FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Erwartungen an Zinssenkungen beiderseits des Atlantiks werden die Anleger am Aktienmarkt wohl auch in der neuen Woche bei Laune halten. US-Notenbankchef Jerome Powell hatte beim Treffen der Zentralbanker in Jackson Hole, Wyoming, am Freitag eine Anpassung der Geldpolitik angekündigt.
Damit deutet sich an, dass die Federal Reserve (Fed) im September nach mehr als vier Jahren den Zinssenkungszyklus einleiten wird. Die Zuversicht habe zugenommen und die Inflation sei auf dem Weg zur Zielmarke von zwei Prozent, so Powell. Eine weitere Abkühlung am Arbeitsmarkt sei nicht willkommen. Spekuliert wird weiter darüber, ob es im kommenden Monat zu einem großen Zinsschritt mit einer Senkung um 0,50 statt 0,25 Prozentpunkten kommt. Powell ließ Hinweise dazu erwartungsgemäß aus und betonte, dass Zeitpunkt und Tempo von Zinssenkungen von weiteren Wirtschaftsdaten abhingen.
"Die Spatzen pfiffen es spätestens seit dem enttäuschenden Arbeitsmarktbericht für Juli von den Dächern", schrieb Analyst Elmar Völker von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) nach den Powell-Aussagen. "Die US-Notenbank wird am 18. September die Leitzinswende einleiten. Alles andere wäre aus heutiger Sicht eine gewaltige Sensation."
Trübe Signale vom US-Arbeitsmarkt mit einem deutlich schwächeren Stellenaufbau als angenommen hatten zuletzt die Erwartungen der Anleger an Zinssenkungen nochmals erhöht und die Börsen weiter gestützt. Auch der Dax hatte seine Erholung schwungvoll fortgesetzt und seit dem Kursrutsch zu Beginn des Monats mittlerweile um mehr als 1.600 Punkte zugelegt.
Stützen könnten die Börsen in der neuen Woche zur Abwechslung wieder Nachrichten aus dem Technologiesektor. Die Berichtssaison ist eigentlich so gut wie abgeschlossen, aber mit Nvidia
Zuletzt hat sich die Aktie des US-Chipherstellers wieder deutlich erholt und Kurs auf ihr im Juni erreichtes Rekordhoch genommen. Die Quartalszahlen und der Ausblick von Nvidia werden Aufschluss geben über die Nachfrage nach KI-Chips und die Wachstumsperspektiven für den Konzern. Investoren hätten in der zurückliegenden Berichtssaison die Ausgaben der Unternehmen kritischer unter die Lupe genommen und teilweise zugunsten von Firmen mit einer aktionärsfreundlicheren Haltung jene Konzerne abgestraft, die den Fokus auf Investitionen legten, sagten Marktbeobachter. Die Bedenken hinsichtlich der Erträge aus KI-Investments hätten zum jüngsten Ausverkauf im Techsektor beigetragen.
Doch dies ist bereits wieder Geschichte. Der Sektor hatte sich schnell von seiner Schwäche erholt. Signale für ein weiterhin robustes Wirtschaftswachstum hatten die Gemüter auf dem Parkett beruhigt. Die seither erneut gestiegenen Aktienkurse von KI-Unternehmen belegen die Zuversicht der Anleger, dass die Investitionen in Künstliche Intelligenz auf einem hohen Niveau bleiben könnten und immer mehr Unternehmen Geld in den Aufbau von Infrastruktur für KI stecken.
Ob den Nvidia-Aktien in der neuen Woche ein weiteres Rekordhoch gelingt, bleibt abzuwarten. Positive Überraschungen seitens Nvidia könnten aber den weltweiten Techsektor antreiben und auch die Börsenkurse hierzulande weiter stützen, wenngleich im Dax
Der deutsche Leitindex war Anfang August noch bis auf fast 17.000 Punkte gefallen, die anschließende Aufholjagd führte ihn aktuell zurück bis auf fast 18.700 Punkte. Dies bedeutet, dass auch das Rekordhoch von Mitte Mai bei rund 18.893 Zählern wieder sichtbar wird.
Zinssenkungshoffnungen könnten helfen, es zu erreichen. Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen, geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im September ihren Zinssenkungszyklus fortsetzen und im Laufe des Jahres 2025 den Einlagenzins bis auf 2,5 Prozent senken wird. Sie stellte in ihrer Studie zu Märkten und Trends klar, dass vor allem aus Deutschland zuletzt immer schwächere Konjunkturdaten gekommen seien, weshalb mit einem wachsenden Druck auf die EZB zu rechnen sei. Diese müsse vermutlich stärker lockern, um die Konjunktur im Euroraum zu entlasten, schrieb sie.
Wie Geschäftsleute die deutsche Wirtschaft derzeit einschätzen, wird am Montag das Ifo-Geschäftsklima zeigen, das als das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer gilt. Auch die vorläufigen Verbraucherpreise für Deutschland (am Donnerstag) und die Eurozone (am Freitag) haben die Anleger im Blick. Im Euroraum dürfte die Inflation im August voraussichtlich von 2,6 auf 2,1 Prozent gefallen sein, glaubt die Commerzbank. Der Rückgang dürfte die EZB in ihrer anvisierten Leitzinssenkung im September bestärken, so die Ökonomen. Sie rechnen aber damit, dass die Inflation bis zum Ende des Jahres wieder steigen wird, um sich bei etwa 2,5 Prozent und damit über dem EZB-Ziel einzupendeln.
Von den Konjunkturdaten und den Nvidia-Zahlen abgesehen, stehen hierzulande in der neuen Woche noch wenige Nachzügler aus der zweiten und dritten Reihe mit Quartalsbilanzen auf der Agenda, darunter am Donnerstag der Essenlieferdienst Delivery Hero
--- Von Achim Jüngling, dpa-AFX ---
Quelle: dpa-Afx