entsprechend viele Hoffnungen setzen sie auf Anderson.
Neben der Prüfung der Optionen für die künftige Struktur von Bayer will der Vorstandsvorsitzende Bayer auch einem radikalen Kulturwandel unterziehen, der vielen Managern den Job kosten dürfte.
"Zwischen mir und unseren Kunden gibt es immer noch zwölf Ebenen", sagte Anderson am Mittwoch in einer Videokonferenz vor Journalisten. "Das ist einfach zu viel. (...) In Zukunft wird praktisch jeder im Unternehmen in kleinen, selbstverwalteten Teams arbeiten, die sich auf einen Kunden oder ein Produkt konzentrieren - so wie es ein Kleinunternehmer tun würde", fügte er hinzu. Alles, was nicht zum Erreichen der Mission beitrage, werde verschwinden.
Bayer habe in den vergangenen sechs Jahren zudem mehrere klassische Kostensenkungsprogramme durchgeführt, eines davon laufe noch, so Anderson. Nachhaltig in der Bilanz niedergeschlagen hätten sie sich nicht. Bis Ende 2024 wird Bayer auch daher mehrere Management- und Koordinierungsebenen abschaffen. Ein regelmäßiger Austausch dazu laufe seit einigen Monaten mit Arbeitnehmervertretern. Mit der Verschiebung der Verantwortung in kleinere Teams will der studierte Chemieingenieur und ausgewiesene Pharmaexperte nicht nur Geld sparen, auch die Bürokratie soll so abgebaut und damit Zeit für das Wesentliche geschafften werden. Innovationen würden so gefördert. Wie viele Managementjobs am Ende betroffen sein werden und wie viel gespart würde, bleibt indes erst einmal offen.
An der Börse muss Anderson damit noch Überzeugungsarbeit leisten. Die Bayer-Aktien fielen zur Wochenmitte um bis zu fast vier Prozent. Am Mittag notierten sie noch 1,6 Prozent im Minus bei 41,09 Euro. Der Kurs ist seit Monaten arg gebeutelt. Die Kursverluste allein 2023 liegen bei 15 Prozent. Langfristig sieht es noch weitaus düsterer aus.
Die Agrarsparte ringt indes weiter mit den Rechtsstreitigkeiten rund um den Unkrautvernichter Glyphosat - zuletzt gab es nach einer Bayer-Gewinnserie vor Gericht wieder Niederlagen. Geschworenen-Jurys sprachen Personen, die den Wirkstoff für ihre Krebserkrankungen verantwortlich machen, teils hohe Entschädigungen zu. Die Summen dürften von Richtern zwar noch gesenkt werden und Bayer will ohnehin gegen die Urteile vorgehen, ein negatives Signal sind sie dennoch.
Immerhin: Ein hochrangiges US-Berufungsgericht entschied nun, dass Bayer und andere Unternehmen im Bundesstaat Kalifornien weiter nicht auf mutmaßliche Krebsrisiken von Glyphosat hinweisen müssen. Eine entsprechende Vorschrift sei nicht verfassungskonform.
Indes sieht es auch im Agrar-Tagesgeschäft wenig rosig aus. Grund ist abermals ein Rückgang der im vergangenen Jahr außergewöhnlich hohen Glyphosatpreise. Das Wachstum im Geschäft mit Maissaat und Pilzschutzmittel konnte das nicht ausgleichen: Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie vor Sondereffekten fiel in der Crop-Science-Sparte im dritten Jahresviertel ein Verlust von 24 Millionen Euro an - nach plus 629 Millionen vor einem Jahr.
Analyst Charlie Bentley vom Investmenthaus Jefferies betonte trotz des tristen Abschneidens, dass Bayer sich im wichtigen lateinamerikanischen Markt besser geschlagen habe als die US-Konkurrenz. Die Markterwartungen habe die Sparte indes ebenso verfehlt wie das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten des Segments Consumer Health.
Besser als erwartet schnitt die Pharmasparte ab. Mit 1,44 Milliarden Euro steuerte sie 85 Prozent des operativen Gewinns vor Sondereinflüssen bei.
Alles in allem brach der bereinigte operative Gewinn auf Konzernebene um fast ein Drittel auf 1,7 Milliarden Euro ein und damit stärker als von Analysten erwartet. Unter dem Strich stand ein Verlust von 4,57 Milliarden Euro, auch wegen erneuter Wertminderungen im Agrargeschäft, die der Konzern mit Folgen von Zinsänderungen begründete. Es ist nicht die erste Abschreibung im Zusammengang mit der teuren Monsanto-Übernahme. Vor einem Jahr hatte unterm Strich noch ein Gewinn von 546 Millionen Euro gestanden.
Den im Sommer gesenkten Jahresausblick bestätigte Anderson nun. Seither steht um Wechselkursveränderungen bereinigt und damit auf Basis der Durchschnittskurse im Vorjahr ein Umsatz von 48,5 bis 49,5 Milliarden Euro im Plan. In den drei Monaten bis Ende September sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwas mehr als acht Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Negative Währungseffekte ausgeklammert entspricht das einem Minus von nur noch 0,2 Prozent.
Die Prognosen gibt der Konzern wechselkursbereinigt an, um die zugrundeliegende Geschäftsentwicklung besser vergleichbar zu machen. Der um Sondereffekte bereinigte operative Gewinn soll 2023 ohne Währungseffekte 11,3 bis 11,8 Milliarden Euro erreichen./mis/men/jha
Quelle: dpa-Afx