(neu: Aussagen aus der Online-Pressekonferenz, Aktienkurs, Analysten)

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Der Technologiekonzern Siemens geht vorsichtig ins neue Geschäftsjahr. So wollen die Münchner zwar nach einem Umsatz- und Gewinnrückgang zu Wachstum zurückkehren, dieses dürfte jedoch lediglich moderat ausfallen. Für das vergangene Geschäftsjahr erreichte Siemens dank eines guten Schlussquartals seine Ziele. Dabei legte Konzernchef Joe Kaeser zum letzten Mal eine Jahresbilanz vor.

Das Siemens-Management geht bei der neuen Geschäftsplanung davon aus, dass die Corona-Pandemie die Weltwirtschaft nicht dauerhaft belasten wird. Massiven Gegenwind erwartet der Konzern jedoch von der Währungsseite. Der um Währungs- und Portfolioeffekte bereinigte Umsatz sowie der Gewinn nach Steuern sollen 2020/21 (per Ende September) wieder moderat steigen, teilte Siemens am Donnerstag in München mit. Dabei geht das Management von einer stärkeren Entwicklung in der zweiten Geschäftsjahreshälfte aus.

Negative Wechselkurseffekte dürften die nominalen Wachstumsraten sowie das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) der Industriegeschäfte stark belasten, erläuterte Finanzvorstand Ralf Thomas in einer Online-Pressekonferenz. So dürften allein Währungseffekte die Entwicklung um bis zu 4,5 Prozentpunkte belasten. Auf bis zu einer halben Milliarde Euro schätzt er die Auswirkungen auf das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) der Industriegeschäfte.

Die Sparten dürften sich dabei unterschiedlich entwickeln. In der Digitalsparte, die das profitabelste Geschäft darstellt, erwartet Siemens das geringste Wachstum. Die bereinigte Ebita-Marge dürfte dabei sinken. Verbesserungen in der Profitabilität strebt das Management hingegen in der Zugsparte sowie dem Geschäft mit digitaler Infrastruktur an. In Forschung & Entwicklung will Siemens im laufenden Jahr etwa 4,9 Milliarden Euro stecken. Investieren will der Konzern in Software und das Internet der Dinge. "Hier sehen wir das größte Wachstumspotential, und davon wollen wir profitieren", sagte der stellvertretende Konzernchef Roland Busch. Dazu setze Siemens auch auf Partnerschaften wie etwa dem Softwarekonzern SAP.

Am Aktienmarkt kamen die Aussichten nicht gut an. Das Dax-Schwergewicht verlor am Vormittag 2,3 Prozent. Mit zeitweise fast 5 Prozent Minus landeten sie sogar wieder unter dem jüngsten Zwischenhoch, das sie zu Wochenbeginn überwunden hatten.

Analysten lobten dabei die Entwicklung im vierten Quartal, monierten aber den Ausblick. Jefferies-Experte Simon Toennessen etwa bezeichnete die Prognose als "konservativ". Der avisierte Überschuss liege um etwa zehn Prozent unter den Markterwartungen und sei damit doch eine ziemliche Enttäuschung. Dies lasse sich nur teilweise mit bremsenden Wechselkursen erklären, so Toennessen. Andreas Willi von der US-Bank JPMorgan merkte vor allem den "eher vorsichtigen" Ausblick für die Digital-Sparte an.

Für das Geschäftsjahr 2019/20 (per 30. September) zog Siemens-Chef Joe Kaeser zum letzten Mal Bilanz. Im Februar wird er sein Amt endgültig an Busch übergeben, der bereits die operative Verantwortung hat. "Unser Endspurt im vierten Quartal hat uns geholfen, unsere Prognose zu erreichen", so Kaeser. Das Geschäftsjahr fiel dabei durchwachsen aus. Siemens litt unter einem schwächeren wirtschaftlichen Umfeld und einer sinkenden Nachfrage etwa aus der Autoindustrie und dem Maschinenbau. Die Lage verschärfte sich im Jahresverlauf durch die Corona-Pandemie.

Der Umsatz sank daher bereinigt um Währungs- und Portfolioeffekte um zwei Prozent auf rund 57 Milliarden Euro. Der Gewinn nach Steuern brach um 26 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro ein. Den Aktionären will Siemens eine Dividende von insgesamt 3,50 Euro je Aktie zahlen, nach 3,90 Euro im Vorjahr. Bereinigt um die Abspaltung des Energiegeschäfts, welches Siemens im September an die Börse gebracht hatte, bedeutet dies den Angaben zufolge eine gleichbleibende Ausschüttung.

Siemens konnte dabei auf einen robusten Jahresabschluss blicken. Im vierten Quartal verdiente das Unternehmen mit rund 1,9 Milliarden Euro 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei profitierte der Konzern von einem Abspaltungsgewinn im Zusammenhang mit Siemens Energy von 0,9 Milliarden Euro, wie es hieß. Der Gewinn im fortgeführten Geschäft war hingegen rückläufig.

Operativ wurde die Entwicklung weiter durch Corona-bedingte Nachfragerückgänge belastet. So hielt die schwächere Nachfrage in der Automatisierung an. Zurückhaltung gab es weiter von Kunden aus der Autobranche und dem Maschinenbau. Einsparungen wirkten sich positiv auf das Ergebnis aus. Das bereinigte operative Ergebnis der Industriegeschäfte (Ebita) legte um zehn Prozent auf 2,6 Milliarden Euro zu, was deutlich über den Erwartungen der Analysten lag. Hier profitierte Siemens von der Neubewertung seines Anteils an Bentley Systems im Zusammenhang mit dem Börsengang des Unternehmens im September.

Umsatz und Auftragseingang wurden durch negative Währungseffekte belastet. Die Erlöse sanken um sechs Prozent auf 15,3 Milliarden Euro, das Neugeschäft nahm um ein Prozent ab. Dabei belasteten die Währungsschwankungen den Konzern beim Auftragseingang mit fünf Prozentpunkten, beim Umsatz waren es vier Prozentpunkte.

Siemens kündigte zudem die Ausgliederung des zum Zuggeschäft gehörenden Bereichs Intelligent Traffic Systems (ITS) bis zum Ende des Geschäftsjahrs 2021 an. Dieser kam zuletzt auf einen Umsatz von rund 600 Millionen Euro. ITS bietet Mobilitätslösungen für Straßen und Städte./nas/ssc/mis

Quelle: dpa-Afx