(neu: Kurse aktualisiert, Händlerstimme, Aussagen Fresenius-Chef, mehr Hintergrund)
BAD HOMBURG (dpa-AFX) - Die Corona-Pandemie macht dem Medizin- und Krankenhauskonzern Fresenius
An der Börse rutschten die Aktien von Fresenius Medical Care (FMC)
Händler nannten den Ausblick der Dialysetochter "schockierend". Covid-19 dürfte 2021 für erheblichen Gegenwind bei FMC sorgen, meinte Analystin Veronika Dubajova von Goldman Sachs. Die Markterwartungen müssten wohl deutlich zurechtgestutzt werden. Bislang waren Branchenkenner für den Blutwäsche-Anbieter von Umsatz-und Ergebnisverbesserungen im Vergleich zu 2020 ausgegangen. Wegen der Unsicherheiten darüber, ob und wann in den USA neue staatliche Hilfen flössen, habe FMC sich offenbar gezwungen gesehen, vom schlimmsten Szenario auszugehen, schrieb JPMorgan-Analyst David Adlington
Fresenius veröffentlichte nach der enttäuschenden Prognose der Tochter am späten Montagabend selbst überraschend erste Ziele für das neue Geschäftsjahr. So soll das auf die Anteilseigner entfallende Konzernergebnis im Vergleich zum Vorjahr "mindestens in etwa stabil" bleiben, teilte der Konzern in Bad Homburg mit. Ausgeklammert sind dabei Sondereinflüsse und einmalige Aufwendungen im Zusammenhang mit wahrscheinlichen Effizienz- und Kosteneinsparungsprogrammen. Dabei strebt die Gesellschaft währungsbereinigt ein "gesundes Umsatzwachstum" an. An ihren Mittelfristzielen wollen Fresenius und FMC nicht rütteln.
Für 2020 hat Fresenius laut Mitteilung nach vorläufigen Berechnungen die zuvor bereits gesenkten Ziele erfüllt. Der Konzern hatte währungsbereinigt ein Wachstum des Umsatzes von drei bis sechs Prozent in Aussicht gestellt. Das bereinigte Konzernergebnis war am unteren Ende der Spanne von minus vier bis plus ein Prozent prognostiziert worden. Investoren müssen sich also auf einen Rückgang gefasst machen, wie ein Sprecher bestätigte.
Ursprünglich hatte Fresenius-Chef Sturm nach zwei Gewinnwarnungen 2018 und einem Übergangsjahr 2019 im Jahr 2020 wieder durchstarten wollen. Doch Corona machte dem Firmenlenker einen dicken Strich durch die Rechnung. Dennoch gibt sich Sturm zufrieden: "Wir haben das Jahr 2020 trotz der Belastungen und Einschränkungen durch die Pandemie gut gemeistert", sagte der Manager laut Mitteilung. "Und ich bin zuversichtlich, dass sich unser Unternehmen auch im laufenden Jahr trotz der bei Fresenius Medical Care erwarteten Ergebnisbelastungen solide entwickeln wird."
Um Patienten und Personal vor einer Ansteckung zu schützen, bedürfe es aber "mehr denn je" einer engen Zusammenarbeit aller Partner im Gesundheitswesen und auch der Unterstützung der Politik, appellierte Sturm. So müssten zum Beispiel Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die besonders verwundbare Gruppe von Dialysepatienten mit hoher Priorität zu impfen, forderte er.
Die Pandemie hatte den Krankenhaus- und Medizinkonzern zunächst im Frühjahr 2020 besonders im Klinikgeschäft getroffen. Da weniger operiert wurde, litt auch die auf flüssige Nachahmermedikamente wie Narkosemittel und klinische Ernährung spezialisierte Tochter Fresenius Kabi. Im dritten Quartal gab es dann Nachholeffekte. Gemildert wurden die finanziellen Corona-Folgen mehrere Monate durch staatliche Pauschalen für frei gehaltene Betten. Im Schlussquartal werden dank neuer Gesetzesvorgaben deutschen Kliniken etwaige Mindererlöse gemessen am Vorjahr großteils erstattet.
Die Dialysetochter FMC war zunächst für den Gesamtkonzern ein verlässlicher Wachstumstreiber gewesen, doch kämpfte auch sie zuletzt zunehmend mit Problemen: Es zeigte sich, dass Covid-19-Erkrankungen bei Dialysepatienten gehäuft tödlich endeten. Bei FMC war daher bereits im dritten Quartal eine erhöhte Anzahl an Blutwäschebehandlungen ausgefallen.
Mit den neuerlich steigenden Infektionszahlen beschleunigte sich dieser Trend zuletzt insbesondere in Nordamerika und Europa. So spricht FMC von einer "deutlichen Erhöhung der Covid-19-bedingten Patientenübersterblichkeit im November und Dezember 2020", die voraussichtlich auch in der ersten Jahreshälfte 2021 anhalten werde. Diese Entwicklung, so schätzt das Management, dürfte sich nicht nur weiter negativ auf die Zahl der Blutwäschen durchschlagen, sondern auch auf die Auslastung der Klinikinfrastruktur sowie nachgelagerte Geschäftsaktivitäten.
FMC rechnet daher für 2021 zwar vor Sondereffekten und auf Basis konstanter Wechselkurse mit einem Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich. Für das auf die Anteilseigner entfallende Konzernergebnis prognostiziert die Gesellschaft aber einen Rückgang um bis zu 25 Prozent.
Ausschlaggebend hierfür sind auch steigende Ausgaben: FMC hatte im Zuge der Pandemie erhöhte Schutzmaßnahmen in seinen mehr als 4000 Dialysezentren und 45 Produktionsstätten ergriffen. So fielen Mehraufwendungen etwa für Schutzausrüstung für Mitarbeiter an. Zudem erhält das Personal auf Isolierstationen erhöhte Vergütungen.
Diese Maßnahmen hätten die Kosten zuletzt signifikante anschwellen lassen und dürften auch 2021 hoch bleiben, hieß es. FMC kündigte daher an, "sorgfältig prüfen" zu wollen, wo eventuell an der Kostenschraube gedreht werden könne. Zudem dürften die Dialyseanbieter von einer bis März verlängerten Maßnahme abgesehen keine staatlichen Unterstützungsleistungen in den USA mehr erhalten. 2020 hatte FMC von staatlichen Gelder profitiert.
Auch FMC hat nach eigenen Angaben auf Basis der vorläufiger Berechnungen die eigenen Ziele für 2020 erreicht. Das Unternehmen hatte für das vergangene Jahr Zuwächse bei Umsatz und Ergebnis im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich in Aussicht gestellt. Das Konzernergebnis 2020 werde knapp über dem oberen Ende der Zielbandbreite herauskommen, wobei im Schlussquartal eine Wertberichtigung von rund 195 Millionen Euro im Lateinamerika-Geschäft angefallen sei, teilte FMC jetzt weiter mit. Diese seien dem gesamtwirtschaftlichen Abschwung in der Region geschuldet.
Die vollständigen Ergebnisse wollen beide Dax-Unternehmen am 23. Februar veröffentlichen. Dann soll es auch noch einen detaillierteren Ausblick von Fresenius geben./tav/stk/mis
Quelle: dpa-Afx